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Alt 19.05.2009, 17:56
Romy 2010 Romy 2010 ist offline
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Standard AW: junge Frauen und der Tod der Mutter

Hallo meine Lieben,

ich schalt mich jetzt auch mal dazu – ich bin eine von Euch. Auch wenn es mir noch nicht so bewusst ist.
Bin neu hier, weil ich das Gefühl habe mit allem nicht alleine klar zu kommen..

Darf ich Euch meine Geschichte erzählen – sie ist sehr lang, aber ich muss irgendwann anfangen und zwar von ganz vorne….

Ich bin in einer Familie aufgewachsen in der sich die Eltern zwar sehr geliebt haben, aber es einfach nicht schafften miteinander zu leben – leider reicht Liebe manchmal einfach nicht aus.. Also haben sich meine Eltern getrennt als ich 15 und mein Bruder 18 war.
Anfangs alles kein Problem – dachte ich. Nur Mama hatte Probleme damit und zwar erhebliche. Ich habe das erst bemerkt, als es fast zu spät war und ich die Flaschen beim staubsaugen hinter den Vorhängen gefunden habe.
Ich war damals einfach zu sehr mit mir selbst beschäftigt – mitten in der Pubertät und jetzt denen zugehörig deren Eltern getrennt sind. Das hätte ich mir nie vorstellen können, meine Eltern mochten sich doch und gingen auch gut miteinander um… Aber es war, wie es war! Und Mama verkroch sich in einem Schneckenhaus, ließ keinen mehr an sich ran und floh sich nachts in den Alkohol. Das ging einige Jahre so und ich stand machtlos daneben, weil meine Mama sich weigerte einzugestehen dass sie ein Problem hat und auch ihre tiefe Depression mit allen Mitteln (zumindest nach außen) verleugnete.

Weihnachten 2006 gestand mir Mama nach langen hin und herdrucksen, dass sie schon langen einen Knoten in ihrer linken Brust spürte. Ich dachte, sie spricht von einem kleinen Knötchen den sie seit ein paar Wochen spürte. Aber es war ein Megaknoten, den sie seit Jahren mit sich rumschleppte – was ihrer Depression quasi nur so fütterte! Ich war geschockt!! Ich stand da und verstand die Welt nicht mehr…
Warum ging sie nicht zum Arzt, warum sagte sie über solange Zeit niemandem etwas?? Fragen über Fragen. Auf die meisten hatte sie selbst keine Antworten.. Was ich im Nachhinein ein wenig verstehen konnte. Sie war sich selbst nichts mehr wert – sie dachte wofür soll ich leben.
Ab jetzt versprach sie mir quasi täglich, dass sie zum Arzt geht und sich untersuchen lässt.. Aber ihre Angst und Hemmschwelle war schon so groß, dass es für sie sehr schwer war. Sie schämte sich, dass sie solange gewartet hat, hatte nun Angst vor der Diagnose – wieder alles Futter für die Depression. Ein Teufelskreis!

Nach über 10 Jahren nach der Trennung haben wir es im Frühling 2007 dann zumindest geschafft sie zu einem Umzug zu bewegen, denn sie wohnte noch immer in der Wohnung in der wir noch als Familie zusammen wohnten mit allen Erinnerungen und alten Möbelstücken, die sich noch mit Papa gekauft hat. Das war nicht gut für sie. Vor ihrem Umzug versprach sie mir, dass sie nach dem wir den Umzug hinter uns hatten sie zum Arzt gehen will, weil sie ein neues Leben beginnen möchte.. War ich glücklich!! Aber auch nur der Wille reicht im Leben manchmal nicht aus, man braucht auch die Kraft…
In Ihrer neuen Wohnung blühte Mama regelrecht auf und sie fühlte sich wohl.. Anfangs.. Dann überkam sie wohl wieder die Einsamkeit, die sie abends wieder regelmäßig betäubte.
Es war schwer das alles anzusehen und den Arzttermin verschob sie regelmäßig.

