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Alt 05.12.2003, 20:49
Gast
 
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Standard Warum wird die Trauer nicht weniger?

Hallo Dani,
ich finde mich in deinen Worten wieder, ich teile die Trauer die du empfindest.
Matti und ich, wir waren ein tolles Team. Der erste Tumor kam schon vor 7 Jahren, damal war er gutartig und nach der OP auch fast vergessen. Ich habe mich damals nicht weiter informiert- Gott sei Dank wie ich heute finde. Hätte ich die Risiken eines Rezidivs gekannt, hätte ich gewust das sich sein Tumor zu einem tötlichen Glioblastom verändern kann, ich wäre meines Lebens nicht mehr froh geworden. Niemals hätte ich die Zeit mit ihm so geniesen können. Dann, vor 2 Jahren, Schock nach der Kontrolluntersuchung, Tumor ist wieder da. Niemals hätte ich daran gedacht das er wiederkommt. Nach so langer Zeit gehörte er nicht mehr zu unserem Leben. Die Frage nach dem WARUM kommt mir in den Sinn, so ungerecht, warum er, warum wir?
Die nächste OP war nicht mehr so unkompliziert, es gab massive Folgeschäden, er bekam auch epileptische Anfälle, konnte das linke Bein und den linken Arm nicht mehr richtig bewegen.
Aber das hat ihn nicht entmutigt, ich habe ihn niemals klagen gehört. Ich frage mich heute oft, woher er seine Kraft bekommen hat, dieses Schiksal ohne jammern anzunehmen, der Krankheit die Stirn zu bieten und trotz aller Rückschläge immer weiter zu kämpfen.
Dann, im letzen November, wurden seine körperlichen Ausfallerscheinungen immer größer, ein Kontroll MRT wurde unausweichlich. Natürlich hatten wir kein Glück, wieder ein Rezidiv, diesmal größer als alle bisherigen Tumore. Ein OP kam erst mal nicht in Frage, zusammen mit den Ärzten haben wir beschlossen den Tumor zu bestrahlen. Die Wochen vor Weihnachten haben wir also in der Strahlenklinik verbracht, erst stationär, später wurde ambulant bestrahlt. Es ging ihm gut dabei, die Bestrahlung hat auch gut gewirkt. Der Tumor war soweit geschrumpft, dass der Professor einen Eingriff wagen wollte.
Nach der OP gings ihm sehr schlecht, er brauchte über eine Woche bis er körperlich wieder einigermaßen auf dem Damm war. Aber er hat es wieder einmal geschafft, am ersten Weihnachtsfeiertag hat er mir einen Heiratsantrag gemacht! Im Frühjahr haben wir 2 Wochen Urlaub in Bayern und in Salzburg gemacht.
Unser letzter Urlaub.....
Dann kamen die Symtome zurück. Aber der Prof. meinte nach dem MRT es sei nur eine Störung des Abflusses der Gehirnflüssigkeit, durch eine Op könnte man das beheben. Ein Ventil wurde eingesetzt, aber der Erfolg war nicht wie gewünscht.
Ich weiß heute nicht ob der Profesor damals die Tumore schon gesehen hat, ob er uns über die wahre Diagnose belogen hat. Er wusste von unseren Heiratsplänen, ich glaube er wollte unseren Traum nicht zerstören. Ich weiß nicht ob ich ihm deswegen böse sein soll. Einerseits fühle ich mich belogen, ich habe ihm immer vertraut. Andererseits bin ich froh, wenn ich die Wahrheit gewust hätte, wäre ich nicht in der Lage gewesen, Matti zu heiraten.
Nach der OP haben wir beschlossen, das Matti in eine Reha Klinik gehen soll, wir wollten ja das er wieder gesund wird!
Heute fällt mir wieder ein wie komisch der Professor bei diesen Gesprächen war, er hat wohl gedacht: er sollte lieber seine letzten Wochen zu Hause verbringen. Aber er hat uns nichts gesagt, also ist Matti in die Reha gegangen. Anfangs gefiel es ihm auch sehr gut, das Essen war Mist aber die Schwestern und Pfleger waren sehr nett.
Es wurde einfach nicht beser mit ihm, also habe ich einen Termin bei dem Chefarzt vereinbart, ich dachte damals das Matti die falschen Medikamente bekommen würde, weil die Dosierung nach seiner Einweisung geändert worden war.
Eigentlich wollte ich alleine zu dem Termin gehen, ich war fast ein bischen stinkig als meine Schwiegereltern meinten, sie würden mich begleiten.
Heute denke ich Gott sei Dank waren sie da. Ich hätte es sonst nicht geschafft. Seine Mutter wusste wohl was kommen würde, sie setzt sich in einem Verein für Krebserkrankte ein und hat die Zeichen ganz anders gedeutet als ich.
Wir also rein zum Chefarzt, kurzes Händeschütteln, dann ist er gleich mit den CT Bildern zu dem "Schaukasten" gegangen und sagt: sehen sie hier, wir haben 3 neue Tumore gefunden. Und das nur mit einem CT, wenn wir ein MRT gemacht hätte wären sicher noch mehr zu sehen.....
Schock.
Du hörst was er sagt und begreifst es nicht.
Du denkst: bin ich hier in einem schlechten Film, was soll das alles?
Und der Arzt redet, meine Schwiegereltern sind relativ gefasst und besprechen, wie es weitergehen soll und ich sitzte da und heule und weiß nicht was ich sagen oder denken soll. Mein Mann wird sterben.
Wie lange noch? Ein paar Wochen, keine Monate mehr.
Schock.
Wie soll man das verkraften?
Wir sind raus in den Park, ich habe nur geweint.
Eine Stunde nur geweint, um ihn, um mich, um unsere Zukunft die nun nicht mehr stattfinden wird.
Meine Schwiegermutter war eine große Hilfe. Sie sagte mir, das wir jetzt alle stark sein müssen um Matti zu helfen. Das ich ihm nicht zeigen soll was ich denke was ich gerade erfahren habe.
Er hatte gar nicht nach dem Ergebnis der Untersuchung gefragt. Heute denke ich er wusste was los war, auch wenn er nie darüber gesprochen hat. Er hat gespürt das seine Zeit zu Ende geht.
Das war der schlimmste Weg den ich bisher in meinem Leben zu gehen hatte, mit dieser Diagnose, diesem Wissen zu ihm zu gehen und zu lächeln, zu scherzen und so zu tun als ob alles in Ordnung sei.
Lachen und gleichzeitig zerreist es mir das Herz.
Wir haben nie über den Tod gesprochen. Leider.
Wir haben so getan als ob er wieder gesund werden könnte, er hat so getan. Ich habe lange überlegt ob ich ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen soll, aber hatte ich das Recht ihm den letzten Funken Hoffnung zu nehmen. Er hatte entschieden so weiterzuleben, ich habs nicht übers Herz gebracht in mit der Wahrheit zu konfrontieren. Heute tuts mir leid weil ich nicht weiß wie er diese Zeit erlebt hat.
Ich weiß nicht mehr was ich sagen soll, Danke das ihr mir zugehört habt.
Es tut gut die Geschichte zu erzählen, auch wenns verdammt weh tut.
Letze Nacht habe ich von Matti geträumt, ich bin immer sehr froh wenn mir solch Träume geschenkt werden.
Ich wünsche euch auch so schöne Träume von euren Lieben!
Wir verstehen nicht warum das alles passieren musste, aber wir sind nicht alleine.
Alles Liebe
Sira
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