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Alt 24.09.2008, 16:50
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Standard AW: Krebs und Studium

Ich habe einen neuen Bescheid vom Versorgungsamt erhalten. Ich habe eine Verschlimmerung nach meiner allogenen Transplantation beantragt, damit mein Ausweis von 80% verlängert wird und ich länger Kindergeld bekomme. Immerhin ist Krebs bzw. besonders die Behandlung kein Spaziergang und dadurch verlängert sich ja meine Ausbildung/Studium. Jetzt kommt der Hammer, womit ich echt nicht gerechnet habe. Ich weiß, ich erkenne immer mehr was für eine superkrasse Behandlung eine allogene Transplantation ist. Ein ganz anderes Kaliber als autolog. Also ich bin jetzt bis 03/2011: 1.) 100% schwerbehindert (kann ich noch verstehen), 2.) berechtigt eine Begleitperson mitzunehmen (Ich fahr sowieso kaum Bahn wegen Keimen, eine Begleitperson hilft mir da auch nicht, meine Oma könnte eine Begleitperson besser gebrauchen und bekommt sie nicht genehmigt, leider kann ich sie ihr nicht übertragen), 3.) erheblich gehbehindert (das ist mir aber noch nicht aufgefallen ) 4.) von den Rundfunkgebühren befreit (geil!). Begründung bei mir liegt eine Funktionsbeschränkung vor, nämlich: Erkrankung des lymphatischen Systems und Stammzelltransplantation in Heilungsbewährung. Ich finde ja, dass man seine Nachteile ausgleichen lassen soll, wenn man ein Anspruch darauf hat. Ich finde es aber seltsam, dass z.B. pauschal eine Gehbehinderung bescheinigt wird. Ich bin da in meiner Ansicht nach sehr zerissen. Auf der einen Seite habe ich natürlich viele Einschränkungen in meinem Leben, die ich aber irgendwie gut integriert habe. Ich glaube, dass ich auch oft verdränge, welche Dimension meine Behandlung hat. Immerhin habe ich noch ein stark geschwächtes Immunsystem und ich muss wohl auch noch mit schwachen bis zu starken Abstoßungsreaktionen rechnen. Auf der anderen Seite fühle ich mich nicht wie ein Schwerkranker, mache Sport, jogge, fahre Fahrrad und wenn ich etwas nicht bin, dann gehbehindert. Meine körperliche Leistungsfähigkeit ist sicher noch eingeschränkt, obwohl mein zusätzliches Schlafen meiner Ansicht nach auch abnimmt.
Gestern war ich bei einem Literaturkreis und ich habe es geschafft beim Tee danach nicht meine Krankeheit zu erwähnen. Ich glaube, dass ich ja die Aufmerksamkeit, die ich durch meine Erkrankung bekomme, eher genieße. Ich musste mich echt anstrengen nicht zu erklären, warum ich dort im Restaurant nichts essen darf. Eine Frau hat dann die schwere Krankheit ihres Mannes erzählt. Ich hab dann mitbekommen, dass er wohl Krebs hat. Der ist vielleicht 60. Ich habe mich zusammengerissen und nicht gesagt, dass ich auch Krebs hatte. Normalerweise posaune ich das in die Gegend und bekomme Aufmerksamkeit und Bewunderung. Die Krebserkrankung hat mir manches eingebracht, was ich mir früher bei meinen Depressionen gewünscht hätte. Eigentlich finde ich es seltsam, dass mich alle seit meiner Diagnose bewundern. Ich bin doch irgendwie noch der gleiche Mensch. Irgendwie habe ich mit meinen Depressionen mehr gekämpft, aber das konnte man vielleicht nicht sehen wie z.B. eine Glatze. Ich habe schon wieder einen Krampf im Bein. In letzter Zeit habe ich täglich Muskelkrämpfe.
Am Freitag fahre ich bis Samstag zum Auswahlverfahren für das Stipendium. Im Moment habe ich gar keine Lust mich vorzubereiten, obwohl ich das für heute und morgen vorgesehen habe. Wahrscheinlich wird mich aber mein Leistungsdruck morgen schon dazu bringen, noch das zu tun, was ich mir noch vorgenommen habe. Ich weiß noch nicht so recht wie ich das mit dem Mundschutz da machen soll. Ich will mich nicht gefährden, aber ich habe Angst, dass sie das irgendwie negativ bewerten, wenn ich da mit Mundschutz aufkreuze. Wie meint ihr, wäre es das Beste sich zu verhalten? Außerdem werde ich noch auffallen, weil ich mein (keimarmes) Essen selber mitbringen werde. Ja, dass Doppelleben als Transplantierter und Student ist manchmal nicht einfach.
Liebe Grüße
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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