Einzelnen Beitrag anzeigen
  #12  
Alt 07.10.2006, 21:21
Sybilles Sybilles ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 16.08.2005
Ort: Backnang (BW)
Beiträge: 438
Standard AW: Psychotherapie bei Krebs

Hallo Ihr da draußen (das habe ich von Junie geklaut )

Nun will ich meine Erfahrungen mit Psychotherapie weitergeben.

Ich habe sehr lange gezögert, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, obwohl es mir aufgrund verschiedener Probleme, u.a. auch wg. Krebs sehr schlecht ging. In dieser Zeit habe ich Interferon gespritzt, was die Lage nicht verbessert hat.
Irgendwann hatte ich mich dazu durchgerungen zumindest eine Therapie zu versuchen. Also Telefonbuch auf und der Reihe nach alle Therapeuten angerufen, die bei mir im näheren Umkreis sind. Nach längeren Anläufen bin ich dann bei einer Psychiaterin gelandet. Diese hat mit mir ein Gespräch geführt und war dann der Meinung, dass ich ganz dringend eine Psychotherapie brauche. Sie selbst ist sei nicht in der Lage mich zu therapieren, aber ihr Ehemann, ein Dipl. Psychologe könnte mich nehmen. Ich habe dann recht schnell einen Termin für die 5 Probesitzungen bekommen. Das hat mich ziemlich überrascht, weil ich bei vorherigen Anrufen bei anderen Psychologen immer eine Wartezeit von mindestens 6 Monaten gehabt hätte.
Also bin ich eines Tages zum Erstgespräch gegangen, mit klopfendem Herzen und ziemlich fertig. Die ersten 5 Stunden waren einigermaßen erträglich und ich habe mich entschieden, die Therapie weiter zu führen. Es war auch ein großer Teil Bequemlichkeit dabei. Ich hatte einen Psychologen, er war gut erreichbar und ich dachte damals, dass es nur besser werden kann.
Das war ein Irrtum. Ich kam in die 6. Sitzung und musste zu meinem großen Erstauen und nicht geringem Verdruss auf die Couch. Der Therapeut mit seinem Block hinter mir. Ich habe ihm gesagt, dass mir das nicht passt, er meinte aber, dass ich es wenigstens versuchen solle. Es ging dann einige Stunden so, dass ich von akuten Problemen berichtete, er aber immer wieder auf meine Kindheit (ich habe ziemliche Altlasten) zu sprechen kam. Dann kam noch dazu, dass er während der Sitzungen ständig private Telefonate führte oder die Stunde grundsätzlich zu spät anfing. Als er mich dann einen Tag nach einer Sitzung im Beisein meiner Schwägerin (sie ist so alt wie ich) und meiner Nichte ansprach, ob das meine Kinder sind, und es im letzten Gespräch um meinen unerfüllten Kinderwunsch ging, hat es mir endgültig gereicht. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, dass ich die Therapie nicht weiter fortsetzen werde.
Danach hatte ich erst mal genug von Therapie.

Es kamen jedoch ziemlich schwere Schlafstörungen dazu und ich hatte ziemlich Depressionen (arme Claudia, Dich habe ich ziemlich vollgelabert). Ich habe mich 1 Jahr lang mit homöopathischen Mitteln und auch Akupunktur ohne Erfolg behandeln lassen.

Irgendwann war ich so mit den Nerven fertig, dass ich nur die Wahl zwischen Selbstmord (ich weiß, dass das viele erschrecken wird) oder einer neuen Therapie hatte. Ich habe also erneut das Telefon bemüht und habe auch sehr schnell bei einem Psychiater, der auch Psychotherapie macht, einen Termin bekommen.
Ich fand ihn super sympathisch und das erste Gespräch ging fast 2 Stunden lang. Er hat mich dann davon überzeugt, dass Antidepressiva und ein Mittel gg. Schlafstörungen wegen meines Zustandes unbedingt nötig sind. Außerdem natürlich eine tiefenpsychologische Therapie. Er selbst würde zwar vereinzelt Einzeltherapien machen, sieht sich aber nicht in der Lage mich selber zu betreuen. Er konnte mir aber einen Dipl. Psychologen, mit dem er in einer psychiatrischen Klinik zusammengearbeitet hatte, nennen. Der Psychiater hat dann für mich den Weg geebnet, so dass ich bei meinem Anruf beim Dipl. Psychologen sehr schnell einen Termin für das Erstgespräch bekam. Als bin ich dort hingedackelt und fand den Herrn nicht unsympathisch, aber nicht so nett, wie den Psychiater. Kurz und gut, er fand, dass eine Gruppentherapie für mich vielleicht besser wäre und ich es doch mal versuchen solle. Okay, seit jetzt 1 Jahr mache ich diese Gruppentherapie einmal in der Woche und fühle mich dabei gut.
Die Therapiestunden laufen so ab, dass der Therapeut am Anfang nochmals zusammenfasst, was in der letzten Stunde war. Entweder wird diese Thematik weitergeführt oder jemand aus der Gruppe beginnt was Neues, was bei ihm/ihr akut ist oder fragt ein Gruppenmitglied nach etwas. (z.B. bei mir Ergebnis Untersuchungen oder so).
Es kann sein, dass in einer Sitzung fast nur eine/r zu Wort kommt, es kann aber auch sein, dass jeder irgendwas zu sagen hat. Es war aber auch schon das große Schweigen. Tränen (auch von den Männern) sind nicht selten. Es ist eben eine tiefenpsychologische Therapie und da geht es schon mal ans Eingemachte.
In meiner Gruppe ist außer mir, nur eine auch an Krebs erkrankt. Die anderen haben unterschiedliche Probleme.
Für mich ist es momentan etwas schwerer, weil sich die Gruppe umstrukturiert hat. Es sind einige Neue hinzugekommen, die natürlich von den Vorgesprächen keine Ahnung haben und oftmals die Zusammenhänge nicht kennen und nachfragen müssen, während die Alten sich „langweilen“.

Erwähnen möchte ich noch eine psychosomatische Rehabilitationsmaßnahme, die ich von Januar bis März gemacht habe. Auch dIEs war tiefenpsychologisch fundiert. Es gab 3 Mal die Woche Gruppentherapie und auch noch Einzelgespräche.
Diese Reha hat mir schwer zu schaffen gemacht. Ich denke aber trotzdem, dass sie mir nützlich war.

So, jetzt ist mein langer Bericht zu Ende. Ich hoffe, ich habe Euch damit nicht gelangweilt. Falls Ihr noch Fragen dazu habt, dann legt los.
__________________
Liebe Grüße

Sybille