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Alt 08.10.2007, 00:17
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Ein Jahr später, Zeit DANKE zu sagen

„Es wird besser, wenn das erste Trauerjahr erst einmal vorbei ist“ Ach tatsächlich? Seit Wochen drehen sich nun wieder meine Gedanken ausschließlich um diesen letzten Abschied. Nein, es wird nicht besser. Oder vielleicht doch? Wenn, dann höchstens wie Rosenstolz singt: Alles wird besser, doch nie wieder gut!

Es wird nie wieder gut. Das ist mir mittlerweile klar geworden. Drei Jahre ohne meinen geliebten Mann, jedenfalls körperlich. Denn noch immer dominiert er in meinen Gedanken und Gefühlen, noch immer vergeht kein Tag, an dem ich keine Zwiesprache mit ihm halte, an dem ich ihn nicht vermisse.

Vieles wird besser, doch nie wieder gut. Die Lücke, sie schließt nicht, manchmal habe ich das Gefühl, dass sie doch eigentlich für jeden sichtbar sein muss. Aber das ist sie nicht und auch das ist ein Grund, weshalb es nie wieder „gut“ wird.

Verändert bin ich, zweifelsohne. Ich bin nicht mehr die, die ich vor dem Tag X war, habe mich bereits in den kurzen verbleibenden 8 Monaten seit Diagnosestellung verändert. Taktlosigkeiten, Unvermögen zu verstehen, Sprüche, die die Welt nicht braucht. Klar, man nimmt sie zur Kenntnis. Bei einigen verletzt es sogar. Aber wichtig ist es nicht mehr, schon lange nicht mehr. Wichtig war mein Mann, unser Leben, unsere Liebe. Das war wirklich wichtig. Ich wollte nicht sehen, wollte nicht hören, wollte nicht lesen, was es zu sehen zu hören und in den Arztberichten zu lesen gab. Weil nicht sein konnte, was nicht sein durfte.

Und doch, das Schicksal fragt nicht, das Schicksal fordert, das Schicksal verlangt, dass du mit ihm fertig wirst. Ohne wenn und aber. Keinen Pakt mit Gott, auch keinen mit dem Teufel. Es gibt nichts, was uns unser Leben hätte retten können, was wir hätten tun können, um mir meinen Mann, unseren Kindern den Vater, meiner lieben Schwiegermutter den Sohn und meiner tollen Schwägerin den Bruder zu retten. Wir müssen damit weiterleben, dass wir sein spitzbübisches Lachen, seinen scharfen Humor, seine wunderschönen Augen, seine sanfte Stimme (nein, er konnte nicht laut werden…) nur noch in unserem Herzen tragen. Wir werden ihn nie wieder sehen, nie wieder hören, nie wieder berühren.

Das „nie wieder“ es hat in diesen drei Jahren nichts an seiner Schärfe verloren. Es tut noch immer so unerträglich weh, an manchen Tagen schickt es mich zurück in die Abgründe des Trauerlochs und ich stehe am Anfang. Möchte mich verkriechen, möchte in meinen eigenen Tränen ertrinken, fühle den körperlichen Schmerz wie am ersten Tag.

Die Sicherheit ist weg gebrochen. Es war alles so leicht mit ihm. Manches mal habe ich tatsächlich gedacht: Wir schaffen es sogar, nur von Luft und Liebe zu leben. Es schien alles kein Problem zu sein, wenn wir uns nur lieben. Aber offensichtlich vermag die Liebe dann doch nicht alles, das haben wir alle, die hier lesen und schreiben am eigenen Leib gespürt.

So vieles ist geschehen, seit mein geliebter Mann nicht mehr hier auf dieser Erde lebt. Der Absturz war enorm. Finanzielle Engpässe, schulische Einbrüche, Antriebslosigkeit. Und dann das Aufbäumen. „Das hätte er nicht gewollt“. Ärmel hoch und vorwärts, woher die Kraft kam, ich kann es heute nicht mehr sagen. Ich weiß es nicht. Oder war es wieder die Liebe? Die Liebe zu meinen Kindern und letztlich auch die Liebe zu Claus, der Wille, unser Leben nicht zu verraten? In seinem Sinn weiterzumachen?

