Einzelnen Beitrag anzeigen
  #81  
Alt 17.01.2009, 12:58
Benutzerbild von Susanne85
Susanne85 Susanne85 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 20.09.2008
Ort: Fürstenfeldbruck
Beiträge: 165
Standard AW: Mögen die Engelchen dich begleiten, liebste Mama

Liebe Mama,

heute bin ich sehr traurig.

Tina hat doch deine Sachen geholt, die wir am Mittwoch dann aufgeteilt und aussortiert haben. Ich wusste gar nicht, dass du so viele Fotos hast :-)

Ich habe deine Schmuckschatulle bekommen. Da waren deine Hochzeitsohrringe drin. Und auch deine Kette. Mit dem kleinen Katzenanhänger, den ich dir vor 6 Jahren zu Weihnachten geschenkt habe. Und Ringe, die ich dir geschenkt habe. Und da ich doch die gleichen Hände wie du habe, trage ich einen davon an der rechten Hand. An der linken Hand trage ich nach wie vor den Ring, den ich von dir vor 8 Jahren bekommen habe.

Heute Morgen habe ich mir dann einen Kaffee gemacht und mir die Fotos angesehen. Da waren auch die Fotos und unserem letzten Weihnachten. 2007. Da dachten wir, dass du es geschafft hast und nun wieder gesund bist. Doch wenige Wochen später kamen deine Beschwerden und wenige Monate hatten wir die Gewissheit - der Krebs war nie weg und du wirst ihn nicht besiegen können. Aber am Weihnachtsabend 2007 wussten wir das noch nicht. Wir hatten viel Spass. Kevin hat sich total über den Nintendoo DS gefreut. Und ich sitze strahlend mit meiner neuen blauen Senseo-Kaffeemaschine da. Wir haben getanzt. Alle. Du mit Papa. Da gibt es viele Fotos von eurem Tanz. Du hast total viel gelacht. Mama wenn wir gewusst hätten, dass es unser letztes Weihnachten wird, hätten wir es anders gemacht? Ich glaube nicht. Wir hätten getanzt und gelacht und Spass gehabt. Wir waren so glücklich, dass du wieder gesund bist und nun alles hinter dir hast. Das war unser schönstes Weihnachten seit Jahren - und leider unser letztes. Als ich die Fotos angeschaut habe, habe ich sehr viel geweint. Ich habe schon seit Wochen nicht mehr richtig geweint. Der ganze Schmerz kam. Ich konnte richtig tief spüren, wie sehr du mir fehlst. Deine Stimme, dein Lachen. Alles. Gestern war es genau einen Monat, dass du gegangen bist. Und heute vor einem Monat habe ich mit Tina deine Trauerfeier und Beisetzung geplant. Ich hoffe, dir gefällt die Urne, die wir ausgesucht haben. Und wir haben deine Lieblingsblumen in deinen Lieblingsfarben ausgesucht. Und dein Lieblingslied.

Gestern Abend war ich doch beim Haare färben und schneiden. Und wie du ja siehst, ist die Farbe alles andere geworden, nur nicht so, wie ich sie wollte. Ich war total sauer, als ich auf dem Stuhl saß und diese grässliche Farbe sah. Und dachte ich mir, wenn ich es dir zeigen würde, würdest du das gleiche sagen wie ich. Und plötzlich kamen im Fernsehen in einer Sendung genau hintereinander die 2 Lieder deiner Trauerfeier. Mama, warst du da? Wolltest du mir sagen "Ich WÜRDE nicht nur das gleiche sagen, wie du: Ich SAGE das gleiche wie du! Weil ich da bin.". Mama, wolltest du mir zeigen, dass du immer bei mir bist und ich dir immer noch alles sagen kann wie früher? Ich wäre so gerne zu dir gefahren und hätte dir das schreckliche Resultat gezeigt und hätte mich so gerne mit dir aufgeregt. Aber das kann ich nicht. Oder doch?

Ach Mama, vielleicht bilde ich mir das auch nur ein, weil ich es nicht wahr haben will, dass du nicht mehr da bist? Oder bist du es doch? Ich weiss es nicht. Ich vermisse dich so Mama. Die Hälfte meines Herzens ist mitgestorben. Es ist nicht so, dass ich gar nicht mehr lache. Aber ich lache nicht so wie früher. Als ich solche Sorgen nicht hatte. Wie gern würde ich nur noch einen Tag meines alten Lebens nochmal erleben. Als die ganze Familie noch war. Innerhalb von nicht mal 2 Jahren sind zwei bedeutende Teile der Familie gegangen. Ich habe keine Großeltern mehr, keine Onkel mehr, keine Mama mehr, nichts! Papa trinkt und über deine Schwester brauchen wir ja nicht reden. Ich vermisse es, eine Familie zu haben. Ich weiss gar nicht, wo ich hin gehöre Mama. Ich habe zwar meine liebe Freundin Jessi und meinen Schatz, aber ich fühle mich so einsam ohne dich. Du bist eben meine Mama. Nichts kann mir dich ersetzen. Nicht annähernd. Ich kann es nicht in Worte fassen, wie sehr ich dich vermisse Mama. Es fühlt sich an, wie eine offene Wunde. Es tut so weh. Aber ich bekomme kein Schmerzmittel dagegen. Mama, kannst mich ein wenig trösten? Egal wie. Aber kannst du das, da wo du jetzt bist? Oder muss ich jetzt einfach lernen, ohne dich zu leben? Kein Kind mehr sein zu dürfen? Du hattest immer so großes Vertrauen in mich. Weil es noch nichts gab, was ich nicht geschafft habe. Aber vielleicht habe ich es auch nur geschafft, weil du mich so ermutigt hast. Aber jetzt? Ich fühle mich, wie ein kleines Mädchen, dass sich im Wald verirrt hat. Ich weiss, ich muss es schaffen. Aber wie? Wie die nächsten Jahrzehnte ohne dich leben? Kannst du mir sagen, wie das geht? Man bekommt in der Schule sämtlichen Mist gelernt, den man später nicht mehr braucht. Warum hat mir keiner gelernt, wie ich es schaffen soll, wenn mir meine Mama weggerissen wird?

Ich vermisse dich so Mama. Keine Sekunde vergeht, in der ich nicht an dich denke. Selbst, wenn ich in der Arbeit bin. Mit meinen Gedanken und meinen Gefühlen bin ich immer bei dir. IMMER. Ich liebe dich Mama.

Dein Hascherle.
__________________


Für meine geliebte Mama
13.06.1964 - 16.12.2008
http://de.youtube.com/watch?v=PP_NQPrbRvM
Mit Zitat antworten