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Alt 06.08.2008, 21:12
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Standard AW: Diagnose GLIOBLASTOM IV

Liebe Mirjam.
Schön, dass ihr den Geburtstag deiner Mama zusammen verbracht habt und sie ihn genossen hat. Das wird sie sich bestimmt lange im Gedächtnis behalten. Und du auch...

Das dein Papa so ausrastet... nunja... als ich es las, war ich auch erstmal geschockt. Verständlich, dass du genauso gefühlt hast - vielleicht warst du sogar etwas zornig auf ihn...
Natürlich ist das Wegwischen kein Akt - ich habs bei meinem Papa auch gemacht. Wenn dein Papa so stark reagiert, sehe ich das auch als komplette Überforderung mit der Situation.
Bestimmt tun ihm seine Aussprüche sehr leid. Aber was man gesagt hat, hat man gesagt und das lässt sich schwer zurücknehmen.
Deine Mama hat sich sicher in Grund und Boden geschämt. Die liebe arme Mama...

Der Verlauf einer solchen Krankheit befördert die Sinne und Aktionen von Angehörigen in Richtungen, die man nicht immer nachvollziehen oder verstehen kann. Sie sind nicht vorhersehbar und werden nicht bewusst ausgeübt, da bin ich mir sicher. Ich denke grade daran, dass es einfach Hilfeschreie sind. Die Bitte nach Unterstützung durch andere Angehörige, die Verzweiflung, die Mut- und Ratlosigkeit. Die Angst, mit der Situation allein gelassen zu werden und dann nicht richtig handeln zu können.
Ich bin mir sicher, dass dein Papa keine "Angst" vor dem "Wegwischen" hätte - eher vor dem, was vielleicht noch passieren könnte.
Ich hoffe, deine Mama und du könnt diese Ausbrüche deines Papas irgendwie verwinden, vielleicht sogar verzeihen, denn dein Papa hat es ohne Geduld und Nerven schon schwer genug, seine Liebste so schwach und schmerzvoll zu begleiten.
Er sollte eigentlich der Starke, der Unterstützende sein, der, der sie trägt, der ihr die Last etwas abnehmen kann, sie fordert und fördert...
Aber nicht immer haben die Starken den gesunden Part in einer solchen Beziehung.

Ich kann ein Lied davon singen, wie es ist, keine Geduld zu haben.
Ich habe meine Mama, die damals zusehends nervöser wegen Papa wurde, oft barsch angegangen, um Papas Reaktionen (die für kurze Zeit aggressiv, entnervend, ungeduldig waren) zu verteidigen.
Aber ich bin irgendwann abends gefahren - und sie war wieder mit ihm alleine zuhause und hat viel mitangesehen bzw. mitansehen müssen. Dann noch ihre eigenen Gedanken und Ängste, was wohl passiert, wenn es ihm noch schlechter gehen sollte oder wenn er mal eines Tages nicht mehr da wäre. Ihr Mann - ihr Lebensmittelpunkt.

Weißt du, als Außenstehender oder - wie ich - mitleidende Tochter, die täglich auf dem Heimweg nach Mama und Papa sah und Zeit mit ihnen verbrachte, hat man vielleicht "einfacher" reden... wenn man 24h täglich mit dem lieben kranken Menschen zusammen ist - DAS muss man erstmal aushalten können.

Ich schicke dir ganz, ganz viel von meiner Kraft, die du bitte auch deiner Mama und besonders deinem Papa weitergeben sollst.
Geduld ist nicht jedermanns Stärke, besonders wenn man sein/ein Leben dahin schwinden sieht.
Bleib du geduldig, wenn du kannst, damit du deine Mama immer tatkräftig unterstützen und für sie dasein und deinen Papa damit entlasten kannst.
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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