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Alt 12.03.2008, 23:00
Kathleen Kathleen ist offline
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Standard AW: Hyperthermiebehandlung Dr. Müller Bauchfellmetastasen

Alle Hoffnung ist heute morgen um 3:39 Uhr gestorben!



Maria
12.06.1944 - 12.03.2008


Bis zu ihrem letzten Atemzug hat sie gekämpft und wollte bleiben, dann kapitulierte ihr geschundener Körper.

Es gibt absolut NICHTS, was mich über diesen Verlust hinweg trösten kann. Mein Körper hat realisiert, meine Seele ist nicht mehr ansprechbar. Leere.

Ich kann und will es nicht glauben, dass unser gemeinsamer Weg heute zu Ende gegangen ist. WARUM? WARUM? WARUM?

Michelle hat mich heute Abend gefragt, warum unsere Oma? Ja, warum? Wer kann mir diese Frage beantworten?

Um Mitternacht, mein Mann war noch gar nicht zu Hause, haben mein Papa und ich nochmals telefoniert. Er hat mich gebeten nicht zu kommen. Kaum dass ich ihn verstanden habe, im Hintergrund hörte ich ihr entsetzliches Stöhnen. Ich habe ihm nicht widersprochen, mich hat der Mut verlassen. Ich habe sie nicht begleitet, nur in Gedanken. Liebe Mama, verzeih mir!

Mein Mann, unsere Tochter und ich waren um 3:50 Uhr bei ihr. Ich habe meinen Papa noch niemals so weinen, schluchzen sehen. Wir konnten uns von ihr verabschieden, mein Vater hielt ihr Kinn. Niemals werde ich das vergessen.

Nach einer Stunde haben wir sie dann hergerichtet gesehen und es war wirklich ein würdiger Abschied. In ihrer Kleidung, auf einem weißen bestickten Tuch mit Spitze, zugedeckt bis zur Taille, Rosenblätter überall, die Hände gefalten mit Blumen, Kerzen, Gregorianische Gesänge...

Ich sehe sie da liegen und denke, jeden Augenblick wird sie mir ihren Kopf zuwenden und ihre Augen öffnen - aber das ist nicht passiert.

Um 8:00 Uhr sind wir in ein Blumengeschäft gefahren. Mein Papa hat ihr einen riesigen Strauß langstieliger roter Rosen gekauft. Weitere rote Rosenköpfe haben wir dann auf ihrem Bett verteilt. Unsere Tochter hat massiv darauf bestanden, dass sie sich auch eine Blume aussuchen darf und sie allein entscheidet, wie die Oma sie bekommt. Als wir wieder ins Zimmer zu meiner Mama traten, legte sie ihr die cremfarbene große Rose auf die Brust.

Dann fragte sie mich mit großen Augen, ob sie ein Lied singen darf. Erst war ich mir nicht schlüssig, "Alle meine Entchen" hätte ich eher unpassend gefunden. Ich möchte Euch nicht vorenhalten, was unsere 6jährige Tochter mit ihrem eigenen Text und Melodie gesungen hat:

"Liebe Oma, hoffentlich bist du schon im Himmel angekommen und vergisst uns nicht. Wir werden dich auch nicht vergessen. Bestimmt geht es dir jetzt wieder richtig gut, so wie früher..." Wir haben alle lauthals geweint!

Dann mussten wir zum Bestatter und waren gemeinsam essen. Anschließend sind wir nochmal bei meiner Mama vorbeigefahren. Am Nachmittag ruhten wir uns ein wenig aus, mein Papa war aber bei ihr. Um 15:30 Uhr bin ich ein letztes Mal zu ihr gefahren. Mein Papa und auch mein Bruder war nun anwesend. Michelle wollte unbedingt mit, und ich bat meinen Mann mit ihr gegen Abend nochmal auf eine halbe Stunde vorbeizukommen. Mein Mann stand in der hintersten Ecke des Zimmers und traute sich kaum ans Bett meiner Mama. Er konnte sie auch nicht anfassen. Unsere Tochter hatte keine Berührungsängste. Sie hat sie ausgiebig gestreichelt, hat auch ihren Kopf auf ihre Brust gelegt, um zu hören, dass das Herz wirklich nicht mehr schlägt.

Zum Schluss hat sie uns aufgefordert, uns alle bei den Händen zu fassen und zur Oma zu kommen. Michelle sagte dann: "Liebe Oma, ich sage dir nochmal Hallo, Tschüß und Auf Wiedersehen." Wir Erwachsenen konnten nur noch mit tränenerstickter Stimme etwas flüstern.

Ich bin so froh, dass wir unsere Tochter mitgenommen haben. Sie vor allem hat uns diesen Tag unvergesslich werden lassen. Obwohl meine Mama heute verstorben ist, werde ich diesen Tag als unglaublich schön in Erinnerung behalten. Das hätte ich mir gestern noch nicht träumen lassen.

Eines muss ich Euch auch noch erzählen. Als ich heute Nachmittag zum Kloster gefahren bin, es stürmte, regnete und klarte wieder auf, bildete sich genau über dem Hospiz ein Regenbogen und ich habe schon lange keinen mehr gesehen.

Liebe Mama, ich glaube, ich habe Dich doch losgelassen und weiß gar nicht, wie ich das geschafft habe. Du musst jetzt nicht mehr leiden und trotzdem wüßte ich Dich gerne noch in unserer Mitte.

Ich liebe Dich über alles und werde Dich niemals vergessen!

Ich hoffe auf ein Wiedersehen und vielleicht gelingt es mir noch, auch daran zu glauben!

Ruhe sanft, Kathleen
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