Ich als Laie hab versucht mich im Internet schlau zu machen, ob es tatsächlich Brustkrebs sein kann oder ein gutartiges Geschwulst sein kann.. Die Hoffnung stirbt ja zuletzt. Ich war fest davon überzeugt, dass dieses Ding gutartig war, weil es ihr sonst vom Allgemeinbefinden sehr gut ging und ich mir nicht vorstellen könnte, dass das der Fall wäre, wenn sie Krebs hätte!

Irgendwann im August rief sie mich an und hat gesagt, dass sie nen Termin in der Klinik hat und ob ich sie begleite – NATÜRLICH!! Und den Termin hielt sie dann auch ein…
Eine Freundin von ihr kam auch mit (die selbst den Brustkrebs bereits besiegt hatte), nun saßen wir drei da und warteten, dass Mama dran war. Endlich war es soweit… Und dann saß ich mit Mamas Freundin lange allein da und sah nur, wie die Ärzte nur so in Mamas Untersuchungszimmer ein und ausgingen und es immer mehr wurden und auch der Prof. selbst reinging – da hatte ich schon kein gutes Gefühl mehr… :0((
Diagnose wurde (trotz fehlender Ergebnisse der Blut- und Gewebeuntersuchung) ziemlich schnell gestellt und sie hieß: Brustkrebs – beidseitig!! OP-Termin in einer Woche zur kompletten Brustentfernung.

Ich habe sie dann nach ner Woche in die Klink gebracht und wollte einfach nicht gehen.. Ich wäre so gern bei ihr geblieben in der Nacht vor der OP. Wir haben soviel geredet, gelacht, geweint und vor allem gewartet…
Irgendwann musst ich dann fahren und bin hald am nächsten Morgen um halb 8 wieder in die Klinik und hab sie vorher noch gesehen. Hab in ihrem Zimmer gewartet bis die OP vorbei war und sie wieder da war. Es lief alles sehr gut und sie war relativ schnell wieder auf den Beinen – alles schien gut zu werden.. In der nächsten Zeit stellte sich heraus, dass die Lymphknoten die sie ihr bei der OP entfernt haben alle gut waren – nicht befallen!! JA!!
Auch Leber, Lunge und Magen war gut – die Welt konnte doch schön sein

Am 02.10.2007 erhielt ich in der Arbeit einen Anruf.. Das Klinikum Rechts der Isar!! Meine Mama hatte in der S-Bahn (auf dem Weg zur Nachversorgung und Verbinden der Brust) einen Krampfanfall und ist momentan völlig orientierungslos und liegt bei ihnen auf der Intensivstation – ich sollte doch so schnell wie möglich kommen. Leichter gesagt, zu der Zeit wohnte ich noch 180 km von Mama entfernt… Ich also alle Sachen gepackt, nach Hause meinen Freund ins Auto gesetzt und mich nach München fahren lassen. Viel Zeit zum Überlegen, was das sein könnte…
Ich dachte ja, es wäre der Alkoholentzug – denn meine Mama hat das Zeug seit Wochen nicht mehr angerührt, also nach der OP keine Tropfen mehr – da mussten ja Entzugserscheinungen auftreten – wie schön zurecht gelegt…
Leider war es eine Gehirnmeta.. Mit der hat mal keiner gerechnet – sie hatten doch alles gecheckt – wie konnte das passieren, dass übersehen wurde die Knochen und das Gehirn zu untersuchen??? Wir wissen es nicht.. Nun war es mal wieder, wie es war. Also Ärmel hoch und weiter!!
Die Gehirnmeta wurde dann (doch schon) Anfang 2008 mit ner OP entfernt, es lief wieder alles sehr gut und Mama hat sich wieder sehr gut erholt – sie war einfach ein Phänomen.. Keine OP konnte sie klein kriegen – spätestens am nächsten Tag lief sie schon wieder durch die Gegend und hat sich über die ein oder andere Schwester aufgeregt (ein gutes Zeichen, dass es ihr scho wida gut ging :0)). Bei den folgenden Untersuchungen wurde dann noch ne Knochenmeta in der Brustwirbelsäule festgestellt und ein wenig später war da wieder ne Gehirnmeta, die April 2008 wieder operativ entfernt wurde. Dieses Mal erholte sie sich nicht so schnell von der OP, einen Tag ging es ihr sehr schlecht… Furchtbar sie so zu sehen.

