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Alt 23.04.2008, 06:02
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: BEIDES zu sein ist so verdammt schwierig.

Hallo Norma,

ja, es ist verdammt schwierig BEIDE Schuhe tragen zu müssen!!!!

Norma, ich kam am Anfang überhaupt nicht mit den Reaktionen meines Mannes zurecht, denn egal was innerhalb der Familie anstand, es wurde darüber geredet. Plötzlich begegnete ich einer Mauer. Versuchte ich ihm das zu geben, was er mir immer gab und gibt, machte er dicht. Tat ich garnichts, war es auch nicht recht. Ich hatte gerade meine Bestrahlungen des letzten Rezidivs hinter mir, und war selbst noch ganz doll am Nagen.
Auch dachte ich, dass mein Mann nun versteht wie es mir die ganzen Jahre wirklich ging, Fehlanzeige. Warum? Weil er gefühlsmäßig auf einem ganz anderen Gleis wie ich fuhr und heute noch fährt.

Wie viele Male versuchte ich durch zu dringen, dachte, wir müssen doch darüber reden, wir haben Beide doch dieselbe Sch*krankheit!!! Wir haben doch erst die Jahre zuvor meine Eltern und meine beste Freundin in ihren Krebserkrankrankungen begleitet.

Norma, es dauerte sehr lange bis ich kapierte, durch von mir gelenkte Gespräche, ohne das Kind beim Namen zu nennen, was wirklich dahinter steckt. ANGST, nicht vor den OP's oder sonst etwas. Nein, die Angst nicht mehr die Familie so versorgen zu können, wie es in seinen Augen sein sollte (ich bin in Erwerbsminderungsrente, neues Haus gebaut etc.). Angst, mich alleine in meiner Erkrankung und all den Auswirkungen zu lassen; Angst, dass niemand mehr da ist, der mich versorgt; Angst nicht mehr das zu sein, was seinen Platz innerhalb der Familie ausmacht. Angst, mir seine Sorgen und Ängste auch aufbürden zu müssen; Angst, meine Schuhe innerhalb der Familie nicht tragen zu können. Er war gefangen in seinen eigenen Ängsten....

Norma, vielleicht hilft deinem Mann auch das Gespräch mit Gleichbetroffenen? Nicht das Gespräch mit dem Psychologen, der ja diese Geschichte nicht mittragen und wirklich mitfühlen kann? Bei meinem Mann war das so, er "kümmert(e)" sich um Männer aus seinem Umkreis, die dieselbe Erkrankung wie er haben, und das half und hilft ihm mehr als alles andere. In meiner Position als Begleiterin und Selbsthilfegruppenleiterin erlebte ich, wie die Männer sich eher einer fremden Person mit den gleichen Problemen öffneten, als der Familie oder den angebotenen Psychologen. Durch diesen Austausch sie auch wieder offen für die Familie waren, und so manches Verständnis wieder kam.

Unsere Jungs, sie tun mir in der ganzen bescheidenen Situation am meisten leid. Nein, es tut mir bis ins Tiefste weh, ihre Not zu sehen, die große Angst beide Eltern vielleicht bald zu verlieren. Ganz besonders, da sie die Krebserkrankungen und den schleichenden Tod meiner Eltern und Freundin hautnah miterleben mußten. Ihre Reaktion, ihre eigenen Probleme lieber selbst zu lösen, als auch noch uns auf zu halsen. Oft initiiere ich die Gespräche darüber, dass es für mich keine Last ist, sondern immens wichtig. Beide versuchen wie mein Mann zu reagieren, klischeemäßig ausgedrückt ... wir Männer lösen unsere Probleme selbst. Doch ich sehe oft ihre nackte Angst in ihren Gesichtern, wenn es mir mal wieder schlechter geht, die nächste Untersuchung ansteht. Dann sage ich mir, DAS haben meine Jungs doch nicht verdient! Ein Leben nur geprägt von der Angst den nächsten geliebten Menschen an Krebs zu verlieren.

Norma, es gibt einfach Zeiten, wo keiner beide Schuhe tragen kann.
Wie ich für mich feststellte, dass ich manchen Weg alleine durchgehen muß, auch wenn es schön wäre, diesen starken Arm zu spüren, dieses Getragensein des Partners oder der Familie. Ich habe in all den letzten Jahren gelernt, dass es nicht immer so sein kann, sondern ich mir meine Kraft in mir selbst suchen und auch finden muß. Es ist verdammt schwer, und das eine oder andere Mal die Verzweiflung so groß, dass man nicht mehr möchte....

Norma, ich bin gerne für dich da, wenn du das möchtest. Ein Ventil zu öffnen, all die Dinge loszuwerden, die drücken und belasten, ein offenes Ohr auf der anderen Seite, das dieselben Schuhe trägt.
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Jutta
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