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Alt 10.04.2010, 22:02
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Birne Birne ist offline
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Standard AW: Kann es nochmal besser werden?

Ihr Lieben hier,

es tut mir so gut zu lesen, wie viele liebe Menschen an mich/uns denken. Danke für die Sonnenstraheln, die Kraftpakete, alle guten Wünsche. Ihr seid so lieb

Gestern hatte ich den schweren Gang zum Bestattungsunternehmen und nachmittags dann die Besprechung bei der Friedhofsgärtnerei. Wie glücklich kann ich mich schätzen, so liebe Menschen an meiner Seite zu haben. Da ist der beste Freund meines Mannes und die Schwester meines Mannes, die beide mit beim Beeridigungsinstitut waren. Meine Schäwgerin war dann mittags mit in der Gärtnerei und wir haben gemeinsam die Kränze, Blumen und den Schmuck für den SArg ausgesucht. Von mir und meinen Kindern kommt ein großes Herz mit tiefroten Rosen. Es beschreibt aber leider nicht im Mindesten, wie sehr ich diesen Menschen geliebt hab. Er ist das Teuerste, was ich hatte.

Heute Mittag hab ich ein schönes Bild von meinem Schatz rausgesucht. Es strahlt so viel Freude und Lebensmut aus. Vielleicht, wenn ich mal ganz mutig bin, stell ich's hier ein.

Meine Kinder sind auch so lieb. Meine Tochter kocht jeden Abend. kümmert sich um alles. War mit mir heute zu meinem schwarzen Kostüm ein Oberteil kaufen. Bei meinem Sohn hab ich mich ausheulen können. Ganz liebe Kinder, wirklich. Mein Mann war in leitender Position bei einer großen Bank. An der Beerdigung wird der Vorstand eine Rede halten.

Wenn ich mich an den letzten Abend vor seinem Tod erinnere, wird mir ganz komisch. Ich erzähl jetzt mal wie es war.

Bis dato wollte mein Mann ja nicht, dass ich dort übernachte. Am Mittwoch Abend dann, er war ziemlich zugedröhnt von dem vielen Morphium, die Dosis wurde zuletzt auf 50 µg erhöht, zusätzlich bekam er noch eine Morphiumspritze in den Bauch und es war ihm permanent übel.
Am Mittwoch Abend dann fragte die Schwester, ob ich dableiben würde. Ich antwortete: "Ich würde ja gern, aber mein Mann möchte es nicht". Darauf die Schwester zu meinem Mann: "Warum soll Ihre Frau denn nicht dableiben? Das ist doch schön!" Er dann ganz erschönpft und vielleicht auch gar nicht wirklich Herr seiner Sinne : "Ja, dann soll sie ben dableiben".
Ich nichts wie raus, schnell nach Hause gefahren, ein paar Sachen zusammengesucht und wieder zurück ins KH. - Es war eine sehr sehr unruhige Nacht. Mindestens halbstündlich hat er nach mir verlangt, entweder weil er sich anders hinlegen mußte weil ihm übel war oder weil er das Bett mit Erbrochenem beschmutzt hatte. Ich hab dann immer wieder das Kopfkissen gewechselt. Irgendwann hatte er wieder Schmerzen, bekam noch mal eine Morphiumspritze. Gegen Morgen war ihm wieder so schlecht, hat dieses Mal nicht nur das Kopfkissen sondern auch das Laken beschmutzt. Das konnte ich nicht allein saubermachen. Hab die Schwester gerufen. Die hat ganz ganz liebevoll meinen Mann dann erst mal gewaschen, ganz vorsichtig das Lanken unter ihm, sehr behutsam, damit er sich in seiner gekrümmten Haltung möglichst nicht bewegen muß, sehr fachkundig das Laken gewechselt. Zwischenzeitlich kam die Ärztin. Sie sagte dann zu mir ": ich befürchte, das geht nicht mehr lang." Auf meine Frage, was "nicht mehr lang" bedeutet und ich die Angehörigen verständigen solle, bejahte sie dies. Das hab ich dann gemacht. Binnen einer halben Stunde - so gegen 9 Uhr oder 10 Uhr, ich weiß es nicht so genau, waren Vater, Schwester mit Mann, sein bester Freund, meine Schwester und meine Eltern da.
Er hat sich sehr gewehrt. Er wollte ja nicht sterben. Das hat man deutlich bespürt. Er hat sehr gestöhnt, den Kopf immer von einer auf die andere Seite gedreht. Die Augen hatte er die ganze Zeit geschlossen. Die Angehörigen sind dann auch nach einer Weile wieder aus dem Zimmer. Ich hab ihm alles Mögliche gesagt, von "Ich liebe dich" über " es ist alles geregelt, du mußt dir keine Sorgen um uns machen" bis zu "deine Tochter ist zwar nicht da, hat mir aber xxx Dinge aufgetragen dir zu sagen". Ich hab ihm ständig die kalte Hand gehalten, das Gesicht gestreichelt und ihn immer wieder sanft geküßt. Irgendwann ist er plätzlich ganz ruhig geworden, hat die Aufgen aufgemacht - ganz weit! Er hat erstaunt geblickt, nicht entsetzt oder ängstlich, nein erstaunt, als würde er etwas ganz Außergewöhnliches sehen. Meine Schwester hat die Angehörigen wieder reingeholt. Alle waren sehr still. Dann hat mein Liebster ganz sanft ein paar mal ausgeatmet, dann hat er es geschafft.
Meine Schwester und mein Schwager sagten mir nachher, mit seinem letzten Atemzug hätten die Kirchenglocken begonnen 12 Uhr zu schlagen.

So und jetzt komm ich mir vor wie im falschen Film. Ich funktioniere, mache alles, kann aber nicht wirklich weinen.

Will es auch für heute gut sein lassen. Ich schreib bald wieder.

Euch allen nochmal "hat tausend Dank für alles, Ihr lieben Schätze.

Elbi
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