Unsere Kinder, so großartige Menschen, wir sind zusammengewachsen in dieser Zeit. Die Familie ist nicht zerbrochen. Keiner auf die schiefe Bahn geraten. Und selbst ich habe es geschafft, mich beruflich zu verbessern. Einen Job zu finden, der mir Erfüllung und tatsächlich auch mehr Gehalt einbringt. Eigentlich geht es mir gut.

Eigentlich….Alles ist besser, doch nicht wieder gut!

Ja ich drehe mal wieder meine Gedankenrunde. Der Jahrestag, wieder ein Jahr. Und noch habe ich das Bedürfnis hier zu schreiben und auch heute habe ich wieder das Bedürfnis, DANKE zu sagen.

DANKE allen Schreiber/innen am Stammtisch. Für jedes Piep, für jeden Beitrag, der unsere virtuelle Gemeinschaft nicht dauerhaft im Untergrund verschwinden lässt. Wir haben es schon öfter geschrieben: Ich brauche den Austausch noch immer, ich brauche EUCH noch immer.

DANKE Petra. Auszeit, kein Schlussstrich! Ich bin sicher, dass wir irgendwie doch dasselbe meinen. Auge in Auge wäre es leichter, ganz gewiss. Hin und wieder wirken geschriebenen Worte wie Giftpfeile. Bestimmt nicht unsere Absicht. DANKE für die Geste im Forum, ich denke, ich habe sie richtig verstanden.

DANKE meine liebe Barbara. Auch in diesem Jahr meine Gedanken besonders bei dir. Es ist etwas stiller geworden zwischen uns. Beide am (davon)Rennen. Aber ich fühle deine Gedanken und ich hoffe, du die meinen auch noch immer. Wie wär`s ?

DANKE meine liebe Briele. Der rege Gedankenaustausch noch immer zwischen uns. Du fehlst mir sehr, handschriftlich tue ich mir so schwer. Hoffe sehr, dass sich da wieder etwas ändert und unsere Unterhaltungen wieder regelmäßiger werden. Vermisse deinen trockenen Humor und die wunderbaren Formulierungen, die auch so manch schwierige Angelegenheit so auf den Punkt bringen. Eine wahrhafte Bereicherung, dich zu kennen.

DANKE meine beste Freundin Bruni. Ein Jahr der großen Veränderungen, findest du nicht? Wir haben große Schritte gemacht, fast schon richtige Sprünge. Du hast mir etwas geschenkt: Erinnerungen im neuen Leben, die mir helfen das Tier zu verscheuchen. Tatsächlich mit dir kann ich lachen wie vor dem Tag X. Bei dir ist sogar fast nichts von der toten Stelle der Seele zu spüren, klar, muss nichts erklären. Ich bin verändert, irgendwie, irgendwie verändert so wie du. Gemeinsam haben wir uns auf gemacht, das neue Leben zu erobern. Wir dürfen das jetzt! Unsere T-Shirts! Höhenflüge und tiefe Abstürze. Die Abstürze zurück ins Trauerloch, der Preis für die Liebe, die wir im alten Leben fühlen durften. Keine Strafe für das sich gut fühlen nach dem Tag X. Lassen wir sie zu, die gesamte Palette unserer Gefühle. Sie gehören zu uns, wird nie wieder anders sein. Wir sind verändert, irgendwie. Und Erklärungsversuche an die Welt da draußen, nein wir sollten es lassen!
An Geburtstagen darf man sich was wünschen, stimmt`s? Claus dritter Geburtstag in seinem neuen Leben und ich wünsche mir noch endlos viele Tavernen- Cocktail - Rosenstolz – Neckarufer - Flughafen – und unter dem Kühlschrank- Stunden mit dir und unser Mädchenlachen. DANKE, dass es dich gibt!

