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Alt 16.09.2010, 18:22
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annika33 annika33 ist offline
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Standard AW: Der Nachlaß oder was bleibt?

Lieber Reinhard,

meine Oma wohnte nach dem Tod von Opa 97´alleine. Das funktionierte ganz gut, bis sie zunehmend Schwierigkeiten mit dem Laufen bekam und körperlich gebrechlicher wurd. Sie stürzte und kam ins KH. Dort stellte man fest, dass ein Querschnitt vorlag. Sie konnte sich quasi hüftabwärts nicht mehr bewegen.

Damals überlegten wir gemeinsam, wie es weitergehen solle. Papa stand im Beruf, meine Eltern hatten sich kurz zuvor getrennt und Oma wollte so oder so, niemandem zur Last fallen. Sie zog in ein Pflegeheim.

Wir lösten damals die Wohnung, bis auf die wichtigsten Habseligkeiten und ein paar wenige Möbelstücke (im Heim durfte man nicht viel an eigenem Mobiliar mitbringen), auf. Oma hing auch an vielen Dingen. U. a. ein wundervolles Sideboard. Sie bestimmte, was wohin kommen sollte und einige Dinge gingen in die Nachbarschaft. Das fiel schwer.

Doch das ein oder andere, wiegesagt, das konnte sie behalten. Heute, wenn ich so zurückdenke, muss das schon ein ausgesprochen schwerer Schritt in Richtung des Loslassens gewesen sein.

Dennoch behielt sie Dinge, die Bindeglieder zu ihren Eltern waren beispielsweise. Schmuckstücke, Geschriebenes usw. Ich finde Du orientierst Dich zu sehr, und das meine ich keineswegs böse, an dem, was die Krankheit neben den körperlichen Einschränkungen mit sich bringt. Sie zeigt immer wieder auf, dass die Zeit begrenzt ist. Aber wie weit da die Grenzen gesteckt sind, das können mitunter ja noch nicht einmal die Mediziner beantworten.

Und dann frage ich mich, ab welcher "verbleibenden Zeit", eine Übernahme bestimmer Erinnerungsstücke an Deine Mama, "lohnenswert" für Dich wäre. Ich glaube Reinhard, man muss auch ein wenig auf sich und somit auf das Hier und Jetzt ein Augenmerk haben.

Und ist eigentlich alles nur Ballast? Ich pflichte Dir im Bezug auf die Erinnerungen, die sich an die Oberfläche schleichen, wenn man solche Dinge zu sich nimmt bei. Aber sind sie nur "belastend"? Vielleicht kann man manches auch zulassen und sich doch noch daran, wider Erwarten, erfreuen.

Zitat:
aber es ist scheußlich deprimierend, wenn dann der Begünstigte heimlich denkt "wo soll ich denn damit noch hin?"
Ich glaube nicht, dass derjenige das heimlich denkt. Ich denke vielmehr, dass es so ist wie bei mir. Man ist schmerzlich berührt, wenn jemand geliebte Gegenstände "im Vorfeld" abgeben möchte. Ich glaube, wenn man es richtig anspricht und sagt:"Das ist mir wichtig. So wichtig, dass ich es bei Dir in guten Händen wissen will, denn Du bist für mich die richige Person für diesen mir liebgewordenen Gegenstand!", dann verschwindet der fälschliche Eindruck von: wo soll ich denn damit noch hin ? gewiss schnell. Oft ist man als Angehöriger/nicht Betroffener genauso überfordert und ängstlich und macht doofe Fehler.

Liebe Grüße

Annika
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