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Alt 09.06.2009, 12:23
Antara-01 Antara-01 ist offline
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Standard AW: das 4. Mal....

Hallo Cori,

nein, diese professionelle Distanz kann man nicht bewahren, wenn es um die eigene Mutter geht. Als Arzt kann man es sich wirklich nicht leisten, mit jedem Patienten mitzuleiden. Dann wäre man im Nu ausgebrannt und könnte dann keinem mehr angemessen helfen. Man muss lernen, Vieles auszublenden.

Als Angehöriger ist die Taktik eine wenig anders. Die Emotionen kann man nicht dauerhaft außen vor lassen. Sie kommen einfach, und man muss ihnen auch ihren Raum geben und sie zulassen. Ich glaube, als Angehöriger ist es eher andersherum, wenn man sie unterdrückt, kann man nicht mehr angemessen helfen. Sie gehören dazu, so schmerzlich es auch ist. Man darf sich nur nicht ganz von ihnen überwältigen lassen.

Man muss sehr gut auf sich achtgeben, damit man für seinen kranken Angehörigen möglichst gut da ist. Dazu gehört es auch, Emotionen zuzulassen. Ebenso gehört dazu aber auch ein gewisser Abstand. Man muss sich unbedingt ein paar kleine Freiräume schaffen, frei von Gedanken an den Krebs. Sport z. B. kann da sehr hilfreich sein, irgendeine Beschäftigung, die einen wirklich zwingt, währenddessen nur an sie und nicht an den Krebs zu denken. Bei mir sind das die Pferde. Das sind wunderbare Lehrmeister, die es absolut nicht zulassen, dass man in ihrer Anwesenheit mit seinem Kopf woanders ist. Ich schöpfe aus solchen Freiräumen die Kraft für die Zeit mit meiner Mutter. Ohne diese Freiräume hätte ich nicht ausreichend Kraft. Auch mein Kopf ist nach so einer Auszeit jedes Mal frei und ich habe den Eindruck, auch für meine Mutter und die nächsten Schritte klarer zu sehen. Ich fühle mich ein Stückchen leichter. Und das kann ich dann so gut es geht auch an meine Mutter übertragen.

Ich höre aus deinen Worten auch die Angst heraus, zu viel therapieren zu wollen, um den geliebten Menschen zu behalten. Interpretiere ich das richtig? Es ist bestimmt schwierig zu entscheiden, wann eine Therapie wirklich Sinn macht und wann sie vielleicht nur noch Lebensqualität nimmt. Am Ende muss der Kranke das aber selbst entscheiden, wie viel Therapie er möchte und zu welchem Preis. Man kann das mit ihm diskutieren, aber die Entscheidung muss er selbst treffen. Es ist bestimmt schwierig, ihn darin nicht zu stark zu beeinflussen, aber aus all deinen Worten höre ich heraus, dass du um diese Schwierigkeit sehr gut Bescheid weißt. Du wirst dich bestimmt richtig verhalten.

Meine Mutter scheint deiner übrigens sehr ähnlich zu sein. Sie war auch immer der starke Fels in der Brandung, der alles zusammenhielt. Sie war immer die Starke, auf die sich mein Vater stützen konnte. Nun braucht sie vermehrt meinen Vater, und mein Vater ist ihr eine größere Hilfe, als ich es jemals von ihm erwartet hätte. Man entwickelt oft doch viel mehr Stärke für einen geliebten Menschen, als man zuvor gedacht hätte.

Für dich in deiner Situation habe ich den Eindruck, dass es wichtig ist, dass du dir ein paar Freiräume schaffst, in denen du auftanken kannst und einen klaren Kopf bekommst. Ich glaube, derzeit dreht sich alles viel zu schnell um dich. Schau, dass du dir kleine Rückzugsgebiete schaffst. Es ist ja nicht nur zu deinem Wohl, sondern stellt auch sicher, dass du deine Mutter möglichst optimal begleiten kannst.

Viel Kraft wünscht dir

Yvonne
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