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Alt 18.04.2004, 15:24
Gast
 
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Standard Lebenserwartung

Liebe Liz - und an alle, die es interessiert,

ja, du hast durchaus Recht. Auch nach 7 Monaten ziehen einen die schlechten Nachrichten zwar noch runter, aber man erholt sich schneller davon. Hätte anfangs nie gedacht, dass man sich an das Leben mit dieser Krankheit "gewöhnen" kann. Aber da passt wohlt der Spruch: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, mal wieder ganz gut. Das mit deinem Sohn tut mir leid, und ich hoffe sehr, dass das alles nicht von seinem Beruf abhängt. Kann dir jedoch nur zustimmen, dass wirklich nicht anerkannt wird, dass diese Krankheit nicht nur den Betroffenen physisch und psychisch stark mitnimmt, sonderen die Angehörigen psychisch nataürlich auch. Und das gilt in meinen Augen selbstverständlich auch für die Kinder, egal ob klein oder schon erwachsen. Seit dem Wolfgang krank ist, hadere ich immer mehr mit meiner bisherigen Lebensauffassung und unserer Gesellschaft. Ich hätte vor sieben Monaten nie im Leben gedacht, dass uns das alles passieren könnte. Und damit meine ich nicht den Lungenkrebs, sondern vielmehr das, was einem von seinen Mitmenschen noch zusätzlich aufgebürdet wird. Mit so viel mangelndem Verständnis - vor allem auf die Kinder bezogen - hätte ich nie gerechnet. Man muss in dieser Gesellschaft offensichtlich 100 % funktionieren, solange man den Kopf noch auf dem Hals hat.

Und weißt du, was mich echt traurig gemacht hat? Als wir uns jetzt entscheiden mussten, zusätzlich zur Bestrahlung noch eine weitere Chemo zu machen, hat uns der Arzt wie üblich über die Nebenwirkungen aufgeklärt. Zu dieser Chemo wird ganz stark Kortison gegeben und der Arzt hat darauf hingewiesen, dass sich das Äußere meines Mannes durch Fett-u. Wassereinlagerungen so stark verändern könnte, dass der Krebs nun sichtbar wird. Wir haben lange überlegt und mein Mann hat allen Ernstes zu mir gesagt: Vielleicht ist es gar nicht schlecht, wenn man bald sieht, dass ich krank bin. Eventuell bringen unsere Mitmenschen dann etwas mehr Verständnis für mich auf.

Da bin ich fast vom Glauben abgefallen. Sind wir schon so tief gesunken, dass man durch Äußerlichkeiten daraufhinweisen muss, dass es einem schlecht geht? In einer intakten Wellt würde ich hoffen, dass die Diagnose reicht um wenigstens bei Menschen, die einen kennen, auf etwas Verständnis hoffen zu dürfen. Was wir allerdings selbst von Lehrern, Verwandten, Nachbarn und vor allem von Ärzten an Kaltschnäuzigkeit erfahren haben, das passt auf keine Kuhhaut.

So, das musste ich mir mal von der Seele schreiben. Und leider Gottes bin ich mir fast sicher, dass es den meisten Anderen hier nicht besser ergangen ist. Und ich finde es einfach nur schade, denn die Situation als solche ist eigentlich schon schlimm genug. Und bei so viel Krebskranken ist es mir unverständlich, warum man unter den Ärzten so häufig auf wahre A......... trifft.

Gruß an Willy, dicker Knuddel zurück, liebe Grüße von Monika