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Alt 29.03.2009, 10:55
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Standard AW: Meine Mama: nichts ist mehr wie es mal war. Und die Welt steht still.

Über alles geliebte Mama,

morgen sind es nun schon acht Wochen. Kann das sein? Wie können acht Wochen einfach so rumgehen?
Ich habe nach wie vor Probleme damit, dass dieses Leben einfach weitergeht. Dass die Welt sich weiterdreht.
Am WE war ich bei N. in Do. und habe auch dort viel erzählt, ihre Eltern waren ganz suckersüss und dann doch auch so voller Angst. Kann ich auch verstehen, Ihr seid alle ein Alter und plötzlich ist der Tod so da, ganz in unserer Mitte und keiner kann ihn wegleugnen.

Ich denke so wahnsinnig viel an Dich, vermisse Dich immer, immer mehr. Ich wusste nicht, dass das geht. Deine Stimme ist mir so präsent, Deine Art... letztes WE waren wir ja bei Papa, haben Deine Wohnung leergeräumt. Omi war nicht ganz so gut drauf, sie hat mir nicht gefallen.
Aber wir waren fleissig und Deine beiden Antiquitätenschätze sind jetzt bei uns, inklusive aller Mokkatassen und den anderen Habseligkeiten.
Es ist ein bisschen "MAMA" eingezogen bei uns. Darüber bin ich unglaublich froh. So bescheuert es auch ist, sich an diese materiellen Dinge zu hängen, so oft habe ich Dinge von Dir in der Hand, bei denen ich denke: Das vorletzte Mal hattest Du sie in der Hand.
Und dann fasse ich sie noch ein bisschen doller an. Ist das nicht blöd?

Ich habe so unendlich grosse Sehnsucht nach Dir, denke auch heute noch: ach, jetzt Dich schnell anrufen. Ich habe die letzten Wochen im KH natürlich sehr präsent, aber ab und an kommen auch Bilder von Dir zu Hause durch. Und da ging es Dir ja gut.
Ich wünsche Dir so sehr, dass Du es gut hast, dort wo Du jetzt bist. Dass Du nach uns allen guckst, dass Du uns ab und zu ein Lächeln schickst, das fällt so schwer.
Erst jetzt merke ich, wie sehr ich eigentlich Du bin. Wie sehr Du mich mit Deinen Werten, Gedanken und Deiner Liebe geprägt hast. Und diese Prägung ist ja nicht fertig. Ich möchte für mich einen Weg finden, wie ich mit Dir weiterhin leben kann. Gerade gehören dazu sehr viele Zwiesprachen mit Gott.

Trotzdem steht meine Welt still, Mami. Ich weiss nicht, wie es weitergehen soll. Ich weiss aber, dass wir durch diesen unglaublichen Abschied, den wir erleben durften, sehr viel Ruhe in uns haben. Dein Abschied, der jede Stunde einmal abläuft vor meinem inneren Auge macht mich sehr ruhig und tief dankbar. Nicht weniger traurig. Aber er war so besonders wie Du und damit kann ich mich arrangieren. Nicht damit, dass ich Dich niemals wieder umarmen kann. Und da helfen mir dann auch Deine Lieblingsmöbel nicht.

Es ist wie es ist. Du fehlst. Du bist meine beste, beste Freundin. Und diese Liebe, die ich Dir geben möchte, muss ich jetzt anders kanalisieren.
Darum: ein kleines Zeichen, ein kleiner Traum... irgendwas. Ich wäre Dir so dankbar.

Ich lieb Dich doch so sehr, Mama.

Deine Tochter
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Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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