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Alt 01.04.2008, 13:33
gaertner gaertner ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Hallöchen an alle,


hallo mein Sohn...,


hier schrieb ich und hier bleib ich. Es gibt mittlerweile so viele Threats doch hier passt es für mich am Besten.

Am 16.12.05 habe ich geschrieben :

"man wird halt immer angeschaut wie ein auto, wenn so was passiert und schämt sich dann. Blödsinn.
als ob man seine umgebung fragen müßte , ich möchte jetzt mal kurz weinen, darf ich das ?

ich glaube , diese "stärke" sollte man sich irgendwie aneignen, seinen gefühlen freien lauf lassen zu können. dann ist es auch möglich , diese selber besser kontrollieren zu können , und in das "normale leben" oder den "normalen zustand" zurückzukehren, nicht auf druck der "dummen unwissenden" die um einen herumstehen, sondern weil man sich selber sagt, so kurz geheult und jetzt zurück ins leben.
denn den platz im leben , den wir vorher hatten ,den müssen wir auch weiterhin einnehmen. es besteht verantwortung gegenüber denen , die zu einem gehören. und der , der gegangen ist , ist bestimmt jedesmal traurig , wenn er sieht , was er durch sein weggehen für ein durcheinander angerichtet hat. den DAS ist bestimmt das letzte , was er wollte."

Heute genau vor 3 Jahren war die letzte "große" Untersuchung. Eigentlich stand es schon fest, medizinisch ist alles ausgereizt, am Tag zuvor wurden Lebermetastasen festgestellt,.... er wird sterben, definitiv, nur wann.... ?

Nicht heute, nicht morgen, aber ob es noch 3 Wochen oder 3 Monate werden,
nee , solange wohl eher nicht , aber nicht gleich nächste Woche.

Dann bin ich mit ihm nochmal raus in die KIM, er konnte bei der Lungenszintigraphie nicht mal mehr die Beine strecken, so Schmerzen hatte er im Bauch. Seine Schmerzen zu sehen und die Ärztin, die ihn genervt sagte , er soll sich mal zusammenreißen , damit sie gute Bilder bekommt (sinngemäß dargestellt) veranlassten mich die Beherrschung fallen zu lassen und meinerseits die Ärztin barsch anzugehen, wenn er solche Schmerzen hat und es anders nicht gehen kann , dann brechen wir sofort ab. Ich wußte ja schon , die Oberärztin in der Kinderklinik hatte es mir ja früh vor der Untersuchung schon gesagt, daß er keine Chance auf Genesung mehr hat.
Und Robert ? Er schaut mich erschrocken an, sagt dann ganz ruhig, lass nur , die Ärztin macht auch nur ihre Arbeit. Sofort entspannte sich die Situation , Keilkissen wurden herangeschafft damit die Beine höher lagen und der Bauch nicht so gespannt war.

Dann das Warten im Nebenzimmer. Warten auf ein nochmaliges MRT vom Bein und vom Unterleib. Zwischenzeitlich bekamen wir einen verschlossenen Umschlag hereingebracht, das Ergebniss der Lunge. Robert wollte, das wir es aufmachen, der Assitenzarzt, der mit war und ich.
Mit der Oberärztin war abgesprochen, wir sammeln erst alle Unterlagen , damit sie ein abschließendes Bild sich schaffen kann, um dann Robert offiziell alles mitzuteilen.
Ich sagte es ihm dann auch so und er gab sich aus heutiger Sicht recht schnell mit meiner Antwort zufrieden. Wir redeten über Kino und Filme, der Assistenzarzt erzählte von seinen Einsätzen bei den Rettungssanitätern.Robert hatte starke Schmerzen, er schlang seine Arme wie ein kleines Kind um meinen Hals und wollte, das sie aufhören.

