Einzelnen Beitrag anzeigen
  #85  
Alt 09.12.2007, 09:46
chris1952 chris1952 ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 03.12.2007
Beiträge: 15
Standard AW: leukämie und darmkrebs

Hallo Jeje und Ihr anderen lieben "Trostspender" 1

habe in einer meinen vielen schlaflosen Nächte, mal wieder in den Krebskompaß geschaut und bin dabei auf Euch gestoßen. Vieles hat mich an mein eigenes Schicksal erinnert und mich zum Weinen gebracht. Doch manchmal können sogar Tränen helfen!
Vor kanpp 6 Jahren war auch ich jeden Tag bzw. Nacht in dem Krebskompaß.
habe dabei meine beste Freundin gefunden, mit welcher ich noch heute, nach der langen Zeit, täglich Mails austausche.

ich selbst habe seit 1996 eine chronisch lymphatische Leukämie. Die ersten Jahre habe ich, außer den laufenden Blutkontrollen, nicht allzuviel davon gespürt. Mein Mann hat eigentlich mehr unter meiner Krankheit gelitten als ich. Er hatte furchtbare Angst, daß ich sterben muß, als ich die erste(ziemlich harmlose) Chemo bekommen habe. Das einige worunter ich wirklich litt, war der Umstand, daß ich sofort in Rente geschickt wurde. Damals war ich 44Jahre und arbeitete als Arztsekretärin. der Umgang mit den Menschen fehlte mir. Wir hatten Beide leider keine Familie, meine Tochter war schon kurz nach der Geburt gestorben.
Da ich immer die "Stärkere" war, sagte ich zu mienem Mann, daß wir einfach nicht an diese bescheuerte Krankheit denken sollen, denn nach Auskunft meines Hämatologen, hatte ich noch etliche Jahre zu leben.
Wir waren immer sehr tierlieb und so widmete ich mich nun, da ich viel Zeit hatte, meiner Hundezucht.
Zwei Jahre später bekam ich einen bösen Infekt, wovon ich mich nur langsam erholte. danach war die leukämie in das nächsthöhere Stadium gelangt.
Mein Mann, der niemals etwas von Hausarbeit wissen wollte, begann nun plötzlich, mir viele Hausarbeiten abzunehmen und beteiligte sich sogar an der Gartenarbeit.
Er selbst arbeitete in der technischen Abteilung eines Krankenhauses in Dresden und dort hatte man viel Verständnis, wenn er freinehmen wollte,um mich zu meinem Arzt zu begleiten.
das Haus, war meinem Mann sein Elternhaus, doch es war sehr groß, eigentlich viel zu groß für uns Beide. deshalb machte ich meinem mann 1999 den Vorschlag, daß haus zu verkaufen und uns dafür ein kleineres Häuschen zu kaufen. Er hatte dafür sofort Verständnis, denn er wußte, daß ich es eines Tage nicht mehr schaffe, alles in ordnung zu halten.
Im Juni 2000 zogen wir in unser ganz neues, aber wesentlich kleineres Haus ein. es war 30km von Dresden entfernt und mitten in einem Dorf. ich wollte gern auf dem Land leben und mein Mann nahm es auf sich, jeden Tag die 30km zu seiner Arbeit zu fahren.
Er war so stolz auf unser wirklich hübsches kleines Haus und wir lebten wie zwei Kinder im Urlaub. Wir alberten herum und hatten jede Menge Pläne.
Meine Leukämie "schlief" gerade mal wieder, es ging mir gut und ich war voller Tatendrang. Wir hatten gerade die letzten Arbeiten am Grundstück beendet, der Garten war von mir angelegt, es zogen wieder eine Menge Tiere ein und mein Mann hatte noch vor Wintereinbruch die Terrasse fertig gebracht.
In dem Dorf waren wir ganz herzlich aufgenommen worde, obwohl wir"Städter" waren und wir planten gerade mit unseren Nachbar, was wir Weihnachten und Silvester machen werden
Da brach am 13.11.01 das Unglück über uns herein. Mein Mann war während unserer 18jährigen Ehe niemals krank, er war vital, hatte immer gute Laune und er war wie ein großer Junge.
da er seit einigen Wochen ständig hustete und das gefühl hatte, einen Fremdkörper im hals zu haben, hatte ich ihm gesagt, daß er doch mal zum Röntgen gehen soll. da er genau wußte, ich lasse nicht locker, hat er es dann auch anfang November gemacht. Am 13.11., mein Mann hatte eine Woche frei und wir saßen gerade beim Kaffe, rief der Arzt an und sagte, er soll doch bitte so schnell als möglich zu ihm kommen. bei schlugen sofort sämtliche Alarmglocken, denn der Doc hatte gesagt, es muß was "Unklares" auf dem Röntgenbild abgeklärt werden.
Dann ging es Schlag auf Schlag und unsere kleine , heile Welt brach innerhalb weniger Tage völlig zusammen.
