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Alt 24.02.2008, 22:06
wusta wusta ist offline
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Registriert seit: 23.02.2008
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Standard AW: Ich schaffe es bald nicht mehr....

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank, dass Ihr mir geantwortet habt; finde ich supertoll von Euch. Ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass sich jemand die Zeit nimmt, auf mein Selbstmitleid zu reagieren. Danke nochmal!

Wir hätten den Platz, meine Mutter zu uns zu nehmen. Eigentlich haben wir vor 11 Jahren schon daran gedacht, mit meinen beiden Eltern hier zu wohnen, als wir das Haus gebaut haben. Erst wollten die Beiden aber nicht so recht (mein Vater meinte immer, dass "die jungen Leute" besser für sich sein sollten). Dann wurde mein Vater krank; vorher hatte er sich das mit dem Umzug zu uns wohl schon anders überlegt. Dann starb er leider und meine Mutter habe ich die letzten 5 Jahre bekniet - sie will einfach nicht. Ist ihr wohl zu viel Veränderung (alten Baum verpflanzt man nicht) und außerdem sagt sie immer: "Ihr seid ja am arbeiten, da bin ich auch den ganzen Tag allein." Wir haben bis heute die eine Etage des Hauses freigehalten.

Meine Mutter ist leider von sich selbst wenig aus aktiv. Sie kümmert sich zwar um ihre Wohnung und - soweit es keine schweren Arbeiten sind - auch um ihren Schrebergarten; aber sobald es die "sozialen Kontakte" betrifft, erwartet sie, dass sich andere melden. Hängt sicher mit meinem Vater zusammen, der immer recht lebenslustig war und alles Mögliche organisiert hat. Er hat sie dann einfach mitgerissen - sie hat schon damals vor jeder Veranstaltung eigentlich nur gemeckert. Hinterher war dann doch immer alles ganz toll, aber von allein wäre sie nie auf die Idee gekommen, Besuch einzuladen oder jemanden anzurufen. Heute ist es genauso. Es gibt immer einen Grund für sie, selbst nicht aktiv zu werden. Wenn ich ihr sage: "Besuche doch mal die oder den", dann heißt die Antwort: "Wieso ich? Für die ist der Weg zu mir genauso weit, wie umgekehrt." Wenn ich meine, sie sollte doch mal diese oder jene Bekannte wieder anrufen, sagt sie: "Die kann mich auch anrufen." Zum Kaffeeklatsch jemanden einladen? Um Gottes Willen - my home is my castle. Kartenspielen: "Da kennen sich doch alle, und ich komme neu dazu."

Wenn sie dann doch mal - meist zufällig - eine Bekannte trifft, erzählt sie mir hinterher von deren "Rabenkindern", die ruhig mal etwas für ihre Mutter tun könnten.

Eine ehrenamtliche Tätigkeit? Findet sie toll, würde es aber selbst nie machen - ich denke auch, weil ihr das Selbstbewusstsein fehlt. So hängt sie - zumindest im Winter - den ganzen Tag vor dem Fernseher und wartet auf Unterhaltung von außen. Und die bringe offenbar nur ich (neben dem TV).

Sie verreist eigentlich ganz gerne. Am liebsten würde sie mit mir verreisen. Dummerweise will mein Lebensgefährte das aber auch - und auch mal mit mir allein. Wir waren mit ihr in London, haben wir ihr zum Geburtstag geschenkt. War aber auch nicht so der Hit. Mein Vater fehlt ihr halt.

Mir fehlt er auch so sehr - wenn ich mal auf dem Friedhof bin, erzähle ich ihm alles. Aber er kann ja nicht antworten wie früher.

Und ich komme irgendwie aus diesem Kreis zwischen Liebe - eigener Traurigkeit - Verantwortungsgefühl - Mitleid - Wut - sich ausgenutzt fühlen nicht mehr raus. Ich kann aber nicht einfach "Nein" sagen, wenn ihr Lebensglück wieder mal daran hängt, dass ihre elende Hecke geschnitten wird oder sie nun dringend in den Baumarkt muss, um dann doch festzustellen, dass sie die Dinge nicht braucht. Aber ich werde zunehmend aggressiver und stelle mir die Frage, wie das wird, wenn sie wirklich Hilfe braucht. Eigentlich dreht sich jetzt schon jeder Feierabend, jeder Feiertag und jedes Wochenende nur um sie. Manchmal frage ich mich, was aus meinem Freund oder mir werden soll, wenn einer von beiden übrig bleibt. Wer kümmert sich dann um uns? Mit dem Kindermachen ist es ja leider nichts geworden (vielleicht hätten wir dann ja auch jemanden, den wir in die Verantwortung nehmen könnten...). Und meine Arbeit ist - wie bei sicher fast allen Arbeitnehmern - in den letzten Jahren einfach nur noch eine Belastung (mach mehr, mach schneller, mach besser, folge gefälligst hirnlosen Anweisungen alles für weniger Geld).

Entschuldigt bitte, ich komme mir schon vor wie bei TV-Kaiser ("ein Teufelskreis"). Mein Freund sagt immer, wenn ich es nicht mehr aushalte, dann muss ich mich eben bei meiner Mutter rarer machen. Ich sage ihm dann immer, dass er so leicht reden kann, weil er noch beide Eltern hat. Aber vielleicht hat er Recht. Ich habe aber Angst, dass ich meine Mutter eines Tages einfach in ein Seniorenheim "abschieben" werde; erst mal völlig emotionslos - dann aber natürlich doch mit dem immer nagenden Gewissen.

Bitte nicht böse sein, dass ich schon wieder so viel gelabert habe. Ich danke nochmal jedem, der sich die Zeit nimmt und mein Gequatsche liest.
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