Nun mussten doch die Ärzte sich mal auf eine Therapie einigen.. Immer wieder kamen sie mit neuen Ideen und Therapien ums Eck, die „genau das Richtige“ für Mama hätte sein sollen. Wir waren nur verunsichert. Schließlich entschied sich Mama für Xeloda in Kombi mit Thyverb zuhause in Tablettenform. Nach ein wenig Selbststudium über diese Therapien hat Mama festgestellt, dass ja die Krampfmittel die sie bekommt wegen der Gehirnoperationen (vernarbungen etc.) überhaupt nicht mit Xeloda genommen werden dürfen. Wir also mit Ärzten in Verbindung gesetzt und hoppla, da haben sie wohl was übersehen und da war es ganz weg – das Vertrauen. Wie konnten sie das wieder übersehen?? In der Infobroschüre stand sogar genau das Medikament namentlich drin, das Mama genommen hat. Sie musste selbst draufkommen. Für Mama sehr schlimm! Weil sie ja schon alles daheim hatte, die Dosierung bekannt war, die Aufklärung erfolgt war und sie alles zusammen nehmen sollte. Wer weiß was passiert wäre.

Nun fing die Odyssee erst an.. Es wurden die Krampfmittel langsam ausgeschlichen und auf ein neues Medikament umgestellt, das sie nicht so gut vertragen hat. Leider unterlief auch hier den Ärzten ein Fehler, das neue Medikament war nicht ausreichend dosiert! Also hatte meine Mama im Juli 2008 wieder einen epileptischen Anfall, der seine Folgen hatte. Die Dosis des Medikaments war zu niedrig um den Anfall zu verhindern und zu hoch, dass sie nichts mehr mitbekommen hätte. Also lag sie nach dem Einkaufen neben ihrem Auto, konnte sich nicht artikulieren, nicht bewegen, hat aber alles „live“ mitbekommen und konnte sich nicht helfen. Für sie der Horror!! Sie hatte Wochen danach noch Angst und Panikattacken, so dass ich sie kaum aus dem Haus, geschweigedenn zum einkaufen oder so bekommen konnte. Aber auch das hat sie irgendwie gemeistert und wieder ein wenig ins Leben zurück gefunden, auch wenn sie nun auch nicht mehr selbst Auto fahren durfte, weil es ja sein hätte können, dass sie einen neuen epileptischen Anfall bekommt und das wäre während des Autofahrens natürlich fatal.

Ende 2008 fing sie dann die Chemotherapie an und vertrug sie eigentlich sehr gut. Es sah wieder alles gut aus und die Prognosen der Ärzte wurden besser. Die Rede war plötzlich von bevorstehenden Jahren.

Am 03. Januar 2009 bekam sie dann (wahrscheinlich aufgrund der vielen Medikamente) zu allem Überfluss noch einen Magendurchbruch – und der war zuviel.
Sie wurde nachts notoperiert und auch diese OP überstand sie eigentlich ganz gut und hat sich anfangs wieder gut erholt, bis ihr die Klinik Entwässerungstabletten verabreichten (wo bis heute keiner weiß warum und wieso…. ) und sie auf ein paar Tage richtig ausgemergelt war.. Sie hatte keine Elektrolyte, keine Nährstoffe mehr – alles war „ausgeschwemmt“. Also holten wir sie nach Hause – nur für ein paar Tage, weil Reha ein paar Tage später anstand!!
Aber sie war zu schwach, nach 4 Tagen (an einem Sonntag) brachte ich sie wieder ins Krankenhaus, weil es ein Ding der Unmöglichkeit war sie zu Hause zu versorgen bzw. sie allein zu lassen!

