[Tristanne]

"Mach das und das, damit Du nichts bereust". "Versuche, soviel Zeit wie möglich mit Deiner Mutter zu verbringen, damit Du nichts bereust" oder: "Ich habe nichts bereut, ich war so und so lange bei meinem Angehörigen". Das waren Ratschläge, die ich immer wieder gehört habe. Ich frage mich heute: Geht es denn darum, daß wir Angehörigen etwas bereuen? Sollen wir so handeln, damit wir UNS nichts vorzuwerfen haben? Damit unserer Gewissen leichter wird? Ist das nicht zweitranging?
Ich war deswegen bei meiner Mutter, weil sie sie über alles liebe und nicht anders konnte und bei ihr sein mußte bis zu ihrem letztem Atemzug. Aus keinem anderen Grund.

Liebe Britta, ich denke, tief in Deinem Innersten weißt Du, daß Du schnell zu Deiner Mutter fahren solltest. Ich kann Deine Mutter verstehen, wenn sie nicht möchte, daß ihr auf ihren Tod wartet. Vielleicht will sie Dich auch nur schonen, weil sie Dich so lieb hat und Dir nicht zumuten möchte, es mitzuerleben. Ich kann Dir nur aus meiner Erfahrung sagen, daß es bei all der unendlichen Trauer ein Trost war, daß ich meine Mutter begleiten durfte. Dafür bin ich sehr dankbar.

Meine Mutter hat mir an einem Sonntag Abend gesagt, daß sie die nächste Woche nicht überleben wird. Am Dienstag Abend hat sie mich gefragt: "Welches Datum haben wir heute?" Ich habe geantwortet, es sei der 31.Juli. Sie hat geweint und ihr Kiefer hat nur noch gezittert, sie konnte oder wollte nicht mehr antworten, doch ich wußte, was sie sagen wollte... Am Freitagabend ist sie sanft eingeschlafen.

Ganz viel Kraft wünsche ich Dir und alles alles Liebe,
Tristanne