Dann endlich ab zum MRT. Dem Personal habe ich nochmal gesagt, wenn er soviel Schmerzen hat, abrechen. Wir verweigern uns weitern Untersuchungen dann. Nach, keine Ahnung, 20 min oder wer weiß ?, ... ich soll mal mitkommen zum dortigen Oberarzt. Sie mußten abbrechen, sagt er mir, die Schmerzen wären zu stark. Er habe auch schon mit der Oberärztin telefoniert, weiss, das ich Bescheid weiss und die teilweisen Untersuchungsergebnisse reiche aus, alles zu bestätigen. In der Lunge sind nicht mehr zählbare Metastasen, wo zehn Tage früher eine einzige entdeckt wurde.
Ein Jahr später kam ein Brief mit einer CD an Robert adressiert, da Sie länger nicht bei uns waren übersenden wir Ihnen die Bilder für Ihre Unterlagen.
Sein großer Bruder hatte ihn geöffnet und wir waren alle sehr geschockt über diese "Pietätlosigkeit".
Ich schweife ab.
Spät kamen wir zurück in die Kinderklinik. Seine Mutter wollte gleich von Arbeit dorthin, ich sagte, sie solle draussen warten , nicht hochgehen, wollte zuerst mit ihr reden. Ja K., ich wollte der sein , der es seiner Frau mitteilt, welche bis zum Schluß all Ihre Kraft eingesetzt hat , nicht einen Gedanken an dieses Ende zu verschwenden.
Gemeinsam saßen wir dann und haben Robert nochmal tapfer gesagt, das Ergebnis steht noch nicht fest. Er war müde und völlig fertig , hat geschlafen und wir sind nach Hause zu seinem Bruder, unserem großen Sohn.
Der Hausarzt kam zu uns. Lange war er da. Wie sag ich es meinen Sohn , dass er Sterben muß ? So fertig habe ich K. noch nie gesehen. Die Welt war zerbrochen. Ich war Wochen zuvor auf der Beerdigung von Sören, habe versucht mich dem Thema anzunähern, geahnt, was auf uns zukommt.
Habe ich es damit herbeigeführt ? Sind das die Vorwürfe, die im Raum schweben, zur Trennung und Abkehr geführt haben ?
Ich schweife wieder ab.
Wir haben uns geeinigt , ihm zu sagen , er kann nach Hause, da medizinisch alles ausgereizt ist. Er wollte ja heim , Ostern war in dem Jahr gerade vorbei und er mußte in der Klinik bleiben. Samstag habe ich es ihm gesagt. Seine Mutter, der Große und ich an seinem Bett. Ich seh noch sein Wippen mit dem Kopf. Und dann die Tränen, als die Endgültigkeit ausgesprochen war. Heute weiss ich, es war für ihn nur eine Bestätigung dessen , was er schon wußte.
Dann , spitzbübisch, spöttig, na was ist, ab bringt mich ins Auto, ab nach Hause. Pläne, warte, müssen einiges vorbereiten, die Ärzte hatten schon gewarnt, es können unwahrscheinliche Schmerzen auftreten, wir brauchen einen Arzt , der schwere Medikamente geben kann usw.
Dann der Plan, Dienstag heim, Mittwoch mit allen Freunden der Familie eine große Caipirinha-Abschiedsparty.

Am Abend darauf starb Robert nach hartem Kampf in der Klinik.



Es tut weh. Nicht gleichmäßig wie bei H. Grönnemayer. Ich lese die Sätze, die ich im Laufe der Zeit hier hingeschrieben habe und denke, wirklich weiter bin ich nicht.
Andererseits glaube ich auch, ich darf es heute, ich darf es morgen , ich darf es immer noch. TRAUERN, mich vom Schmerz überwältigen lassen. Es wird wieder weniger. Die Tage vor seinem Tod sind jedes Jahr so schlimm. Am Donnerstag wird es dann plötzlich vorbei sein. Es ist so, als ob ich die letzten Stunden nochmal mit ihm durchlebe, auch wenn ich die allerletzten nicht bei ihm war. Und dann mit ihm die Befreiung von Leid und Schmerzen erfahre und mich erinnere, ja , jetzt geht es ihm besser, jetzt hat er den Kampf durchgestanden. Und er ist von niemand und nichts erlöst wurden , er hat gesiegt , das lange Ringen um seinen Tod gewonnen von einem Leben, was ihm nur noch Qual bereitet hat und ihn doch nicht gehen lassen wollte.
Er wird gerade wieder runterschauen zu mir und sagen, was willst du bei mir, hast du keine Termine ?

So schließt sich der Kreis, ja, das ist das Letzte was er wollte.

Ich gönn mir trotzdem noch etwas Zeit zum treiben lassen, erinnern, denken, sacken lassen..., wie auch immer.
Ich weiss, dass ich dann wieder aufstehe und mit dem Leben weitermache.
Ein neues Leben, nicht nur ohne ihn.
Ein neues Leben mit so lieben und wertvollen Menschen um mich herum.
Ein neues Leben, indem ich doch nicht soviel anderes mache, indem ich aber viel mehr zurückbekomme als ich gebe.

Danke dafür.
__________________
Jede Lebensphase hat ihren eigenen Wert

und ihr eigenes Glück.


daraus das Beste zu machen

ist der Schlüssel zur Zufriedenheit.
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