Am 22.01.2009 kam sie dann in eine Spezialklinik nach Oberaudorf und da ging es ihr dann erst mal gut, dort wurde sie ein wenig aufgepeppelt so gut es ging (bei Ankunft wog sie 41 kg bei ner Größe von ca. 1,60 m).Die Schwestern waren super nett, die Ärzte sehr, sehr bemüht und immer da und auch für mich erreichbar. Sie nahm wieder zu und konnte auch wieder alleine aufstehen! Alles sah gut aus. Sie fingen wieder mit Therapien an, weil sich die Metas mittlerweile wieder ausgebreitet haben.
Nach ca. 3 Wochen bekam sie dann einen Virus, der Durchfall verursachte und wieder alles was sich der Körper so mühsam an „Kraft“ wieder aufgebaut hat wurde wieder zu nichte gemacht – unglaublich! Wer hätte gedacht, dass es ein Durchfall sein wird, der unser Leben so verändert.

Jedenfalls wurde sie dadurch wieder sehr schwach und jetzt fing die Veränderung an. Normal telefonierten wir 3mal am Tag, einfach um zu quatschen, zu fragen wie es geht und und und. Auch wenn ich sie besuchte, telefonierten wir trotzdem ständig. Und nun wollte sie nicht mehr, sie sagte morgens schon: „Mausi rufst morgen wieder an, okay?? Muss mich heut ausruhen“ Sie wollte nicht mehr reden und mich auch nicht sehen..
An nem Freitag fuhr ich trotzdem hin – ich konnte es nicht mehr aushalten. Ich musste sie sehen und mit ihr sprechen.. Als ich auf die Station kam, hielt mich die Stationsärztin schon auf und sagte mir, ich solle nicht erschrecken wenn ich zu Mama gehe. Weil meine Mama sehr verwirrt ist und ihre Augen geschwollen seien und das sehr schlimm aussieht.. Ich dachte, ihre Augen sind geschwollen – okay das verkrafte ich. Tatsächlich waren es ihre Augäpfel, es war schrecklich. Als ich reinkam war gerade der Augenarzt bei ihr und ich merkte schon, dass sie gar nicht da ist, dass sie um sich rum nicht wirklich was wahrnimmt!

Als der Arzt weg war versuchte ich etwas mit ihr zu reden und setzte mich neben das Bett. Sie wollte mich nicht sehen und sagte ich soll gehen, sie war so verwirrt und durcheinander – sie war nicht sie selbst, hatte auch eine ganz andere Stimme und so.. Mir liefen die Tränen runter, damit sie das nicht sieht bin ich ins Bad und hab so getan als würd ich da was holen! Als ich zurück ins Zimmer kam, schrie sie mich plötzlich an, ich solle ihr ihre Glocke geben und ich wusste erst nicht, was sie wollte. Bis ich dann begriff, dass sie die Schwesternglocke meinte. Ich sagte ihr dann, dass die ja über ihrem Bett hing und gab sie ihr in die Hand. Wir haben dann gemeinsam nach der Schwester gedrückt, die kam dann und meine Mama sagte ihr, dass sie auf die Toilette müsse. Da sah die Schwester erst mich an und dann meine Mama und sagte: „aber Frau …., sie haben doch einen Katheder“. Das war ein Schock – sie wusste nichts mehr..

Die Schwester ging dann wieder und sie bat mich wieder zu gehen und fragte mich ob ich das nicht verstehe und dass sie allein sein will. Ich beschloss dann zu gehen, ich wollte ja nicht dass sie sich ärgert. Ich sagte nur noch, dass ich ihre Wäsche aus dem Schrank hole und dass ich dann gehe. Als ich die Wäsche aus dem Schrank holte, konnte ich mich nicht mehr zusammenreissen und mir liefen die Tränen übers Gesicht. Ich wollte mich dann von Mama verabschieden und beugte mich zu ihr um ihr einen Kuss zu geben, da sah sie meine Tränen. Dann nahm sie meine Hand, zog mich zu sich und da war sie kurz wieder sie selbst und sagte mit ihrer Stimme: „ Aber Mausi, Du musst doch nicht weinen um mich, bitte weine nicht um mich“.
Da gings natürlich richtig los… Ich glaube, da hat sie sich von mir verabschiedet...
Ich ging dann und brach auf dem Flur erstmal buchstäblich zusammen – ich stand unter Schock glaub ich.

