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Alt 25.08.2003, 18:58
Gast
 
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Standard Ich muss doch etwas tun !!?

Lieber Jürgen!

ich kann Deinen Schmerz, den Du in diesem Moment empfindest, sehr gut nachvollziehen. Ich selber habe meine Mama (damals 47) vor ungefähr 1 1/2 Jahren innerhalb von 8 Monaten an einem Pankreaskarzinom mit Lebermetastasen verloren. Die Krankheit begann bei ihr ähnlich wie bei Deiner Mutter: mit Blähungen, Bauchschmerzen, Sodbrennen... Unser Hausarzt dachte an alles mögliche, nur an Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht. Es ist leider so, daß diese Krebsart besonders schwierig zu diagnostizieren ist, da die Bauchspeicheldrüse sehr ungünstig liegt und nicht einmal mit den bildgebenden Verfahren gut zu sehen ist. Das und noch einige weitere Faktoren machen sie ja gerade so heimtückisch.
Du fragst, was Du für Deine Mutter noch tun kannst. - So hart es ist (und glaube mir, ich weiß, wovon ich spreche): Du machst es Deiner Mutter leichter, wenn Du die Situation so gut wie möglich anzunehmen versuchst. Ein Beispiel: Ich habe meiner Mutter am Schluß oft Vorwürfe gemacht, warum sie irgendwann einfach aufhörte, gegen die Krankheit anzugehen. Sie war einfach völlig teilnahmslos und hatte scheinbar jedes Interesse daran verloren, wieder gesund zu werden: Aber der Punkt ist: Sie wußte sehr gut, ab welchem Zeitpunkt einfach nichts mehr zu machen war, und da haben meine Versuche, sie festzuhalten, ihre Traurigkeit nur noch verstärkt. Der Kranke spürt sehr genau, was mit ihm los ist und empfindet - jedenfalls nach meiner Erfahrung - jede Aufmunterung und jeden Zuspruch in der Endphase eher belastend.
Versuche also einfach, es Deiner Mutter so angenehm wie möglich zu machen. Frage sie, was sie braucht, welche Wünsche sie noch hat. Rede so offen es geht mit ihr, ruhig auch über das Sterben, über Deine Ängste und Deinen Schmerz, wenn sie es zuläßt (das ist sehr individuell), damit eure Trauer nicht in Sprachlosigkeit endet. Ich möchte ungern zu viele Allgemeintips geben, da jeder Todkranke möglicherweise anders reagiert. Wichtig ist nur, daß Deine Mutter sich so geben kann, wie sie sich fühlt und daß sie sich nicht zu verstellen braucht aus Angst, ihre Familie könnte damit nicht fertig werden. Und noch etwas: Vergiß dabei Dich selber nicht - dies ist eine absolute Ausnahmesituation, die an die Substanz geht. Wir alle haben auch unsere Grenzen und sind nur bis zu einem gewissen Punkt belastbar. Das muß allerdings jeder für sich herausfinden.

Ich wünsche Dir die nötige Kraft, Deine Mutter auf ihrem Weg zu begleiten, auch wenn es der letzte sein sollte.

Ich weiß nicht, ob ich Dir damit ein wenig weiterhelfen konnte, aber wenn Du noch Fragen haben solltest, beantworte ich sie jederzeit gerne.

Alles Gute
Bettina
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