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Alt 04.08.2007, 17:32
der_weg der_weg ist offline
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Standard AW: Neu hier und viele Fragen...

Hallo Sunshine,

mir geht es genauso, dass ich wenn ich krank wäre, es auch alles ganz genau wissen wollte. nur es geht eben jeder mensch anders damit um. das fällt schwer, das zu akzeptieren; das kann ich verstehen.
mir fiel es auch schwer und ich konnte es anfangs überhaupt nicht verstehen, dass meine tante sich nicht für ihren befund interessierte. dann habe ich festgestellt, dass sie sich ihre sicht von der welt aufgebaut hat und wahrscheinlich nichts hören will, was diese sicht in frage stellt. sie ist sehr überzeugt von sich und ihrer familie, die sich um sie kümmert und sie meint ihre positive einstellung reicht um es zu schaffen. es würde nicht in ihre welt passen, wenn sie sich jetzt mit "fakten" wie prozentzahlen und befallenen lympthknoten befassen müsste. für sie ist das wichtigste die einstellung; die ganzen befunde hält sie für sekundär. für sie steht im mittelpunkt, dass sie ihr leben weiter leben will. sie war auch schon vorher ein mensch, der nicht viel nachgedacht hat und sich lieber mit dem hier und heute befasste. und im grunde genommen ist sie so auch ganz gut dran. vielleicht sogar besser als die leute, die jeden befund ganz genau wissen wollen.

was ist deine tante für ein mensch ? eher ein nachdenklicher oder eher jemand, der sehr im jetzt lebt ?
dass sie vorher schon mit depressionen zu kämpfen hatte, macht es sicher nicht leichter. weisst du warum sie so resigniert ist ?
es ist schon ohne krankheit schwer bis unmöglich, jemanden mit depressionen davon zu überzeugen, dass das leben schön sein kann. mit krankheit wird das natürlich noch schwieriger. es kann aber auch eine chance sein. vielleicht lebt sie wieder intensiver, wenn sie weiss, dass es nicht mehr so lange geht.
es stimmt, es wäre nicht gut, ihr falsche hoffnungen zu machen. sie wird auch selbst wissen, in welcher situation sie ist.
wahrscheinlich hilft es em ehesten, wenn du versuchst mit ihr über etwas anderes zu reden als über die krankheit; ihr versuchst mit kleinen dingen eine freude zu machen und sie ein bisschen abzulenken, wartest, bis sie von selbst etwas erzählt.

wie oft du sie anrufen kannst frage sie am besten. oder versuch es durch ihre reaktion herauszufinden. die anrufer bei meiner tante war eher der bekanntenkreis, der damit nicht umgehen konnte; mit engen angehörigen hat sie schon regelmäßig gesprochen.
wenn du nicht öfter als einmal am tag anrufst und sie nicht jedes mal nur nach befunden fragst, wird es sicher in ordnung sein.

es wird sicher stimmen, dass die ärzte vorher keinen krebs gesehen haben; wenn sie welchen gesehen hätten, hätten sie anders gehandelt. wurden bei den darmspiegelungen biopsien genommen ? an der biopsie kann man nämlich erkennen, ob es krebs ist oder eine entzündung. hat sie gegen die entzündung medikamente bekommen ? wie lange liegen denn zwischen der letzten spiegelung und der kerbs diagnose ?
es ist gut möglich, dass sich aus einer entzündung ein krebs entwickelt. allerdings braucht das eine gewisse zeit.

wie viele nebenwirkungen eine chemo hat hängt immer davon ab, was für eine chemo es ist. die richtig starken chemos werden immer stationär gemacht; von daher schätze ich, sie wird eher eine "leichte" chemo bekommen.
trotzdem kann ihr davon übel werden. gegen die übelkeit gibt es medikamente, die vor der chemo gegeben werden.
höchstwahrscheinlich wird sie sich nach dem chemo tropf erstmal ein bis zwei tage schwach fühlen und viel schlafen; danach geht es dann wieder.
am besten ist, wenn sie jemanden hat, der sie zur chemo hin fährt und abholt. vielleicht lässt es sich ja irgendwie organisieren ?
auch wenn ihr mann nicht der typ ist, der sich viel um sie kümmern wird; vielleicht kann er sie ja wenigstens abholen ?
arbeiten wird sie wahrscheinlich erstmal nicht mehr können. ob sie den alltag bewältigen kann, hängt von ihrer verfassung ab. meine tante konnte ihren alltag noch bewältigen; ist von der arbeit jedoch krank geschrieben. sie darf frühestens 18 monate nach der diagnose wieder anfangen zu arbeiten. das wäre nächstes jahr im frühjahr.
prinzipiell kann man auch mit chemo den alltag bewältigen. nur wenn die krankheit weiter fortschreitet wird sie irgendwann hilfe brauchen. allerdings kann dir ja niemand sagen wann das sein wird. im günstigsten fall schlägt die chemo gut an und sie hat noch ein paar jahre, wo es ihr relativ gut geht.
gegen die schmerzen gibt es medikamente. wenn sie welche benötigt wird der arzt ihr sicher was verschreiben. hat sie denn im augenblick schmerzen ?

du kannst nichts tun als für sie da zu sein. und ich denke, es wird dir auch trotz entfernung gelingen ihr das zu signalisieren. wenn du unsicher bist, ob du ihr das rüber bringen kannst, schreibe ihr vielleicht einen brief.
wenn sie im alltag hilfe braucht; vielleicht kannst du ja helfen ihr etwas zu organisieren... freunde, bekannte, pflegdienst, ... normalerweise wird in den kliniken auch darauf geachtet, dass die versorgung im alltag sicher gestellt ist, bevor jemand entlassen wird.

liebe grüße und alles gute
sophie
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