DANKE mein wunderbarer Mann im neuen Leben. So viel Chaos in deinem neuen Zuhause, selten Ruhe, leider auch selten Ordnung. Oft frage ich mich, ob es dir dann nicht doch ein bisschen zu viel Leben ist.. Ob du geahnt hast, auf was du dich da einlässt? Ja, ganz klar: Zu gut für diese Welt. Wenn wir dir nur einen Teil von dem zurückgeben, was du uns gibst. Du hast es verdammt schwer mit mir. Ich weiß es. Möchte es manchmal anders, aber ich kann nicht immer wie ich will. Noch immer zu viel Aufstampfen, noch immer zu viel WARUMS. Aber ganz sicher, es fühlt sich richtig an mit dir, es fühlt sich rund an. So viel haben wir erlebt im letzten Jahr. Verbunden in der Trauer, weißt du so oft, was meiner Seele gut tut. Deine Ideen, spontan aus dem Bauch. Nein keine Flaschenpost in diesem Urlaub, aber welche Kraft hatte dieses Symbol, den Fußball zu beschriften, ihn weit aufs Meer zu kicken. Leise Momente, so unglaublich bedeutend. Trauerarbeit, noch immer. Deine tote Stelle in der Seele, auch wir können die Lücke nicht schließen. Auch bei dir wird sie bleiben, ebenso wie bei uns. Neue Zeitreise, Grönemeyer wusste es vor uns. Und die neue Zeitreise mit dir an unserer Seite hält viele schöne neue Erinnerungen bereit, wertvolle Gespräche und Schweigen ohne Peinlichkeit. DANKE, dass du das Abenteuer Familie noch mal eingehst, mit allen Höhen und Tiefen, vielleicht sogar höheren und tieferen als bei „normalen“ Menschen. Bleib bitte noch ein bisschen! Du machst unser Leben so viel bunter, ja Steffen, du machst mich glücklich.

DANKE meine Familie, meine Schwägerin, meine Schwiemu, meine Nichten und mein Schwager. Ihr seid bei mir geblieben. Habt mir nicht das Gefühl gegeben, nicht mehr dazu zu gehören. Fast unverändert. Verbunden im gleichen Schmerz um denselben geliebten Menschen, der uns allen etwas anderes war, der uns allen wichtig und wertvoll ist. Ihr seid geblieben, so wie der Schmerz und die Liebe zu Claus.

DANKE natürlich meinen wunderbaren Kindern. Ein seltenes Glück, euch alle noch im Nest zu haben, euch in meiner Nähe zu spüren, auch hier mit Turbulenzen. Euer Bleiben ist ein großes Lob an Papa und mich. Offensichtlich haben wir euch ein gemütliches Nest gebaut, eines, in dem ihr euch nicht verbiegen müsst, auch wenn ich gewiss des Öfteren nerve. Eines, in dem ihr euch bedingungslos geliebt fühlt, selbst wenn manche Dinge recht kritisch ausdiskutiert werden müssen. Das ist ein schöner Gedanke. Durch euch spüre ich so viel Seelenfrieden, spüre so viel Papa im Haus. Micki, dein trockener Humor, deine schnellen Giftpfeile aus Worten, Saskia, dein Mund, deine Augen und ganz wichtig deine Füße, Selly dein wunderbares Lächeln, deine Ruhe und Gemütlichkeit, aber auch deine Wutausbrüche, wenn nach langer Zeit dein Geduldsfaden reißt, und Maxi, du Schlawiner, deine Fähigkeit, dir unwichtige Dinge einfach nicht wichtig zu nehmen. Ja, unendlich viel Papa lebt durch euch weiter. Ich hoffe so sehr, dass ich euch über meinen eigenen Schmerz nicht alleine gelassen habe, dass ihr immer wisst, dass ich da bin, wenn ihr mich braucht, dass ich euren Schmerz ernst nehme. Ich liebe euch, jeden einzelnen, jeden so wie er ist, tatsächlich bedingungslos!

