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Alt 05.08.2007, 19:03
der_weg der_weg ist offline
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Standard AW: Neu hier und viele Fragen...

Hallo Sunshine,

also in meiner familie sind zwei tanten betroffen. die eine hat magenkrebs und die andere pankreaskrebs mit lebermetastasen. zu der mit dem magenkrebs habe ich ein engeres verhältnis und von ihr hab ich auch die meiste zeit erzählt. zu der anderen ist das verhältnis eher distanziert. ich erfahre da auch eher über berichte von dritten wie es ihr geht.
dennoch ist es sicher nicht so eng wie bei dir, da sie eben "nur" meine tante ist und mich nicht wie eine mutter groß gezogen hat. meine mutter ist glücklicherweise gesund.
ich hab die diagnose von beiden kurz hintereinander erfahren. es waren vielleicht zwei wochen dazwischen. es war letztes jahr um weihnachten herum. die diagnosen haben mich anfangs schon sher getroffen und ich habe den ganzen tag an nichts anderes denken können. es war als ob alles kopf steht.
allerdings habe ich das mittlerweile verarbeitet und es ist wieder der alltag eingekehrt. glücklicherweise ist es in beiden fällen ja bisher ganz gut gelaufen. ich denke es wäre anders, wenn es einen sehr dramatischen verlauf gegeben hätte.
die mit dem pankreas CA hat sich wohl anfangs selbst schon fast tot geglaubt. ich weiss aus dem studium, dass das eine extrem schlechte prognose hat. allerdings hat es sich selbst da relativ gut entwickelt. das macht natürlich hoffnung. da wusste ich anfangs auch nicht wie damit umgehen, weil ich vorher auch nur wenig kontakt mit ihr hatte, und mich jetzt wo sie krank ist plötzlich bei ihr melden fand ich dann auch irgendwie nicht angebracht. sie hat allerdings auch leute, die sie unterstützen. von daher weiss ich dass sie in guten händen ist.
wenn ich mal etwas höre staune ich selbst, wie gut sie sich nur mit palliativer chemo und hyperthermie behandlung hält. ich kann ihr nur wünschen dass es noch eine weile so weiter geht und sie ihr leben noch ein bisschen genießen kann. sie hatte es auch nicht gerade leicht und hat vorher schon zu depressionen geneigt.

mit meiner anderen tante war das verhältnis auch vorher schon etwas enger und herzlicher, und es hat sich durch die krankheit sogar noch intensiviert.
da bin ich näher dran; ich habe sie im kh und in der reha besucht; hab ihren bericht gelesen, usw. sie ist aber auch ein ganz anderes typ; sehr aufgeschlossen und herzlich. sie hat die schöne fähigkeit ihre krankheit von anfang an anzunehmen. sie meint immer: "es ist nunmal so, was soll ich machen ? jetzt muss ich kämpfen!"

viel durchmachen mussten sie beide.
wirklich mitbekommen habe ich es aber nur bei der tante mit dem magenkrebs. und die haben sie wirklich mit chemo bombardiert. die dauerchemo, die sie auch zu hause tag und nach mit sich herum trug und dann noch alle zwei wochen das cisplatin, wozu sie in die klinik musste.
nach der op haben sie sie auf der chirurgie dann ziemlich allein gelassen. sie hatten ihr den magen entfernt und niemand erklärte ihr wie sie jetzt essen soll. das waren mit sicherheit gute chirurgen, aber die konnten halt nur operieren; mit der nachbetreuung kannten die sich gar nicht aus. wie sie essen soll hat man ihr dann erst wochen später in der reha erklärt.
in der reha hat sie sich sehr wohl gefühlt. da konnte sie mal nur was für sich tun. nächste woche wird sie entlassen, dann kommt die erste kontrolle. ich hoffe sehr, dass sie nichts finden.

Mir gings wie gesagt anfangs auch nicht besonders gut; allerdings habe ich mich dann wieder gefangen. Es ist sicher auch noch etwas anderes da sie mich ja nicht groß gezogen hat. Aber auch ihre Kinder und ihr Mann haben sich nach dem ersten Schock wieder gefangen. momentan leben wir alle unser leben weiter. es ist anderes als vorher, aber es geht weiter. die situation ist bei uns auch eine etwas andere, da sie ja kurativ (also mit heilungsabischt) behandelt wurde und wir hoffen dass sie es jetzt hinter sich hat. es ist sicher nochmal ganz etwas anderes wenn man weiss, dass jemand nicht mehr gesund werden wird und es ihm sichtlich so schlecht geht.

Was mir auch geholfen hat ist mein wissen. ich bin ja nicht das erste mal im leben damit konfrontiert worden. meine großeltern starben an krebs und ich studiere ja medizin und habe mir schon als kind gedanken darüber gemacht, warum einige leute krank werden und andere nicht. das ist sicher eher ungewöhnlich und es wäre vielleicht besser für mich gewesen, wenn ich mich nicht so frph mit solchen themen beschäftigt hätte. aber es steckt in mir drinnen; ich war schon immer ein sehr nachdenklicher mensch.
darüber hinaus habe ich schon praktika auf der onkologie gemacht. ich habe junge menschen gesehen, denen man zum teil nichts an sah und die metastasen hatten und statistisch gesehen noch eine lebenserwartung von einem halben jahr. ich hab schon bevor das mit meinen tanten passierte dinge gesehen, von denen man normalerweise denkt, die passieren nur weit weit weg von einem selbst. dinge, die unwirklich erscheinen, wenn man darüber nachdenkt. als es dann in meiner umgebung passierte war es dann natürlich nochmal etwas völlig anderes. ich hab den befund meiner tante gelesen und es klang genauso bedrohlich wie die befunde, die ich in der klinik bei patienten las. dann sah ich wie gut es ihr noch geht und was für einen lebenswillen sie hat und konnte das, was ich sehe gar nicht mit dem befund überein bringen.
aber ich bin durch die vorerfahrtung nicht ganz so unsicher... ich kenne sowohl die möglichkeiten als auch die grenzen. es nimmt schon einen teil der hilflosigkeit wenn man weiss was passiert.

mit hospizdienst habe ich noch keine erfahrung. ich weiss aber dass die auch mehr machen als reine sterbebleitung, also auch schmerztherapie und psychologische unterstützung usw. anbieten. ich weiss aber nicht, wann die anfangen; also ob so ein befund reicht um die einzuschalten oder die erst aktiv werden, wenn klar ist dass jemand in der nächsten zeit sterben wird.
es ist aber sicher einen versuch wert sich mal zu erkundigen, was für hilfe man von denen bekommen kann und ab wann die tätig werden. in jeder guten klinik gibt es auch eine sozialarbeiterin, die sich mit solchen fragen auskennen müsste.

lg, sophie
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