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Alt 17.08.2008, 17:41
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Registriert seit: 06.02.2008
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Standard AW: Diagnose GLIOBLASTOM IV

Hallo, Ihr Lieben.
Ich war eine Zeit lang nicht aktiv dabei, habe nur mitgelesen.
Ihr schreibt von Geschwistern, die sich "das Leben einfach machen"... oja... so leid es mir tut, kann ich da auch ein Lied von Singen...
Meine Geschwister haben es sich wahrlich nicht leicht gemacht - aber meine Gedanken waren in dieser Richtung absolut hyper-aktiv.
Ich bin diejenige, die am nächsten an meinen Eltern wohnt und die auch hier in der Stadt arbeitet. Die anderen wohnen teilweise fast 300km weit weg, sind die Woche über nicht daheim UND haben ihre eigene Familie, auch schon mit Enkelkindern.
Und ich, ich bin der Nesthaken. Schon immer gewesen und auch gerne.
Ich habe immer versucht, alles möglich zu machen, bin gesprungen, hab organisiert, war jeden Tag da.
Ich habe meine Geschwister auch mitunter "gehasst", auch wenn es jetzt das falsche Wort ist. Ich liebe sie, wirklich. Aber ich habe mich oft alleine gefühlt und wenn wir telefonierten, durfte ich sowas hören wie "du meldest dich gar nicht" oder "kommst ja nicht mal vorbei".
Nee, verdammt nochmal. Ich hab auch ein Privatleben, um das ich mich nur am WE kümmern kann, wenigstens stückchenweise.
In mir kam auch so ein unbändiger Zorn auf... der ist auch wieder verflogen, aber zwischendrin gabs immer mal solche Lücken...
Ich weiß genau, dass sich jeder von uns seine Sorgen und Gedanken um Papa gemacht hat. Ich war diejenige, die für die Fern-Geschwister einen "Lagebericht" abgeben musste und sich dann anhören durfte "du bist zu euphorisch".
OK - bin ichs eben. So, wie es Papa damals täglich ging, ging es mir auch. Liefs gut, gings mir auch gut - liefs schlimm, war ich tief-traurig.
Und sowas nennt man einfach Euphorie. Doof bin ich trotzdem nicht.
Natürlich wusste ich, dass es für Papa keine Hoffnung mehr gab. Aber wie soll sich das bitte jemand verinnerlichen, der seinen geliebten Papa Tag für Tag sieht und helfen will, aber nicht kann?! Wie sollte ich damit klarkommen, dass ich bald keinen Papa mehr habe?! Da hilft mir niemand!
Die anderen konnten immer nur schlau schwätzen!!!
Wie gesagt, der "Zorn" ist auch wieder verflogen, weil ich sie liebe und weil wir uns teilweise so ähnlich sind, dass ich gespürt und gemerkt habe, wie sehr sie auch aus der Ferne leiden.
Ich weiß nicht, warum ich das jetzt nochmal aufgreife, das Thema... aber ich habe so noch nie darüber gesprochen und meine damalige Wut rauslassen können. Ich war einfach überfordert mit der gesamten Situation.
Meine Mama, die sich in ihrem Alter noch Tag und Nacht für Papa opferte, aus Liebe natürlich, und alles versuchte und dabei fast selbst zugrunde ging... sie war leider für meine Geschwister nur zweitrangig. Liegt vielleicht daran, dass sie nur meine Mama war, weil meine Geschwister ihre Mama früh verloren haben. Papa hat dann die Mama geheiratet und ich war der Nachzügler.
Immer von allen geliebt, anerkannt, akzeptiert - ebenso wie meine Mama.
Und umso mehr tat es mir weh, dass Mama oft hintenangestellt wurde in ihrer Sorge um Papa.
Ihr Lieben, sorry... ich will bei euch nichts hochholen, was ihr schon ausdiskutiert habt - ich wollte es nur mal loswerden.
Ihr seht, es gibt noch mehrere von uns, die so denken und eine Art von Zorn entwickelt haben, der sich nicht immer erklären lässt.
Die Verzweiflung über den drohenden Verlust und die Wut über die Hilflosigkeit lassen diese Gedanken wohl auftauchen. Ich weiß es nicht.

Ich bin momentan psychisch nicht auf der Höhe, krabbel da in sonem Tief rum und hoffe, dass ich ab morgen wieder mehr zu mir finde. Dann kann ich auch wieder Texte von mir geben, die anderen vielleicht mehr helfen als das hier.

Ich wünsche euch noch einen schönen Abend bei herrlichem Sonnenschein.
Viele liebe Drücker an euch alle!
Wir schaffen das, egal, was kommt.
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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