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Alt 04.10.2010, 11:51
Kyria Kyria ist offline
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Standard AW: Kleinzeller mit Fernmetastasen

Lieber Ecki,

Deinen Text habe ich mit großem Interesse gelesen, danke dafür.

Du hast wirklich eine Begabung, klar, schön und punktgenau Sachen und Dinge zu beschreiben, so daß es immer wieder ein Vergnügen ist, zu lesen, was Du hier schreibst. Auch wenn es sich hierbei natürlich wieder Mal um ein sehr ernstes Thema handelt, um das des Umgangs der Mediziner mit der "Wahrheit" dem schwer erkrankten Patienten gegenüber.

Ich denke auch, daß sich diesbezüglich in den letzten Jahren und Jahrzehnten viel getan hat. Inzwischen wird der Patient in der Regel wesentlich offener und klarer über seine Diagnose informiert, als früher.

Das ist die eine Seite der Realität. Es gibt aber dazu, so finde ich, immer noch eine andere, nämlich die, wieviel der Patient selbst über seine Diagnose und den möglichen Krankheitsverlauf wissen möchte.
Ich denke, daß nicht jeder, der schwer erkrankt ist, in der Lage dazu ist, der Realität so klar ins Auge zu blicken wie Du. Viele möchten die "Wahrheit", also den wahrscheinlichen Krankheitsverlauf gar nicht so genau kennen und signalisieren das auch deutlich ihren Ärzten. In dem Fall werden die Aussagen der Ärzte über das Stadium der Erkrankung und den Krankheitsverlauf in der Regel wohl weniger deutlich und klar ausfallen, wie bei Dir.

Oft wollen dazu auch die Angehörigen gar nicht so genau wissen, was Sache ist, einfach weil die Wahrheit in dem Stadium, in dem sie sich gerade befinden, nicht ertragen könnten oder wollen - und so werden die Ärzte wohl weniger intensiv befragt.

Ich selbst habe es so erlebt. Das Ärzteteam das meinen Angehörigen, der an unheilbarem Kleinzeller erkrankt war, behandelt hat, ist wirklich sehr vorsichtig mit dem der Mitteilung der Diagnose umgegangen. Wenn wir als Angehörige ohne den Kranken nachfragten, bekamen wir immer exakt Antwort auf die gestellte Frage. Und nur wenn wir existenzielle Fragen stellten, wie die nach der möglichen Lebenserwartung, wurde diese auch genau und klar beantwortet. Je intensiver wir also nachbohrten, desto detaillierter war auch die Antwort. Ansonsten wählten die Ärzte lieber offenere, unklarere Formulierungen.

Dem Kranken gegenüber verhielten sie sich ebenso und unser Kranker wählte daraus die Option, nur Positives aus den Aussagen der Ärzte herauszuhören und sich die Schwere seiner Krankheit nicht bewußt zu machen.

Das war sein Weg, damit umzugehen und das war okay für ihn.
Ich find`s gut, daß ihm die Ärzte das ermöglicht haben, denn die harte Wahrheit wollte er nicht hören und hätte er vielleicht auch nicht verkraftet.

Ich denke einfach, daß es auch heute, bei medizinisch wesentlich besserer Aufklärung als früher, noch typensache ist, wie man mit einer solchen Diagnose umgeht, ob man als Betroffener wirklich informiert werden möchte oder nicht.

Wie Du schreibst: Wenn man sehr gut informiert ist, braucht man eigentlich auch besondere Strategien und Unterstützung, um damit gut umgehen zu können.
Aber ich glaube, daß jeder Kranke von Anfang an den für sich passenden Weg auswählt, entweder den der Verdrängung oder den, der Realität ins Auge zu schauen. Beide Strategien haben ihre speziellen Vor- und Nachteile.
Leicht ist es sicher nie, damit umzugehen.

Ganz liebe Grüße
Kyria