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Alt 25.07.2003, 19:05
Gast
 
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Alessa,

welcher Art zu sterben die „bessere“ für unsere jeweiligen Mütter war, das wissen wir alle nicht. Vielleicht irre ich mich auch, und Mama hätte uns gerne bei sich gehabt, vielleicht war das ein Moment in ihrem Leben, wo sie die Kontrolle mal hätte aufgeben wollen. Keine Ahnung.
Das große Problem war aus meiner Sicht immer, dass wir nie ganz offen geredet haben haben. Ich habe sie einige male sagen hören, dass sie nicht mehr will, aber direkt zu mir hat sie nie über ihren Tod gesprochen. Früher, ja. Aber nicht in den letzten Monaten.
Ich wusste einfach nicht, ob ich das Thema anschneiden sollte. Vielleicht ging es ihr genau so. Aber alles was bleibt, sind Spekulationen. Es bleiben immer viele „wenns“ und „hätte“.

Ich finde es ganz wundervoll, dass du deiner Mutter noch von so vielen schönen Dinge erzählt hast. Und die Stärke gefunden hast, ihr zu erlauben zu gehen. Ich habe schon von vielen Menschen gehört, dass der Kranke in dem Moment verstarb, als man ihn loslassen konnte.

Liebe Mia,

ich habe nie wirklich Abschied genommen. Nicht, als sie krank war und auch nicht, als sie schon verstorben war.
Ich habe ihren Körper nur ganz kurz im Sarg gesehen, am Tag vor der Trauerfeier. Davon habe ich, glaube ich, auch schon erzählt. Es hat mir die Erkenntnis gebracht, dass Mama nicht mehr in diesem toten Körper ist. Und das hat mir ihren Tod sicher auch begreiflicher gemacht, als wenn ich ihren Körper nicht nochmal gesehen hätte. Dann wäre vielleicht immer das Gefühl zurückgeblieben, sie würde doch noch wiederkommen. Wie du schon sagtest, Mia, ich musste in diesem Moment die Realität annehmen.
Nein, aber so weiß ich, dass sie tot ist, und ihre Seele jetzt woanders ist. Ich bin froh, dass ich ihren Körper nochmal gesehen habe, denn so wußte ich am Tag der Trauerfeier, dass in dem Sarg nicht meine Mutter liegt. Und ich wußte, dass nur ihr Körper verbrannt wird, nicht meine Mutter. Versteht ihr?

Ich bin heute auf dem Friedhof gewesen. Auf Mamas Urnengrab liegen jetzt noch unsere Blumensträuße und ein Kranz. Die Platte suchen wir nächste Woche aus. Und ich habe da gesessen und darüber nachgedacht, wie absurd, ungerecht und ungehörig es mir immer noch erscheint, dass ich diesen Friedhof jetzt mit Mama in Verbindung bringe. Dass Mama jetzt ein Grab hat. Und ich habe gehofft, dass Mama weiß, wie sehr ich mir gewünscht habe, dass sie wieder gesund wird.

Ich höre jetzt erstmal auf. Ich würde jedem von euch gerne etwas tröstendes sagen, aber ich weiß ja selber, wie unmöglich das ist. Seid einfach alle lieb gegrüßt!

Eure Katrin
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