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Alt 24.02.2003, 12:39
Gast
 
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Standard Warum mußte sie so leiden?!

Hallo an alle,

ich habe schon ein paar Mal hier Beiträge geschrieben, und mich immer über die Antworten und Hilfen gefreut. Heute muß ich mal etwas loswerden: Es ist so schön, wenn einige Hinterbliebene schreiben, daß das Familienmitglied ganz friedlich eingeschlafen ist. Ich werde nicht fertig damit, wie meine Mutter die letzten 2 Wochen (eigentlich waren es 2 Jahre, aber die letzten 2 Wochen haben sich potenziert...) leiden mußte. Es fing damit an, daß ihr in einer Operation mit örtlicher Betäubung der rechte Lungenflügel (linker voll Wasser) kollabierte und sie deswegen ein „durchgangssyndrom“ erlitt. Das heißt, als wir sie besuchten, hat sie uns nicht erkannt, redete wirres Zeug, als wäre in ihrem Kopf ein einziger Alptraum. Mein Vater meinte, so was wäre für den Betroffenen nicht so schlimm (er ist Arzt) aber für meine Mutter war es ein Horrortrip. Von da an ging es steil bergab, sie konnte gar nichts mehr alleine machen, klagte über Schmerzen, obwohl ihr schon per Infusion Morphium und ein Betäubungsmittel verabreicht wurden... Sie war zu der Zeit noch im Krankenhaus, und die Ärzte fanden das Vorhaben meiner Schwester gut, sie ins Hospiz zu bringen. Es war in der Hinsicht gut, daß ihr durch den anstrengenden Transport vielleicht noch ein paar Wochen Leidenszeit genommen wurden.
Auf alle Fälle weiß ich jetzt, was „todmüde“ wirklich bedeutet. Sie wachte im Hospiz auf, atmete ganz flach mit vielen Aussetzern, war aber trotzdem total unruhig und wälzte sich von einer Seite auf die andere. Dann wollte sie sich aufsetzen, und es brach mir fast das Herz, wie sie dasaß: Die Augen halbgeschlossen, der Mund ganz spitz und weit auf, nach Atem ringend... Das ist das Bild, das ich vor mir habe, wenn ich an sie denke. Ihr absolutes Leiden, mit dem Hilferuf an uns: „Helft mir!“, und das schon im Krankenhaus. Wieso darf man jeden Hund einschläfern, der leiden muß!? Und die eigene Mutter kann einfach nicht mehr und fleht nach Hilfe, das Leiden zu verkürzen – und man darf nur dabeisitzen und zusehen, ihr die Hand halten und sagen, wir dürfen ihr nicht helfen.
Die letzte Zeit im Hospiz war einfach furchtbar. Ich habe einen kleinen Sohn, deswegen konnte ich nur zeitweise bei ihr sein. Die erste Zeit war wirklich schön, wir umarmten uns und sie sagte, es sei der schönste Abschied, den sie je hatte. Aber dann war sie immer weniger bei Sinnen, und das Sterben an sich fand ich so schlimm, da sie durch die Medikamente immer mehr halluzinierte und uns irgendwann nicht mehr erkannte (zumindest zeitweise)... Da hatte ich auch einen Riesenstreit mit meiner Schwester, weil ich damit einfach nicht mehr fertigwurde. Auch mein Sohn (damals 7 Wochen) merkte meine Anspannung und schrie nur noch, wenn ich das Haus verließ. Meine Schwester sagte, sie mache das ja auch nicht zum Spaß und ob ich wohl dann nicht mehr „auftauchen“ würde. Vergaß dabei aber, daß sie diejenige war, die sich entschieden hatte, meine Mutter im Hospiz zu pflegen. Wir hatten den Riesenstreit, als ich entschied, nicht mehr ins Hospiz zu kommen – ich wußte, daß dieser Besuch auch für meine Mutter der letzte war, wußte, daß sie sterben würde in der Nacht. Was dann auch der Fall war.
Ich habe (hatte :-( ) ein sehr intensives Band zu meiner Mutter, wir waren uns sehr ähnlich. Und deswegen bin ich der Meinung, daß es mein Mutter es nicht gewollt hätte, wenn ich heulenderweise neben ihrem Bett gesessen wäre. Heute sagt meine Schwester, es war eine Extremsituation in der man extrem reagiert und das sollte man vergessen. Aber ich bin der Meinung, daß sich erst in Extremsituationen zeigt, wie ein Mensch IST. Und ich weiß nun, daß ich bei Personen, die mir nahestehen und die ich liebe, nicht stark genug bin, zuzusehen, wie sie langsam krepieren, wie es bei meiner Mutter der Fall war. Auf alle Fälle weiß ich nicht, wie ich damit fertigwerden soll, daß sie so absolut leiden mußte (ich weiß ja, daß ich es nicht ändern konnte). Das große WARUM...
Das mußte ich mal loswerden, ich bin froh, daß es dieses Forum gibt.

Eure Antje alias Sabine alias Sabine-Antje
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