DANKE auch drei Jahre nach dem Tag X Dir, mein geliebter Mann. Die Dankbarkeit für das, was du mir bist, wird niemals enden. Meine große Liebe, lange Jahre und doch so schrecklich kurz. Ich musste bleiben, muss mit deinem Tod weiterleben. Ich bin verändert. Durch dich verändert, durch das, was mit mir geschehen ist durch deinen Tod. Du hast mich begleitet, ich habe dich gespürt, spüre dich noch heute täglich. Du hast mich nie alleine gelassen. Ich bin mit dir gegangen hier auf der Erde, solange es mir möglich war. Dann musste ich dich gehen lassen, alleine auf die andere Seite des Regenbogenlandes. Du bist mit mir gegangen auf dieser Erde, solange es Dir möglich war. Dann musstest du mich alleine weitergehen lassen hier auf dieser Seite. Meine griechische Signatur hier im Forum, sie steht noch immer für meine Sehnsucht nach dir: „Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι….
και δεν επέστρεψες -----Wo bist du jetzt, da ich friere und Angst habe…. Und du kommst nicht zurück…“. An manchen Tagen kann ich es noch immer nicht glauben, sehe dich hin und wieder unvermittelt in einem Geschäft, in einem Auto, nur Sekunden und dann kommt das schmerzliche Erkennen. Aber ist es nicht auch der Beweis, wie nah du mir bist? Noch immer halte ich Zwiesprache mit dir, suche deinen Rat, rufe mir dein Lachen in Erinnerung, weiß um deine Zustimmung und deine Kritik. Ich gehe weiter, alleine, ohne deinen Körper, im festen Glauben, dass Du Recht hast damit, dass Zeit für dich keine Rolle mehr spielt. Neue Zeitreise, hab meine Frist verlängert (Grönemeyer), habe einen wunderbaren Partner an meiner Seite, der sich liebevoll um deine Familie kümmert, ich bin mir deiner Zustimmung gewiss, kannte dich so lange. Weiß, wann du vielleicht dort wo du jetzt bist, schmunzelst, er ist dir so ähnlich und doch in so vielen Dingen zum Glück so anders. Kein Ersatz, eine neue Chance im neuen Leben.
Das dritte Jahr ohne dich war geprägt von Rosenstolz – Texten. Einsichten, von ihnen formuliert, so passend auf unsere Situation. „Ich geh in Flammen auf“, manches Mal hat sich das Leben zum Glück wieder so angefühlt. „Lachen, hast du mir gesagt“. Botschaften, als wären sie von dir. „Verneig dich vor dir selbst“, wenn die Zweifel kommen, ob ich wirklich alles für dich getan habe. Ja, ich verneige mich vor mir selbst, vielleicht hätte ich manches besser machen können, aber ich habe es so gut gemacht, wie es mir und nur mir alleine möglich war. „Zersäg den Ast auf dem du sitzt, spring ab, fang an zu laufen“ oder auch „halt ich an, bleib ich nur stehen.“ Ermahnungen an mich selbst, immer wenn ich diese Texte höre, ja, ich muss weitergehen, kann nicht festhalten, was vorbei ist. Nicht DICH loslassen, aber aufhören im gestern zu verharren. Den neuen Platz finden! Weiter gehen, weiter leben, weiter lieben mit dir in meinem Herzen.

Und auch jetzt, nach drei Jahren tut es noch immer so schrecklich weh, wir vermissen dich so sehr, du fehlst! Und so schließe ich den Kreis, eben: „Alles wird besser, doch nie wieder gut…“

So bleibt die Sehnsucht nach dir und die Hoffnung, dass du an meinem Tag X wieder an meiner Seite bist, mein treuer Freund und Wegbegleiter, gestern und heute, mein geliebter Mann. Denn eines ist sicher: Liebe kennt keine Zeit ( Brian L. Weiss)

Ich liebe dich Claus, habe dich immer geliebt und werde dich immer lieben.

Deine Frau Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες

Geändert von AndreaS (11.11.2007 um 00:09 Uhr)
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