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Alt 19.01.2009, 18:15
Gittylein Gittylein ist offline
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Standard wie viel eigenes Leben sollte man sich trotz Hilfe bewahren?

Hallo,

ich habe vor 5,5 Jahren meine Mutti, die an BSDK erkrankt war, in den letzten 5 Wochen gepflegt. Schon ein Jahr zuvor gab es ein ständiges Auf und Ab, war meine Hilfe oft erforderlich.
An ihren letzten 3 Tagen war meine Schwester da, hat mich voll unterstützt.
Nun ist mein Vater mit 84, zuvor war er noch total fit gewesen, Mitte 2008 an DK erkrankt.
Nach Bestrahlung, Chemo, zwei OPs, Kur, ist er nun zu Hause. Zwischendurch war er 2x eine Woche im KH, da er ein Geschwür unter der Platte seines künstl. Ausgangs hat. Der Darm soll voraussichtlich im März zurückverlegt werden.

Ich muss dazu erwähnen, dass mein Vater im Haus wohnt, in einer abgeschlossenen Wohnung zwar, aber es ist keine separate Eingangstür vorhanden, da mein Elternhaus früher ein kleines Einfamilienhaus war.
Meine Schwester wohnt 50km entfernt, ist voll beruftätig und kann nur am WE kommen.
Ich bin freiberuflich tätig und, schon früher immer, natürlich "mode", wenn irgend etwas ist.
Ich kümmere mich also um unseren Vater, Pflegestufe wurde beantragt, auch um die Stomaversorgung, einen Blasenkatheter hat er auch, Wäsche, Kochen, Saubermachen etc.
Nebenbei habe ich meinen eigenen Haushalt ja auch noch, meinen Mann und , wenn auch schon 18 jährigen Sohn, der in die 12. Klasse geht und natürlich meine freiberufliche Tätigkeit.


Mein Vater erwartet eigentlich, dass er zu 100pro integriert wird, dass er alles erfährt, was in der Familie los ist, was wir gekauft haben, wo wir hingehen (selbst wenn noch jemand im Haus ist, der nach ihm schauen kann) etc.
Das war aber schon vor seiner Krankheit so.
Wenn er etwas möchte, dann muss man das erahnen, erfühlen...wie auch imemr. Man muss mindestens 3x fragen, bis man eine Antwort bekommt.
Man muss ihn betteln, ob er denn noch etwas möchte, dieses oder jenes zu Mittag haben möchte usw.
Man muss sich erklären, warum man dann oder dann nicht zu ihm hoch gegangen ist, warum man nicht ständig oben ist, was man vorhatte etc.
Und alels, was ihm gerade einfällt, muss umgehend erledigt werden.
Sonst macht er sich, wie kürzlich, selbst auf den Weg. Auch wenn er kaum kriechen kann, es draußen sauglatt ist.

Kurzum, zu der allgemeinen Belastung, die ja noch tragbar ist, kommt eine psychische Belastung dazu. Der ich natürlich nicht zu knapp ausgesetzt bin, da er ja mit mir den meisten Kontakt hat.


Ihm zu sagen, dass man eben noch ein eigenes Leben hat, das nicht vollkommen nach ihm ausrichten kann, ich tue das ja schon zu 90%, bringt meist das Ergebnis: Dann muss er sich selebr kümmern und es wäre besser,w enn er gestorben wäre, weg wäre.
Er ist ja auch sehr depressiv, seit der ganzen Sache.


Ich neige nun dazu, so schnell wie möglich alles zu tun, was er mir aufträgt.
Damit es keine Diskussionen, keinen Ärger gibt oder er sich zu Netto schleppt und kaum wieder zu Hause ankommt, auch wenn es nur 200m sind.
Ergo erwartet er das zunehmend immer.
Mir fällt es schwer, "nein" zu sagen oder "später". Weil ich ja weiß, wie er ist.


Ich müsste im März dienstlich weg für 6 Tage. Das wird wahrscheinlich gar nicht möglich sein.
Meine Schwester aber kann nicht einfach sagen: Ich mache Urlaub, ich komme nicht auf Arbeit." Das verstehe ich schon.
Aber sie meint immer, ich darf mich nicht zu sehr vereinnahmen lassen.

Normale Gespräche sind aber kaum möglich. Vorher hat er nur an allem und jedem herumgemeckert, bösartig zum Teil, jetzt passiert das nur noch ab und zu, aber er ist depressiv und das zieht mich mit hinunter, da auch ich schnell dazu neige.

Wie handhaben das andere? Oder sind eure Eltern etc. verständnisvoller?
Ich möchte auch kein schlechtes Gewissen haben meinem Vater gegenüber. Und ich glaube, er weiß das.
Andererseits tut er mir auch so leid. Diesen herrischen und kräftigen Mann, der vor einem halben Jahr noch seine Wäsche und fast alles allein bewerkstelligt hat, innerhalb relativ kurzer Zeit so abbauen zu sehen, ist schlimm.


Viele Grüße

Gittylein
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