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Alt 18.03.2010, 00:40
Peter Gerber Peter Gerber ist offline
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Standard AW: Erfahrungen einer Angehörigen

Hallo liebe Betroffene

In Ergänzung des Berichtes von Kirsten einige Angaben von mir.
Meine liebe Frau (63) bekam im November 2008 die Diagnose BSDK. Die Whipple-Operation konnte nicht vollständig ausgeführt werden, da während der Operation Lebermetastasen erkannt wurden. Es gab einige Komplikationen. Nach der Erholung 2 Zyklen Chemo mit Gemzar, aber die hat sie sehr schlecht vertragen. Im April 2009 wurde die Chemo abgesetzt und auf rein palliative Behandlung (Schmerzlinderung mit Morphin) umgestellt. Heute braucht sie 120 mg MST pro Tag und dazu gelegentlich (bei Bedarf) Morphin-Tropfen. Es geht ihr mal besser, mal schlechter, aber ihr Zustand ist eigentlich ziemlich stabil. Auch ihr Gewicht (43 kg!) ist seit Monaten gleich. Heute war sie den ganzen Tag allein mit Bus und Zug in der Stadt für Besorgungen und einen Verwandtenbesuch, es ging ganz gut.

Nun aber zu den Angehörigen (wir haben 3 Kinder und 6 Enkel), die sind ja das Thema dieses Threads.

Natürlich war der Schock nach der Diagnose gross. Wir haben alle nur noch in Zeiträumen von Wochen, höchstens Monaten gerechnet. Die Ärzte (sie wird ausgezeichnet betreut) haben NIE eine Prognose gewagt, wieviel Zeit uns noch bleibt. Nun leben wir schon bald 1 1/2 Jahre mit dieser Situation.

Im letzten Sommer wagten sich die Kinder mit ihren Familien natürlich nicht in einen grossen Urlaub, sie wollten "für alle Fälle" in der Nähe sein. Nun stellt sich die Frage erneut. Die einen möchten grosse Familienferien machen, ein Wohnmobil mieten und 4 Wochen lang durch weit entfernte Länder ziehen. Aber schon stellen sich Gewissensbisse ein: Dürfen sie ihre Mutter/Grossmutter einfach so alleine lassen? Bei einer Verschlimmerung der Situation könnten sie ja nicht einfach rasch heimkehren. Ich habe ihnen geraten, die Ferien trotz der Bedenken zu buchen. Aber wohl ist mir nicht dabei.

Wir benutzen jede Gelegenheit, um zusammen zu feiern, obschon die Kinder/Enkel mehr als eine Autostunde entfernt wohnen. Die Krankheit hat unsere Familienbande eindeutig verstärkt. Aber allmählich werden die Besuche für die Enkel (zwischen 2 und 8 Jahre alt) auch zur Belastung.

Ich selbst versuche, mir gelegentlich etwas Freiraum zu verschaffen, wenn meine liebe Frau einen guten Tag hat. Eine kleine Wanderung, ein Museumsbesuch oder so, aber viel liegt natürlich nicht drin. Ich helfe auch viel im Haushalt, obschon sie den immer noch selber besorgen will (und weitgehend auch kann). Ich bin zum Glück selbständigerwerbend und arbeite fast immer zuhause.

Was haben wir doch in der ersten Zeit zusammen geweint, auch mit den Kindern! Nun hält der Zustand schon so lange an, dass ich keine Tränen mehr habe. Statt Traurigkeit spüre ich nur noch Leere. Natürlich ist es wunderschön, dass wir zusammen noch so viele Monate geniessen dürfen. Aber allmählich wird die Situation trotz "stabilem" Krankheitsbild für uns Angehörige doch ziemlich belastend.

Und schon kommt das schlechte Gewissen: Eigentlich müsste ich ja jauchzen und frohlocken, dass die Krankheit meiner lieben Frau zu stagnieren scheint. Andererseits...... siehe oben!

Vielleicht habt Ihr Ähnliches durchgemacht? Es würde mich interessieren.

Liebe Grüsse
Peter
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