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Alt 11.04.2009, 17:50
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: Beide Eltern betroffen...Wie geht es weiter??

Hallo Susanne,

Leider gibt es für diese Konstellation kein Patentrezept, denn beide Eltern gehen auf ihre Art und Weise mit der Situation um. Jeder muß für sich zuerst einmal klar kommen. Ich sage dir das als Tochter (gleichzeitig: Vater hatte 1. Rezidiv, Mutter die erste Krebserkrankung) und als selbst Betroffene in der gleichen Lage (meine Bestrahlung ging gerade zu Ende von einem Rezidiv als mein Mann erkrankte).

Meine Eltern, wie mein Mann und ich, waren am Anfang einfach nur sprachlos, dass es sie Beide gleichzeitig erwischt hatte. In dieser Situation sprachen sowohl sie, als auch mein Mann und ich nicht am Anfang dieselbe Sprache. Obwohl wir alle immer miteinander redeten, Probleme gemeinsam meisterten usw, doch jetzt plötzlich stand etwas vor beider Augen, was seither vom anderen Partner „nur“ mitgetragen wurde. Damit muß jeder für sich einen ganz gewaltigen Berg überwinden, um frei für den Partner zu sein.

Leidet deine Mutter zudem unter schweren Depressionen, kann sie nirgends eine Ecke für deinen Vater frei machen, denn alle Kraft benötigt sie für sich. So wie du sie beschreibst bekommt sie mehr die Medikamente die sie beruhigen, ihren Antrieb, ihre Ängste und Panik, ihre Anteilnahme am Umfeld eher dämpfen. Dann hat sie den Blickwinkel nicht, um die ganze Situation zu ihrer eigenen noch mit voll zu erfassen und zu handeln. Ihre Welt hat einen anderen Kreis bekommen, um aus diesem auszubrechen benötigt es andere Medikamente, aber die könnten dann zu Lasten der Depressionen gehen. Das kann nur ein guter Psychologe beurteilen, inwieweit sie dazu stark genug ist. Vergesse bitte nicht, dass das Auto für deine Mutter ein Stück „Freiheit“ bedeutet, sie kann weg, wenn sie möchte. So etwas ist schwer für einen gesunden Menschen nachvollziehbar.

Susanne, bitte hole dir für dich auch Hilfe/guten Gesprächspartner, damit du lernst mit dieser Situation umzugehen. Denn mit der Zeit bist du nur noch am kitten, wo es nichts zu kitten gibt, denn Beide handeln so, wie sie momentan dazu fähig sind. Da kannst du als Tochter nur einen kleinen Beitrag für jeden Einzelnen beitragen, aber nicht für Beide unter einem Hut. Zwinge niemanden zu reden, womit sie überfordert sind, sondern biete nur an, dass du da bist, wenn sie dich darum bitten. Es klingt hart, nicht den Vermittler spielen zu können, aber deine Eltern sind lange genug zusammen, dass sie ihren Weg gefunden haben, welchen du ihnen so lassen solltest. Nicht einen einreden/aufzwingen, welchen du jetzt für richtig hälst.

So etwas haben sich meine Eltern damals verbeten, und auch wir unseren Kindern. Ich wußte bei meinen Eltern so viel, wie sie mir mitteilen wollten, wie weit sie mit der Verarbeitung sind und welche Rolle ich dabei habe, nicht habe oder vielleicht nur haben werde. So handhaben wir es auch, unsere Kinder sind in allem eingebunden, aber bestimmte Vorgänge obliegen einfach uns als Eltern. Da ich meine Erkrankung anders angehe als mein Mann, so wie wir viele Dinge in unserem Leben durch die Unterschiedlichkeit auch anders angehen. Viele Dinge müssen nicht einmal angesprochen werden, dazu kennt man sich nach vielen Ehejahren schon lange genug, dass es oft nicht mehr vieler Worte bedarf.
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Jutta
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