beim Arzt in DD bekam mein Mann eine Einweisungsschein in die Klinik zur Diagnostik. ich wußte, er hat Krebs, doch mein mann wurde böse als ich ihm meine Vermutung sagte.
Nach 4 tagen stand es fest, Magenkrebs in sehr fortgeschrittenem Stadium, schon in die Speiseröhre ragend! Er sollte sofort operiert werden.
Es war das Krankenhaus, in welchem ich früher gearbeitet habe und auch mein Mann arbeitete. deshalb sollte er vom Professor operiert werden. Als der mit uns über die OP sprach, glaubte ich, daß mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Es sollte eine sehr komplizierte OP werden, bei der nicht feststand, ob mein Mann lebend vom OP -Tisch kommt. der prof sagte, wenn die Op nicht gemacht wird, hat mein mann noch maximal 9Monate Zeit.
Mein Mann war aschfahl geworden, sagte kein Wort dazu, sondern nur, daß ich darüber entscheiden soll, ob er sich operieren läßt oder nicht.
Er hatte, wie so viele Männer, Angst vor jeder Spritze und nun sollte er so eine OP über sich ergehen lassen!!!
Doch ich wollte die 50%ige Hoffnung nicht aufgeben und entschied, daß er zur Op geht.
Uns blieben noch genau 4 Tage zeit. In dieser zeit wurden all unsere Tiere, bis auf den kleinen Dackel, welchen mir mein Mann kurz zuvor geschenkt hatte, in ein Tierheim gegeben. ich bekam in den Krankenhaus ein Gästezimmer, wo ich mit meinem kleinen Hund bleiben konnte, um immer in der Nähe meines Mannes zu sein.
Die Op war am 3.Dezmeber 01 und ich lief in diesen Stunden wie im Trance durch den Park des Krankenhauses, denn ich wußte nicht, ob ichmeinen geliebten Mann noch einmal lebend sehen werde.
Alle seine Kollegen kümmerten sich sehr um mich uns riefen auch nach dem Mittag in der Chirurgie für mich an. Da erfuhr ich, daß er überlebt hat, aber es auch Komplikationen gab und es sich erst in den nächsten 5 tagen entscheiden wird, ob er überlebt. ich durfte dann sogar an sein bett auf der Intensivstation. Er war gerade wach geworden, war aber noch intubiert und konnte nicht sprechen. da ich ja selbst viele Jahre in dem Kranknehaus als Personal gearbeitet habe, durfte ich ab dem nächsten tag meinen Mann selbst pflegen. Täglich war ich von früh 7Uhr bis abends 22Uhr bei ihm. Nur 3 kleine Pausen machte ich, um mit dem kleinen Dackel mal rauszugehen.
Mein Mann kämpfte, sagte auch immer, daß er keinerlei Schmerzen verspürt.
Doch am 5Tag nach der Op wurde ich vom Oberarzt zum gespräch bestellt.
Mann hatte gewebeproben untersucht und er sagte mir, daß fast alle Lymphknoten schon befallen sind und es bald Metastasen geben wird. Dort erfuhr ich dann auch, daß es das letzte Weihnachten sein wird, welches ich mit meines Mann verbringe. 12tage nach der Op durfte er das erste Mal wieder etwas essen und als es funktionierte, wurde er von der Intensivstation auf eine normale Station verlegt. Dort kämpfte er so sehr, zwang sich aufzustehen und sagte er möchte bald nach Hause. zu dem professor hat er gesagt, daß er doch nun schnell gesund werden muß, da ich doch so krank bin und ihn unbedingt brauche(das erfuhr ich erst nach seinem Tod)
er durfte tatsächlich über weihnachten und silvester noch einmal mit in unser schönes neues Heim. Ab dem 7.1.02 sollte er dann einen Port bekommen und die Chemotherapie sollte beginnen.
In der ganzen zeit, da er zu hause war, versuchte er immer, mich aufzuheitern und machte so wie früher, seine Scherze.
Doch einen tag bevor er wieder in die Klinik mußte, zog er sich an, es schneite gerade wie verrückt. dann ging er raus in den Garten. das ich ihn beobachte, merkte er nicht. Lange zeit stand er im Garten, sah sich das haus an, das neue Schwimmbecken, welches er noch gebaut hatte. es war so, als würde er von allen Dingen Abschied nehmen.
Nah der ersten Chemowoche wurde er noch einmal von seinen Kollegen über das Wochenende nach hause gebracht. Er sah ganz gelblich und wie Wasche aus. Er konnte kaum essen und wenn er aß, dann mußte er es wieder erbrechen. ich dachte, daß ist nach der Op normal.
