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Alt 24.04.2008, 23:13
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Redaktöse Redaktöse ist offline
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Standard AW: Unzufrieden mit Informationen durch Arzt

Müde nach zwei langen, aufregenden Tagen komme ich heute zum Schreiben.

In mir ist vieles in Bewegung. Vor allem aber fühle ich mich merkwürdig entrückt; trotz des Kummers fühle ich mich seltsam positiv und glücklich. Ich bin zwar körperlich sehr müde, spüre aber auch eine große mentale Kraft in mir, die ich so nicht kenne.

Das Schönste vorweg: Papa hat es ins Hospiz geschafft! Er ist gut angekommen und auch das Umbetten und die halbstündige Fahrt haben ihm nicht weh getan. Bis zum späten Nachmittag hat er ganz fest geschlafen, dann wurde ein bisschen munterer und hat kurz auf Ansprache reagiert und ein paar Mal die Augen geöffnet. Sein neues Zimmer hat eine Terrassentür zu einem Innenhof mit einem wunderschönen chinesischen Garten, einem kleinen Teich mit Goldfischen und einer Holzbrücke, überall viele bunte Blumen. Direkt vor seinem Fenster hängt Vogelfutter, und die Meisen und Spatzen lassen sich dort nieder. Es würde ihm so gefallen! Ich hoffe, er kann das bald wenigstens noch kurz wahrnehmen.

Die Pflegekräfte sind alle sehr lieb und vermitteln einem vor allem das Gefühl, dass sie Zeit haben. Es finden Gespräche mit meiner Mutter und mir statt, sogar im Sitzen. Sie streicheln Papa und sprechen zu ihm. Die eine Schwester hat gleich dafür gesorgt, dass er weich umgebettet wird und hat ihn sogar eingecremt. Die Menschen auf dem Flur grüßen einen und geben dir die Hand. Auch ich fühle mich dort irgendwie behütet. Es gibt niemanden, der mir irgendwie unsympathisch gewesen wäre, und ich fühle mich gemocht und willkommen. Kein unwichtiger Punkt, denn ich hatte mir doch einen Ort für Papa gewünscht, an dem auch ich mich wohl fühlen und gerne da sein kann.

Nur meiner Mutter geht es psychisch ganz schlecht. Sie weint sehr viel und zweifelt alle Entscheidungen an. Sie versuche so sehr, sie zu trösten. Aber während sie ganz verzweifelt und unglücklich ist, bin ich in gewisser Weise - auch wenn ich natürlich selbst mal weine - glücklich. Vielleicht fühlt es sich so an, im Frieden mit sich zu sein. Vielleicht stehe ich auch nur am Rand des Wahnsinns und merke es nicht.

Krabben, vielleicht meintest du das, als du davon schriebst, das Grau wertzuschätzen?

Ich drücke euch.
Regine
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