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Alt 18.11.2008, 20:03
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Standard AW: Neu und Angstbeladen

Meine liebe Regina,
Du weißt ich kann Dir nicht sagen oder schreiben alles wird gut,aber Du kannst Dir sicher sein das Du nicht alleine über die Brücke gehen wirst,und das Du ohne Schwindel und frei von Schmerzen gehen wirst.Ich glaube darin sind wir beide uns doch einig,oder???Noch nie hat jemand in den ganzen Berichten über Nahtoderfahrungen darüber berichtet das es beschwerlich ist diesen Weg über die Brücke zugehen.Daran glaube ich ganz fest.Und eines kann ich Dir versprechen,ja Peter und ich wir passen auf das Du nicht in der Ritze zwischen Mond und Nordstern verschwindest.Ich begleite Dich hier unten,auf meiner Terrasse brennen Tag und Nacht zwei große Kerzen für die Seelen die sich im Zwischenraum befinden,man weiß ja nie,wie Du schreibst und oben empfangen Dich ganz viele liebe Menschen,nicht nur Peter,Du wirst sehen.Aber noch ist es nicht soweit....ganz bestimmt noch nicht.Ich weiß ja leider auch nicht wie man mit der Endlichkeit,mit dem Gedanken daran richtig umgeht.Ist ja auch für jeden Menschen verschieden,wie für so vieles im Leben gibt es dafür halt auch keine Gebrauchsanweisung.Meiner Ansicht nach ist das ein Problem unserer ganzen Gesellschaft,wie geht man mit todkranken Menschen um,wie mit Sterbenden,wie mit der eigenen Endlichkeit.Wir sind alle so konditioniert worden,nicht an den Tod zu denken.Dabei habe ich das Gefühl das man erst richtig Leben kann,wenn man sich auch mit dem Tod auseinandersetzt.Denn der Tod ist ein integraler Teil des Lebens.Ein großer Prozentsatz unserer Bevölkerung verwendet so viel Energie darauf,den Tod zu verleugnen.Aber wir müssen alle sterben.Das wissen wir ja auch und trotzdem ist der Tod ein Tabuthema in unserer Gesellschaft.
Ich weiß wie schwer es Dir fällt nicht mehr aktiv Deinen Tag gestalten zu können,so wie es für Dich vorher immer normal war.Das war auch bei uns ein großes Thema,die Traurigkeit die Peter deswegen so oft empfand.Er sagte am Anfang oft:nix kann ich mehr machen,zu nichts reicht die Luft,ich fühle mich nur noch als Hülse,habe alle meine Fähigkeiten verloren.Wir haben viel darüber gesprochen woher diese Gedanken eigentlich kommen und sind zu dem Schluss gekommen das es auch wieder ganz normal in unserer Gesellschaft ist so zudenken und zu empfinden.Weil wir nur das betonen,was einer leistet und nicht was einer ist.Nicht das Sein,sondern das Tätigsein hat bei uns einen hohen Stellenwert.So gesehen sind ganz viele von uns Tatmenschen und da ist es dann ganz normal das man traurig und unzufrieden ist wenn man nicht mehr so kann wie gewohnt.Einfach nur Sein ist schwierig,liebe Regina,für alle,aber ganz besonders für die,die es unfreiwillig durch Krankheit,Behinderung usw.sein müssen.Als Peter das für sich heraus gefunden hatte,ging es ihm etwas besser,denn immerhin hatte er ja seine geistigen Fähigkeiten nicht verloren und die brauchten nicht so viel Luft,das Denken,Reden,Zuhören,sich austauschen mit lieben Menschen(was er am liebsten tat) ging meistens auch ohne Anstrengung.Und in dieser Zeit sind wir auch viel gereist,Peter und ich,klar nur in unserer Phantasie,aber immerhin und es war schön für uns beide,wir haben die Plätze noch einmal besucht an denen wir uns am wohlsten gefüllt hatten in unserem gemeinsamen Leben und wir sind auch dorthin gereist wo wir noch gerne hin gewollt hätten.Es war oft richtig spannend.Nun muss ich es erst wieder lernen in meiner Phantasie mit Göga auf Reisen zu gehen.In Deiner Phantasie,liebe Regina,kannst Du überall hin reisen,auch heute,oder gerade heute noch.
Und wenn Du tatsächlich diese Woche den Hospizplatz bekommst dann nimm bitte auch den Gedanken mit das sich noch einmal vieles wenden kann,es muss nicht die letzte Station sein,es kann aber es muss nicht.

Ben und ich,wir stapfen für Dich mit durch Wind und Regen,so wie heute.Das hat den Vorteil das man bei diesem Wetter hier völlig alleine durch die Botanik tigert.Und Ben ohne Leine laufen kann,was wiederum meine Kräfte schont.Bei Fuß gehen ist immer noch nicht seine Stärke,bleibe aber tapfer am Ball und hoffe sehr das es bald besser wird,sonst sehe ich mich schon irgendwann im Dreck liegen.

Liebe Regina,ich drück Dir nicht nur die Daumen,alle meine guten Wünsche und Gedanken hast Du sowieso.

Bis später,beim Nordstern,auch wenn man ihn nicht sehen sollte,er ist da und treffen tun wir uns.
Ich umarme Dich
Deine Lissi
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Wege entstehen dadurch,dass man sie geht.
Franz Kafka

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