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Alt 11.05.2009, 02:58
roby 57 roby 57 ist offline
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Standard AW: Endstadium Leberkrebs - Abschied nehmen

Der heutige Tag war bestimmt einer der längsten und anstrengendste meines Lebens, so stark sind die Gefühle das ich immer noch nicht entspannen kann.

Ich hatte Angst vor dem heutigen Besuch bei unserem Freund, doch ich wollte ihn besuchen, ihn noch ein letztes mal sehen.......wer weiß ob ich nochmal die Gelegenheit dazu habe. Obwohl mir meine Freunde sein Aussehen bereits geschildert hatten war ich trotzdem beim ersten Anblick richtig geschockt........ich habe noch niemals so eine Farbe gesehen, gelb...gelb...gelb und darunter schimmert noch das Grau der Chemo durch....furchtbar. Ich hoffe er hat das Entsetzen in meinem Blick nicht entdeckt, ich musste mich wegdrehen und mit seinem Sohn sprechen das er nichts merkt.

Ich holte dann die Torte aus der Küche die ich ihm mitgebracht hatte und sein lächeln zeigte mir wie er sich freute, hab ihm gesagt das ich ihm auch den Teig für Focaccia mitgebracht hätte und das ich sie später zubereiten würde worauf er lachend antwortete das sich die, da er mich ja kennt, erwartet hatte. Ich glaube ich war noch nie so froh das ich kochen kann wie heute, habe das Essen für alle versammelten Freunde vorbereitet und war somit abgelenkt.

Keiner hatte so richtig Lust zu reden, wir schauten Fußball aber irgendwie war alles sehr surreal, ich tat mein bestes um die Umgebung etwas aufzuheitern was mir dann auch gelang. Der Nachmittag verflog, Maurizio lag auf der Couch und war einfach nur fröhlich......er sprach von seiner Hoffnung bald über den Berg zu sein, von der nächsten Fußballsaison, vom Staatsexamen seines Sohnes, zeigte uns ein Boot das er eventuell kaufen will. Schlicht, er sagte es ginge ihm jetzt schon wieder viel besser und das hätte er ganz alleine der Zuneigung seiner Freunde zu verdanken.

Seit Tagen aß er nur noch wenig und als ich die Portionen einteilte meinte seine Frau ihm nur ein kleines Stückchen zu geben....ich hab nicht auf sie gehört und hab zwei große Stücke auf den Teller, bin dann auch kurz an sein Bett getreten und sah das er alles regelrecht verschlungen hat. Es schmeckte ihm und er bat mich ihm noch ein Stück zur Seite zu legen...für später.

Nach dem Essen teilten wir uns auf, eine Gruppe bei ihm und ein Teil von uns bei seiner Frau. Sie erzählte uns die letzten Wochen seit man ihr die Wahrheit gesagt hat, das sie ihn nicht ins KH bringen will solange es nicht unbedingt sein muss, das er noch kein Morphium bekommt und das er auch keine Schmerzen hat. Ab und zu weinte sie bitterlich, doch wir waren ja alle da und sie konnte sich beruhigt in unseren Armen gehen lassen. Wir haben ihr gut zugeredet, sie solle regelmäßig essen auch wenn sie keine dazu Lust hat....sie mache ja auch die Hausarbeit zur Zeit ja auch nur aus Pflicht, soll sie es doch mit dem Essen also genauso machen. Ich glaube sie hat meinen Ratschlag dankend angenommen.

Doch das schlimmste für mich war der Moment des Abschieds......ich weiß nicht ob es der letzte war........aber es war schlimm.....nicht nach außen, da hab ich gelächelt. Ich stand an seinem Bett, da sagte er zärtlich meinen Namen und bat mich zu ihm zu kommen, er wollte mich umarmen. Ich senkte mich und umarmte ihn.....erschrak weil er so brüchig und dünn geworden ist und küsste ihn auf beide Wangen worauf er sagte:“ Ich hab Dich lieb“. Dieser Satz traf mein Herz wie ein Hammerschlag doch ich hatte noch die Kraft zu antworten....“Ich Dich auch“

Wir werden wohl niemals erfahren ob er sich seines Zustandes bewusst ist, ob er nur die Fassade aufrecht erhält um uns nicht leiden zu sehen oder ob er wirklich noch hofft noch eine Chance zu haben

Der Heimweg war ebenfalls eine Tortur...vier Freude.......verzweifelt....machtlos........leer und traurig.......irgendwann hatte ich den Mut vom Danach zu sprechen........das wir bereits jetzt daran denken sollen wie das Nachher wird......das uns seine Frau nachher noch dringender brauchen wird als jetzt. Doch keiner hatte den Mut zu weinen......um die anderen zu schonen.
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