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Alt 06.05.2008, 22:44
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Blume68 Blume68 ist offline
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Registriert seit: 27.03.2008
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Standard AW: Meine Mutter auch - ich brauche bitte eure Hilfe!

Guten Abend, Ihr Lieben,

nun hab ich eure Beiträge noch einmal gelesen. Wunderschön, alle.
Ich muss ein bischen ausholen jetzt – warne schon mal vor. Ich kann leider nicht gut „kurz“...

@ Annika 0211: tja, meine Liebe...das „vorbereiten“, Schau, ich WEISS ja sogar, was ansatzweise DANACH auf mich zukommt. Ich habe erlebt, dass Menschen in meiner Familie starben, und ich gebe zu, ich habe teilweise auch deswegen grosse Angst vor dieser Zeit danach. Das ist wie beim Zahnarzt – wenn man weiss, was kommt, wird es nicht wirklich unbedingt besser.

Und doch weiss ich auch: es wird diesmal ganz anders sein, wenn meine Ma einmal gehen wird.
Einfach, weil wir aufgrund der Situation eine noch grössere Nähe entwickeln, als wir zuvor schon über all die Jahre hatten.
Gestern dachte ich plötzlich: so wird es sein – zunächst die absolute NÄHE, und dann wahrscheinlich eine Art „Riss“ – wie von Annika33 in ihrer WUNDERBAREN Geschichte beschrieben.
Es wird dieser Unterschied sein, der mich zunächst zerreissen wird.
Aber die Zwillings-Geschichte zeigt etwas simples und wichtiges auf: wir WISSEN im Grunde nichts. Zumindest über das, was die Menschen, die jene Grenze überschreiten, irgendwann, erwartet.
Was die Trauer ausmacht, ist vor allem das, was UNS betrifft - unseren Verlust, unsere Einsamkeit, unsere Gedanken, unsere Trauer. Aber die steht uns auch zu...
(Annika 0211: das schreibe ich jetzt speziell für dich!)

@ Annika33: wenn du grundsätzlich einen guten Draht zu deiner Ma hast (und das entnehme ich deinen bisherigen Schilderungen), dann werdet ihr es schaffen, über alles rechtzeitig zu reden.
Ich habe es nach dem, was bei uns am Wochenende abging, und den Gesprächen jetzt im KH sogar geschafft, meiner Ma heute zu erzählen, dass ich schon damals, zu Beginn ihrer Erkrankung, in der Sozialstation über das Thema Hospiz gesprochen habe. Das hätte sie noch vor ein paar Wochen völlig irritiert, entzürnt, oder verunsichert. Heute kann sie verstehen, wie wichtig das ist – rechtzeitig über das zu sprechen, was man an Möglichkeiten hat – nur für alle Fälle! Sie hat erlebt (und ich auch), wie schnell einem Situationen über den Kopf wachsen können – und dann ist einfach keine Kraft noch Zeit da, um über so wichtige Dinge zu sprechen wie: „Was möchtest du denn, wenn?!“

Es ist einfach eine Entlastung, sich zumindest über die Möglichkeiten erkundigt zu haben. Das heisst nicht, dass man sie in Anspruch nehmen MUSS, und es heisst auch nicht, dass das Inanspruchnehmen dann leichter würde...auch das habe ich am Wochenende gespürt, als sie sagte, sie wolle ins Hospiz...ich war Bibi so dankbar für ihren Satz „nichts entscheiden, wenn man ganz unten ist!“ Das sieht meine Ma gottlob mittlerweile genauso. Die behutsamen Gespräche helfen uns, uns ganz langsam vorzutasten in die vorhandenen Möglichkeiten. Und ich hoffe sehr, es hilft ihr, das, was sie an Möglichkeiten HEUTE hat, besser zu nutzen.

Ich kann nicht sagen, dass ich permanent nur im JETZT lebe. Manchmal gelingt mir das, und wenn ich es will, ist es auch gut so! Manchmal muss ich situationsbedingt auch.
Die Erfahrung hat mir nur gezeigt, dass ein bischen vorausschauen hilft, und WARUM man schöne Dinge geniessen sollte, wenn das irgendwie gelingt. Und dennoch bin auch ich froh, wenn mich in schlimmen Momenten jemand genau DARAN erinnert! (@ Lissi: danke!!) Weil man sich irgendwann später mal an die schönen Momente erinnern kann, und sie wärmend im Herzen aufbewahrt...

Ich glaube nicht, dass man sich an das Loslassen von lieben Menschen in der Familie „gewöhnt“, oder sich „vorbereiten“ kann. Und wenn, dann nur bedingt. Jeder Verlust ist anders, und reisst manchmal alte Wunden auf.

Ich weiss, das klingt jetzt alles eher nach Abschiednehmen, wenig kämpferisch, und ein bischen traurig. So ist es aber nicht gemeint. Man lernt, besser zu wert-schätzen.
Wir müssen täglich kämpfen, eben DAS zu können: das GUTE sehen, das im JETZT leben, und den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Und Kampf heisst für mich auch: nicht nur traurig sein, sondern mich informieren, was meiner kranken Ma gut tut, jetzt und später, wo sie irgendwann, sollte es ihr viel schlechter gehen, liebevoll und bestmöglich aufgehoben ist. Auch Kampf gegen mich, und meine „Angstmonster“. Zu (be-)kämpfen gibt es wahrlich genug!

Das, was ich ihr wünsche, ist eine lange, möglichst schmerzfreie Zeit, in der sie glücklich ist. Und auch dafür kämpfe ich – so gut es geht. Und je mehr ich für sie „raushauen“ kann, umso besser!

Und dass ich mit diesem Kampf nicht allein bin – ich wiederhole mich – das stärkt mich darin ungemein.
Ich hoffe, ich schaffe es, gut weiterzukämpfen.

Allen eine gute, schmerzfreie Nacht, mit wenig bzw. möglichst KEINEN „Angst-oder Traurigkeitsmonstern“. Und ein Fleisskärtchen für euch, die ihr meine „Ergüsse“ mal wieder durchackern musstet!


euer Blümchen
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In uns allen findet sich die Quelle höchster Weisheit -
die Quelle der Liebe.
(Thich Nhat Hanh)

Geändert von Blume68 (06.05.2008 um 22:46 Uhr)
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