Die Ärztin hat dann noch mal mit mir gesprochen und mir gesagt, dass es wohl die Gehirnmetas sind, warum sie so verändert ist und warum die Augäpfel so geschwollen seien. Aber sie sagte, dass keine akute Lebensgefahr bestand – das beruhigte mich ein wenig, obwohl ich völlig durch den Wind war.

Am nächsten Morgen hab ich dann versucht sie anzurufen und da ging schon keiner hin. Nach ner halben Stunde so was hab ich versucht auf der Station anzurufen, auch da ging niemand hin – da hatte ich schon kein gutes Gefühl mehr. Also beschloss ich zu duschen und hinzufahren, aber es dauerte nicht lange da klingelte mein Handy und ein Arzt von der Klinik war dran und sagte mir, dass sich der Zustand meiner Mama dramatisch verändert hatte und er uns bittet so schnell wie möglich zu kommen, weil keiner sagen kann wielange es noch geht.

Also habe ich alle angerufen (meinen Papa, meinen Bruder, Mamas Zwillingsschwester und und und) und musste ihnen Bescheid sagen. Wir sind dann hingefahren und da lag meine Mama: nicht ansprechbar, ganz verändert, mit so ner Beatmungshilfe am Mund, sie hat ganz schwer geatmet und immer versucht das ding aus ihrem Gesicht zu tun. Es hat mir das Herz zerrissen! Den ganzen Tag über spielte ihr Körper verrückt, sie hatte nicht messbar erhöhte Zuckerwerte, Sauerstoffversorgung war schlecht, Kreislauf absolut im Keller und keiner wusste so richtig woher das so plötzlich kam. Die Ärzte konnten nur mit den Achseln zucken wenn man sie gefragt hat – auch sie waren rat- und machtlos. Sie haben nur versucht sie mit Medikamenten einigermaßen stabil zu halten.
Wir hatten mit den Ärzten einvernehmlich vereinbart, dass die Ärzte keine lebenserhaltenden Maßnahmen (wie künstliche Beatmung, Herzmassage, etc.) machen sollen, falls die Vitalfunktionen ausfallen – das war wohl die schwerste Entscheidung meines Lebens.
Wir waren den ganzen Tag abwechselnd bei ihr und haben mit ihr geredet. Ich hab ihr immer wieder gesagt, dass sie keine Angst haben braucht, dass sie ihre Mama und ihr Papa abholen werden und unser Hund (der im September 2007 gestorben ist) schon sehnsüchtig auf der Regenbogenbrücke auf sie wartet. Ich hab ihr auch gesagt, dass sie gehen kann und ihr versprochen sie los zu lassen, wenn sie das möchte.

Abends hatten sich zumindest die Zuckerwerte wieder etwas gefangen und auch der Kreislauf war (dank der Medikamente) einigermaßen stabil.. Wir entschlossen uns abends nach Hause zu fahren, weil es ja ein wenig bergauf ging. Auch die Ärzte sagten, dass wir ruhig gehen konnten – heute wünschte ich mir nichts mehr, als dass ich dort geblieben wäre!!!
Als wir gingen hat sie sogar die Augen etwas aufgemacht und wollte was sagen – sie war aber zu schwach.

Ich schlief eigentlich erstaunlich gut und sogar sehr fest, so dass ich am nächsten Morgen (Sonntag, 22.02.) sogar verschlief und später zu Mama fuhr als ich eigentlich wollte. Ich rief aber gleich in der Klink an und hab mich erkundigt. Sie sagten, es sei alles wie abends zuvor, also keine Veränderungen.
Als ich hinkam, das war so um 11.15 war grad meine Tante und meine Cousine bei ihr und ich hab nur kurz reingeschaut und hab gleich gesehen, dass die Ärzte den Monitor ausgemacht haben (natürlich wurde sie im Schwesternzimmer, das direkt an Mamas Zimmer grenzte und auch ein Fenster hatte, weiter überwacht), damit wir nicht immer drauf schauen und ich sah auch sofort, dass der Insulin-Defuser runter gedreht war. Also bin ich gleich zu der Schwester und hab sie befragt. Sie sagte, es sei alle soweit okay und der Zucker war im grünen Bereich.. Ich hab sie sogar noch gefragt, ob es auch sein kann dass meine Mama wieder aufwacht, sie sagte: „natürlich es kann alles sein“. Aber da hätte ich schon merken müssen, dass sie mir nicht ins Gesicht schauen konnte – sie wusste wohl schon, was uns bevor steht.

