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Alt 17.12.2008, 14:50
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Pflegefrau Pflegefrau ist offline
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Standard AW: Mein kleiner Engel

Liebe Leser,

nun ist es fast ein Jahr her, dass meine Karin von uns gegangen ist. Ich habe es aufgegeben, die Monate, Wochen, Tage zu zählen. Ich habe es aufgegeben, nach dem WARUM zu fragen, weil ich da nie eine Antwort bekommen werde! Ich habe ein Jahr hinter mir, welches ich meinem ärgsten Feind nicht wünschen möchte! Aber jeder hier im Forum hat ähnliches Schicksal erlebt, weiß wovon ich rede! Meine Gefühle fuhren Achterbahn! Die Zerrissenheit zwischen Gefühl und Verstand trieben mich fast in den Wahnsinn, ich hatte keine Perspektive, keine Kraft und überhaupt konnte ich mich auch an garnichts mehr erfreuen! Überall kreisten meine Gedanken nur um mein Kind, welches so gerne leben wollte, aber keine Chance gegen den Hirntumor hatte! Wie konnte ich das Wissen um die Entgültigkeit der Niederlage nur die ganzen drei Krankheitsjahre aushalten? Weil ich es mußte meinem Kind zu liebe? Wie habe ich es ausgehalten, mit niemandem darüber reden zu können, weil mir keiner geglaubt hat und alle an ein Wunder glaubten? Nein, ich habe mich nie selber belogen oder mir was vorgegaukelt! Ich habe diesem Abschied in die Augen gesehen, auch wenn ich nicht wußte wann und wie er kommen würde! Aber er würde kommen, das stand für mich fest! Ich habe meine ganze Kraft für mein Kind zusammengenommen und nur gehofft, dass unserer Karin ein Siechtum erspart bleibt. Und dieser Wunsch wurde mir erhört! In diesem Jahr nach ihrem Tod ging ich sehr oft zwei Schritte vor und drei zurück! Dann glaubte ich, das Schlimmste überstanden zu haben und fiel im gleichen Moment wieder in ein tiefes Loch! Ich war hin und her gerissen zwischen meinen Depressionen und der Angst, meinen Beruf als Krankenschwester nie wieder ausüben zu können. Lange, lange Zeit hatte ich überhaupt keine Perspektive und mir war ein klares Denken einfach nicht möglich! Ich habe mir Hilfe von vielen Seiten geholt und diese Hilfe dankbar annehmen können. Ich danke allen hier im Forum, dass sie mir so zur Seite gestanden haben. Mitte des Jahres etwa fasste ich den Entschluß meine Rente zu beantragen, da ich dem Stress auf der Arbeit einfach nicht mehr gewachsen bin mit den ständigen Neuerungen der Dokumentation und dem enormen Zeitdruck. Ich habe einfach so große Angst, meine Depressionen sonst nicht in den Griff zu kriegen, und meine Gesundheit ist mir wichtiger als der Verdienst. Nach langem Hin und Her habe ich so eine Richtung eingeschlagen, über die ich heute sehr froh bin. Natürlich kommt mein Trauertier noch oft zum Vorschein, ich weine dann spontan, was mir lange Zeit überhaupt nicht möglich war. Ich war wie versteinert! Ich vermisse meine Kleine so sehr und werde sie immer vermissen, aber ich weiß sicher, ich bin auf dem richtigen Weg! Ich habe ein Ziel vor Augen, auch wenn alles anders als früher ist! Aber ich habe ein Ziel und werde alles daran setzen, dieses zu erreichen. Karin wird mir helfen, ich spüre es genau. Sie will nicht, dass ich nur noch traurig bin, denn sie war ein so spontaner und lebensfroher Mensch! Ganz viel Kraft geben mir auch die Freundinnen von Karin, die einen regen Kontakt mit mir pflegen. Selbst von einer Arbeitskollegin meiner Karin bekam ich gestern eine Weihnachtskarte! Ich habe mich wahnsinnig darüber gefreut! Ich kann mich wieder freuen über kleine Dinge, unglaublich! Und trotzdem habe ich Angst vor Weihnachten, weil Karin fehlt! Ich glaube, diese Angst darf ich auch haben. Dann wird etwas geweint, ihrer gedacht, im Kreise der Familie von ihr geredet und somit ist sie wieder mitten zwischen uns.
Meine Gefühle und Stimmung ist auch heute ein wenig traurig, aber nicht mehr hoffnungslos! Ich erinnere mich so oft an die schönen Zeiten und nicht nur an die schlimme Zeit der Krankheit. Wir haben so viele glückliche Zeiten zusammen erlebt, und dafür bin ich dankbar.
Nun bedanke ich mich fürs Lesen, vielleicht könnt Ihr mich ein wenig verstehen. Ich werde mich bemühen, viel mehr positiv zu denken, Karin zuliebe und mir zum Nutzen!

Wünsche Euch allen eine schöne und besinnliche Adventszeit!

Hedwig
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Jeder Tag ist ein Stück Abschied
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