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Alt 02.10.2008, 14:13
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Maggy66 Maggy66 ist offline
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Standard AW: Das "normale" Leben ist nicht mehr normal, vor allem im Beruf

Huhu,

wollte auch nochmal kurz etwas dazu 'melden' Ich merke jetzt während der Chemo-Zeit, dass ich neben der neu gewonnen Vergesslichkeit (das mit dem Teewasser kommt mir bekannt vor , hier liegen auch lauter Erinnerungszettel) auch viel weniger belastbar bin. Im Prinzip geht es mir immer nur die eine Woche vor der nächsten 'Dröhnung' wieder halbwegs gut und natürlich könnte man diese Woche mit Arbeit ausfüllen. ABER es ist auch immer die Woche, wo ich liegen gebliebene Dinge erledigen kann, wieder zu Kräften kommen kann und hier im Forum stöbern kann z.B. . Wenn ich immer diese eine Woche arbeiten wäre, wäre niemanden geholfen, mir nicht, meiner Familie nicht und auch meinem AG nicht. Im Gegenteil, da ich vorher schon, was ich zugegebener Maßen erst jetzt erkannt habe, völlig ausgebrannt und erschöpft war, würde mich das genau wieder aus den Latschen kippen. Deshalb habe ich beschlossen, es für mich und meine Familie nicht zu tun. Die letzten Jahre haben mir so ziemlich jegliche Energie geraubt, wenn ich etwas ändern will und vor allem MUSS, dann eben jetzt, auch wenn da erst solch eine Diagnose herhalten muss. Seit ich denken kann, war ich immer arbeiten, arbeiten, arbeiten, habe jede Menge Überstunden gemacht, habe immer 'JA' geschrien und bin immer nur wie ein Huhn hin- und her gepest (schreibt man das so ?!?!?!?) und habe nicht gemerkt, dass die Akkus leiden.
Jetzt wo Kinder, Haus und Garten und die damit verbundenen Aktivitäten noch dazu gekommen sind und ich mich immer und überall für alles zuständig und verantwortlich gefühlt habe, weiß ich, dass man irgendwann einfach nicht mehr kann und sich das eingestehen sollte.

Die Reaktionen der Leute sind sehr unterschiedlich, die einen gucken ein ungläubig an, dass man nach solch einer Diagnose und der damit verbundenen Behandlung ÜBERHAUPT noch normal funktioniert und nicht 24h Stunden am Tag auf dem Sofa liegt und schläft O-Ton: 'Ich würde Rente beantragen und 'Was, du kannst doch jetzt in deinem Zustand nicht joggen gehen!, andere sind der Meinung, ja kein Problem, ist ja nicht mehr so wie früher und überhaupt, gibt ja gegen alles Tabletten und die Haare verliert auch keiner mehr usw., nach dem Motto 'sprich mich bloß nicht an, is ja gar nich so schlimm, nimm deine Medikamente und funktioniere gefälligst wieder wie sonst auch!

Ja und genau da hatte ich dann ein schlechtes Gewissen, wenn ich dann immer wieder gehört habe, dass einige sogar Vollzeit arbeiten gegangen sind, weil ich mir dann auch wie ein Schlaffi, Versager oder eben Weichei *winkewinke* vorgekommen bin, so als wenn ich mir meine Müdigkeit und mangelnde Belastbarkeit nur einreden würde, nur um nicht arbeiten zu müssen. Aber davon muss man sich freimachen, jeder merkt am besten, was er schafft oder nicht.

@Kimmy
Liebe Kimmy, ich denke auch, dass es sehr darauf ankommt, was man arbeitet, wie lange schon, ob es der Traumberuf ist oder zumindest einen gewissen 'Spaßfaktor' beinhaltet oder eben auch, was man sonst noch so für Belastungen hat. Als ich anfing, hatte ich großen Spaß bei der Arbeit, ich habe mich genauso auf das Wochenende gefreut wie auf Montag, bzw. bin ich lange Strecken auch jedes Wochenende arbeiten gewesen und habe mir Hunderte von Überstunden lieber auszahlen lassen, bin von früh bis spät dort fröhlich oder auch krank und auch schon mal Fieber aufgetaucht und war tatsächlich zufrieden, weil ich es gerne gemacht habe. Wenn ich geschafft war, habe ich mich zu Hause hinlegen können, war mein eigener Herr sozusagen, klar ich hatte Freunde, Familie, Haushalt und Sport, aber sonst konnte ich weitgehend alles so einteilen wie ich wollte. DAS ist jetzt anders! Manchmal kam ich (auch schon vor der Diagnose) abends völlig fertig und platt mit den Kindern im Schlepptau nach Hause und dachte 'jetzt bitte 3 Wochen Urlaub oder zumindest 2 Stunden schlafen', GING ABER NICHT! Weil Kinder darauf keine Rücksicht nehmen, wenn sie auch den ganzen Tag hinter sich haben. ALSO musste ich weiter funktionieren!
Die Arbeit hatte sich mittlerweile auch durch Übernahmen, Chef-Wechsel usw. drastisch geändert, also weniger Leute, mehr Arbeit, chaotische Organisation, nicht mehr so viel Freiraum usw., dass ich alleine dadurch schon völlig am Ende war. Alle Pläne wurden ständig über den Haufen geworfen, nichts mehr war wirklich planbar und haute einen im wahrsten Sinne des Wortes aus den Latschen. Manchmal dachte ich, bitte lasst mich bei Aldi an der Kasse sitzen oder Briefe austragen, dann hat alles wenigstens eine gewisse Regelmäßigkeit und ist besser planbar, völlig blöd, ich weiß!
Und dann kommt sowas!

Wer weiß, wenn ich diese Diagnose auch damals bekommen hätte, ohne Kinder und andere Verpflichtungen, wie ich dann gedacht hätte?!?
Ich glaube fast, dass ich tatsächlich arbeiten gegangen wäre, aber nicht aus lauter Langeweile, weil mir die Decke auf den Kopf gefallen wäre (damit hatte ich noch nie Probleme), sondern einfach, weil ich Spaß gehabt hätte und ich abgelenkt worden wäre, so wie du!
Im Prinzip dachte ich immer, wenn ich früher so etwas gehört habe wie 'Burn-Out', 'na der hat ja nur keine Lust zu arbeiten', jetzt weiß ich es besser! Ich denke, dass es kaum Menschen gibt, die sich über Jahrzehnte Doppel- und Dreifachbelastungen aussetzen können, ohne dass irgendwann dafür mal die Quittung kommt!

Fazit von diesem Roman : auch wenn es schwierig ist, ich probiere mich nicht unter Druck setzen zu lassen, dass ich funktionieren müsste wie immer (fällt mir sehr, sehr schwer) und akzeptiere auch, wenn jemand unbedingt arbeiten gehen möchte und für sich die beste Lösung darin sieht, dass das Leben genauso weiter gehen soll wie bisher! Mein Leben soll sich ändern, wenn nicht jetzt, wann dann?

DAS WAR DAS WORT ZUM SONNTAG

LG Maggy, die sich gerade wieder erholt hat (merkt man das?!?!?)
und hier rumhängt statt zu putzen
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Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
(invasiv lobuläres Mamma-Ca T3, G2, ER+, PR+, HER2neu- entdeckt im Juni '08)
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