Einzelnen Beitrag anzeigen
  #72  
Alt 10.01.2006, 08:16
Benutzerbild von AndreaS
AndreaS AndreaS ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 09.02.2005
Ort: SB
Beiträge: 837
Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Hallo Shalom,

es tut mir leid, wenn ich dich in irgendeiner Form verletzt habe. Das liegt mir natürlich fern.

In den vergangenen 15 Monaten musste ich mir so viele gut gemeinte Ratschläge anhören, viele davon haben gewiss ihre Berechtigung. Aber meistens habe ich das Gefühl, dass erwartet wird, ich soll mich so oder so fühlen, damit es den anderen gut geht. Ich WILL mich aber nur so fühlen, wie es für mich gerade stimmt. Es ist mein Schmerz, das einzige was mir geblieben ist, um meinen Mann noch körperlich zu spüren.

Es ist natürlich auch sehr viel Selbstmitleid dabei. Wenn ich die Wahl hätte, meinen Mann noch hier bei mir zu haben, so wie er in den letzten Wochen seines Lebens bei mir war, fällt mir die Entscheidung aus Liebe zu ihm recht einfach. Ich weiß, dass er so nicht mehr hat weiterleben wollen. Für mich alleine, für mein Ego, hätte ich es noch Jahre ertragen, ihn wenigstens umarmen und küssen zu können, mich um ihn zu kümmern.

Unsere Gedanken müssen sich allmählich wieder sortieren. Die Gefühle, das Auf und Ab, wir müssen lernen, es anzunehmen. Mir hilft dabei lediglich die Liebe zu meinem Mann und meinen Kindern, die Dankbarkeit, ihn lieben zu dürfen. Ich glaube nicht, dass ich jemals den Zugang finden werde, mich der Kirche und dem doch eher kindlichen Glauben an Gott anzuschließen. Aber das muss jeder für sich selbst entscheiden.

In Tagen der Wut und Verzweiflung ist es jedoch sehr schwer, andere Gedanken zuzulassen. Da du gewiss niemals vergessen wirst, wie es vor 5 Jahren für dich war, kannst du vielleicht verstehen. Die Aggressionen sind nicht gegen deine Person gerichtet - das musst du mir glauben - sie sind einfach. Im persönlichen Gespräch von Angesicht zu Angesicht wäre ein Austausch sehr wahrscheinlich wesentlich einfacher, ein Hinterfragen erträglicher.

Es ist diese Zerrissenheit, die den Weg für mich zumindest so schwer macht. Einerseits möchte ich, dass die positiven Gefühle, die das Leben mit meinem Mann in mir hervorgerufen haben über 28 Jahre lang, das Glück, das ich zum Glück bewusst erlebt habe, nicht erst jetzt erkenne, ich möchte es mir erhalten.

Irgendwie habe ich manchmal das Gefühl, dass einfach nichts stimmt. Geht es mir gut habe ich Angst, dass ich den Schmerz verliere. Geht es mir schlecht, weiß ich nicht woher ich die Kraft weiter nehmen soll.

Das einzige, was ich bisher verstanden habe ist, dass man all diese Gefühle zulassen und durchleben muss, um ein wenig Besserung zu spüren. Ich glaube nicht, dass jemand, der am Anfang seiner Trauer steht, Kraft aus den Erfahrungen schöpfen kann, der schon einen langen, harten Weg weiter gegangen ist. Es braucht Zeit, einfach nur verdammt viel Zeit. Und keinerlei Kritik an den jeweiligen Gefühlen, die gerade durchlebt werden.

Wie gesagt, wieder viel geschrieben, hoffentlich manches erklärt. Ich möchte wirklich niemanden verletzen.

LG
Andrea
__________________
Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες
Mit Zitat antworten