Ich bin dann zu Mama ins Zimmer und meine Tante und Cousine sind raus zum rauchen. Also waren wir allein. Aber nur ein paar Minuten nachdem die anderen ausm Zimmer waren, hat sich meine Mama entschieden und aufgehört zu atmen.. Ich dachte, das wird schon wieder da sie ja am Tag davor auch mal so kurze Atem-Aussetzer hatte! Aber schnell merkte ich, dass sie tatsächlich aufgehört hat zu atmen – einfach so! Ich sprang auf und hab sie angeschrieen, dass sie doch atmen muss und bin zu Türe, weil ich Arzt oder Schwester holen wollte – aber die Schwester stand schon hinter der Tür und der Arzt hinter ihr (die haben das schon auf dem Monitor gesehen) Ich hab zu ihnen gesagt, dass Mama nicht mehr atmet und da hat die Schwester nur genickt. Da wusste ich, dass es soweit war – ich hab sie auch gefragt und wieder hat sie nur genickt. Da fing ich natürlich an zu schreien und war hysterisch. Die Schwester hat mich ganz ruhig an den Schultern genommen, hat ganz ruhig gesagt, dass ich mich wieder zu Mama setzen soll weil die mich jetzt noch braucht. Das hab ich dann auch gemacht.
Da saß ich vor meiner Mama, hab ihr die Stirn gestreichelt und ihr gesagt, dass sie gehen kann und sie keine Angst haben muss, weil wir alle da sind. Dieses Gefühl werde ich nie in meinem Leben vergessen…

Ich habe dann die Schwester gebeten, dass sie doch bitte schnell meine Tante (also Mamas Zwillingsschwester), die andere Schwestern und alle anderen holen sollte, die ja da auch wieder da waren. Da war es für einen ganz kurzen Augenblick ganz still. Dann hörte ich sie laufen auf dem Flur und schon schreien und weinen.. Als sie ins Zimmer kamen, habe ich sie erstmal zusammen gestaucht, dass sie gefälligst ruhig sein sollen, damit sie in Ruhe gehen kann – unfassbar wo man die Kraft hernimmt in solchen Momenten.
Dann war es vorbei, meine Mama war tot – meine Mama hat auf mich gewartet und wollte mit mir allein sein, als sie starb. Zumindest glaube ich das und auch die Schwestern haben mir das gesagt, dass die Sterbenden so etwas sehr wohl noch steuern können und das so machen wie sie es gerne haben möchten. Manche warten bis sie ganz kurz allein im Zimmer sind, manche wollen alle um sich haben und manche warten auf ganz bestimmte Personen..

So – und jetzt ist es 12 Wochen und zwei Tage her und ich vermisse sie jeden Tag mehr. Es tut so weh und sie fehlt mir so unglaublich!! Sie war doch meine beste Freundin und Mama!! Wir sind die letzten Monate so zusammengewachsen, dass nichts mehr dazwischen gepasst hat.. Ich versteh bis heute nicht, warum das plötzlich so unglaublich schnell ging und es keiner geahnt hat.
Manchmal habe ich das Gefühl ich verliere den Verstand, weil ich oft nicht mal an sie denken kann ohne völlig zusammen zu brechen und dann gibt’s Tage da kann ich lachen wenn ich an sie denke. Ich hätte sie doch noch so gebraucht..

Tut mir leid, dass es soviel geworden ist, aber ich hatte das Gefühl ich platze wenn nicht mal alles raus kann – vielen Dank für´s zuhören..

Viele Grüße
Eure Romy
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