Als er am nächsten Wochenende wieder nach Hause gebracht werden sollte, wartete ich stundenlang, dann rief ich in der Klini´k an und man gab mir zur Auskunft, daß es ihm im Krankenwagen"schlecht" geworden sei und er deshalb wieder auf die Station gebracht wurde. Doch er selbst ging nicht ans telefon.
Wieder schlugen alle meine Alarmglocken und ich sprang mit meiner gepackten tasche und meinem Dackel ins Auto und fuhr nach Dresden.ich bekam sofort mein gästezimmer wieder und ging dann zu mienem Mann. er war sehr schläfrig und sagte, es sei ihm im Krankenwagen "schwarz vór Augen" geworden, mehr wußte er nicht, nur das er nun heftige Kopfschmerzen hatte.
beim anschließenden Arztgespräch wurde mir gesagt, daß alles daraufhin deutet, auch das ständige Erbrechen, daß er eine Metstase im Kopf hat.
Es sollte am nächsten tag durch ein CT abgeklärt werden.
Die Untersuchung bestätigte die Vermutung und ich erfuhr auch, daß es meinem Mann nicht "schlecht" geworden war, sondern das er einen Krampfanfall bekommen hatte. ich hätte laut schreien mögen,warum nun auch noch das!!! Es war nun nur noch eine Frage der zeit, wann die ersten neurologischen Ausfallserscheinungen auftreten. Mein lebenslustiger Mann, sollte er nun etwa auch noch gelähmt werden oder blind????
ich hatte nicht den Mut, ihm diese niederschmetternde Diagnose selbst zu sagen und überließ es der ärztin. Doch ich stand dabei und es zerriß mich fast, als mein Mann bitterlich weinte und zu mir sagte, daß er nun nicht mehr will. Trotzdem konnte ich ihn überreden mit mir am kommenden tag, mit dem Krankenwagen in eine Radiologische zu fahren. Dort sollte er bestrahlt werden.
Es wurde erst mal ein Vorgespräch gemacht und eine Woche daruf sollte die erste bestrahlung folgen.
Wir mußten dann auf den Krankenwagen warten der uns wieder abholen sollte. In dieser zeit gingen wir ein bisschen an die Luft. Obwohl ich immer "stark" war, traten mir die Tränen in die Augen. Mein Mann sah es und umarmte mich, sagte zu mir, so schnell wirst du mich schon nicht los, ich werde schon noch 4 oder 5 Jahre bei dir bleiben. Ich denke, er wußte genau, daß es nicht der Fall sein wird.
Am nächsten tag, ich stand wie immer 6Uhr auf, ging mit dem Hund eine Runde und rief dann meinen Mann an. ich sagte ihm, daß es heute ein bisschen später wird, da ich erst noch seine zeitung kaufen muß. er antwortete ganz normal, mach bisschen schnell, denn ich bin schon mit dem Frühstück fertig und warte auf dich.
ich war 20Minuten später auf seiner Station. Dort wurde ich von der Stationsschwester aufgehalten, sie sagte, ich soll mal kurz warten. Erst dahte ich, es ist wegen der Visit, doch dann sah ich, daß die Tür des Zimmers meines Mannes offen stand und alle aufgeregt ein-und ausgingen.
Dann kam die Ärztin zu mir, sagte, daß mein Mann wieder einen Krampfanfall hatte, eine Schwester hat ihn gefunden als sie das Fruhstücksgeschirr aus dem Zimmer holen wollte. Weiter sagte sie, daß es "schlecht aussieht und ich mit dem Schlimmsten" rechnen muß. Ins das Zimmer durfte ich nicht, es war zu klein für die vielen Leute. Doch 10Minuten später holte mich die Ärztin und ich sah meinen mann ziemlich verkrümmt, mit offenen Augen auf dem bett liegen. seine Atmung und sein Puls hörten gerade auf...
Man ließ mich dann mit ihm allein und ich sollte mich solange ich wollte von ihm verabschieden.
Es war alles so unwirklich, gerade hatte ich doch noch mit ihm völlig normal gesprochen und nun war er tot. Es war mir unmöglich zu weinen.Ich saß lange auf seinem Bett, küßte ihm die Augen zu und versprach ihm, in seinem Sinn weiterzu leben. ich weiß nicht einmal wielange ich da gesessen habe.
bin jedenfalls aus dem Zimmer, bevor die Totenstarre einsetzt.Ich wollte ihn so weich und warm in Erinnerung behalten. Bei den ganzen Vorbereitungen für die Beerdigung halfen mir wiederum Kollegen. Mein Mann hatte den Wunsch nicht verbrannt zu werden und das mußte ich so akzeptieren.
Es waren unheimliche viele menschen zu der Trauerfeier da, doch ich sah fast nichts, nur diesen Sarg mit meinem Mann.
der Moment, als sein Sarg in das Grab gelassen wurde, war der allerschlimmste. Das war so etwas endgültiges. Als ich dann vor dieser Grube stand, hatte ich den Eindruck, daß ein Stück von mir dort mit begraben wird.

