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Alt 04.08.2007, 09:40
der_weg der_weg ist offline
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Standard AW: Neu hier und viele Fragen...

Hallo Sunshine,

ich bin wie Du auch Angehörige und auch meine Tante hat Krebs. Ich studiere Medizin; weiss also ein bisschen was über die Erkrankungen; allerdings bin ich kein facharzt und kann nicht auf alles eine richtige Antwort geben.
Die Diagnose ist am Anfang immer ein Schock und alles steht Kopf. So war es auch bei uns. Meine Tante wollte anfangs alle schützen und hat sogar ihren eigenen Kindern nichts von der Diagnose erzählt. Erst als es nicht mehr zu verheimlichen war hat sie mit ihnen gesprochen. Allerdings hatten sie es schon geahnt. Sie hat Magenkrebs. Bei der Diagnose ohne Metastasen; allerdings schon in einem lokal fortgeschrittenen stadium. Sie hat dann drei Chemoblöcke bekommen, dann OP, dann nochmal Chemo. im moment ist sie in der reha und es geht ihr den umständen entsprechend gut. sie ist ein mensch, der die anderen nicht gerne mit ihren problemen balastet und war deswegen auch immer sehr tapfer. sie ist glücklicherweise positiv an die sache heran gegangen und hat bisher alles relativ komplikationslos überstanden. es blebt nur die angst vor dem rezidiv.
ähnlich wie deine tante wollte sie auch nicht alles wissen. sie hat nie nach ihren chancen gefragt; sie hat sich stattdessen lieber gesagt, dass sie es schaffen wird. dadurch dass ich medizin studiere konnte ich das alles besser einordnen als jemand, der sich noch nie damit befasst hat, und hab nachgeguckt, wie die chancen sind. 5 jahres überlebensrate maximal 20% !!!
wenn ich so sehe wie gut sie sich erholt hat und wie stark sie ist, habe selbst ich probleme mir das vorzustellen, dass sie statistisch gesehen relativ schlechte chancen hat. es würde ihr nichts nützen, wenn ich es ihr sagen würde. außerdem sind das nur zahlen, und der einzelfall kann immer anders aussehen. ich denke, sie möchte es nicht wissen, um sich selbst zu schützen.
sie hat auch nie nach dem histologischen befund von der OP gefragt. ich hab ihr ein paar mal gesagt, sol sollte vielleicht mal fragen; in dem moment sagte sie mir, ja sie fragt, aber sie hat es dann immer wieder "vergessen". mittlerweiole frage ich sie nicht mehr danach. ich denke, sie möchte sich nicht damit auseinandersetzen und wahrscheinlich ist es besser so. sie hat alle berichte zu hause, weiss aber nicht was drinnen steht, obwohl sie ja rein gucken kann, wenn sie möchte.

als angehörige möchte man natürlich immer alles genau wissen; das kann ich verstehen, es geht mir auch so. aber man muss rücksicht darauf nehmen, wie der betroffene damit umgehen möchte. man sollte denjenigen nicht drängen.
wahrscheinlich muss deine tante erstmal selbst damit fertig werden. da sie schonmal eine krebserkrankung hatte, kommen da sicher auch die erinnerungen und ängste wieder hoch; und das macht es natürlich noch viel schwieriger. am besten du lässt ihr erstmal ein bisschen zeit. vielleicht erzählt sie auch irgendwann von selbst, wenn sie das für sich erstmal verarbeitet hat.
wahrscheinlich kann niemand von uns nicht-betroffenen wirklich begreifen, was in ihr vor geht. auch wenn man sich mühe gibt, sich hinein zu versetzen; es kann immer nur teilweise gelingen.
es ist verständlich dass es ihr nicht gut geht. und es ist schwer daneben zu stehen und nichts tun zu können. das kann ich sehr gut nachvollziehen.
das beste ist wohl zu akzeptieren, wie sie damit umgehen möchte und einfach nur für die da zu sein. wahrscheinlich hat sie auch angst, dich zu sher zu belasten.

meine tante hat kurz nach der diagnose dauernd anrufe bekommen, die alle entweder wissen wollte wie es ihr geht, oder ins telefon geheult haben, obwohl meine ja eigentlich die kranke ist. die musste sie dann auch noch trösten ! sie ist eine ganze weile nicht mehr ans telefon gegangen, weil es sie völlig überfordert hat.
mittlerweile ist mehr oder weniger wieder der alltag eingekehrt.

eine ambulante chemo läuft so ab, dass sie wahrscheinlich erstmal einen port gelegt bekommt, und dann vielleicht einmal die woche in eine praxis geht, dort ihren chemo tropf bekommt, und danach wieder nach hause kann.

zu der erkarnkung ist schwer was zu sagen, da ich die details ja nicht kenne.
weswegen sollte sie denn am darm operiert werden ? hatte man schon vorher schon eine darmspiegelung gemacht ? da müsste man einen tumor eigentlich sehen können.
die metastasen können von einem rezidiv vom brustkrebs kommen; können aber auch aus dem darm kommmen. das lässt sich nur durch eine histologische untersuchung heraus bekommen. die histologie entscheidet welche art von chemo so bekommt, aber für euch hat es eigentlich keine relevanz ob das nun aus der brust oder aus dem darm kommt. die situation bleibt dieselbe.
die situation ist ziemlich ernst; das weisst du; und deine tante wird es auch wissen. allerdings sollte man die hoffnung nie aufgeben. wenn sie auf die chemo gut anspricht kann sich auch noch einige jahre leben. es gibt statistiekn, die sagen, was in so und so viel prozent der fälle passiert, aber der einzelfall kann immer vollkommen anders aussehen. was wirklich passiert weiss niemand. auch die ärzte nicht.
meine tante hat immer ihre berichte mit bekommen. wenn deine tante auch den bereicht bekommt, kannst du den vielleicht mal lesen; da wird wahrscheinlich genaueres drinnen stehen.
die meisten ärzte erzählen das nur ganz genau, wenn der patient selbst fragt.
vielleicht kannst du sie ja mal zum arzt begleiten und mit dem arzt sprechen.

ich hoffe ich konnte wenigstens ein bisschen helfen.
ich wünsche euch alles gute
sophie
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