Seitdem bin ich nie wieder ich selbst geworden. Habe innerhalb von wenigen Monaten mehr als 30Kg abgenommen.
zu diesem zeitpunkt wurde ich ein paar Wochen später gerade 50Jahre. da wir beide uns immer genug waren, hatten wir auch keinen sehr großen wirklichen Freundeskreis. ich stand völlig allein da und als mir das bewußt wurde bekam ich Panik.
ich verkaufte zwei Wochen später unser schönes Häusschen, da ich glaubte, daß ich dort nicht eine Sekunde glücklich sein klönnte ohne meinen Mann.
Habe es später sehr bereut als ich in einer Wohnung in Dresden wohnte.
Mir fehlte nun nicht nur mein Mann, sondern auch mein garten, meine Tiere, die Nachbarn. Arbeiten durfte ich nicht mehr, also hatte ich den ganzen Zeit mein gehirn zu zermartern, wie es nun weitergehen soll.
In dieser zeit starb dann auch noch meine Pflegemutter, sie war die einzige Person mit der ich über alles sprechen konnte und an der ich sehr hing.

ich glaubte, daß alles nicht mehr ertragen zu können und machte den größten Fehler. ich versuchte zu verdrängen, nahm jede Abwechslung liebend gern an, Hauptsache ich mußte nicht an mein Schicksal denken.
So lebte ich 5Jhare lang. Meine leukämie ist zwischenzeitlich wesentlich schlechter geworden und ich vermisse meinen Mann so sehr. Es gibt niemanden, der mit mir zum Arzt geht oder mir das Leben erleichtert, wenn es mir schlecht geht.
Erst vor ein paar Monaten habe ich begonnen, mich von einem Psychologen betreuen zu lassen. Viel zu spät!!!!
Nun beginne ich jetzt, wo sich alles schon zum 6.Mal jährt, mit der Trauer und der Aufarbeitung.
Ab Januar soll ich eine Chemotherapie bekommen, da sich meine Blutwerte kaum noch erholen.
Nun frage ich mich immer wieder, wozu soll ich das über mich ergehen lassen, mich vermißt doch sowieso kein Mensch, wenn es mich plötzlich nicht mehr geben würde.

Das ist nun ein ganzer Roman geworden un dich hoffe, ihr verzeiht mir es.
Doch ich habe alle Eure Beiträge sehr aufmerksam gelesen und festgestellt, daß ich mir viele Fragen genau so stelle, auch noch nach den ganzen Jahren.
Warum wird einem der Mann weggenommen, wenn man doch selbst schon so eine besch....Krankheit hat. Er war immer hilfsbereit und nett zu anderen menschen, hat nie jemandem was Böses getan.
Wer bestimmt denn das, wer, wann zu gehen hat????
Meine Internetfreundin hat ihren Mann zur gelichen zeit wie ich an diese Krankheit verloren, ein Jahr später ihre geliebte Mama ebenfalls.
In Euren Beiträgen lese ich auch von solchen schlimmen Schicksalen.

ich beginne immer mehr, meinen Glauben zu verlieren, denn welches "überirdische Wesen" kann so grausam sein !?

ich wünsche Euch allen trotzdem eine schöne Adventszeit

liebe Grüße
Chris
Mit Zitat antworten