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Alt 24.07.2007, 06:00
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Jutta Jutta ist offline
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Standard AW: Meine Mom hat Darmkrebs

Hallo Barbara,

Ich kann deine Worte so gut verstehen, stand ich vor ein paar Jahren an deiner Stelle mit meiner Mutter. Sie war eine resolute, vitale, und immer unabhängige Frau, die ihr Leben meisterte und jeden Tag unterwegs war. Drei Jahre zuvor zogen meine Eltern zu uns, als mein Vater an seinem letzten Rezidiv erkrankte.

Kaum hatte meine Mutter das Alleinsein etwas überwunden, bekam sie eine ähnliche Diagnose wie deine Mutter. Zur medizinischen Versorgung kam täglich der Pflegedienst, ansonsten wechselten wir, mein Mann, mein ältester Sohn und ich uns ab. Ich beantragte bei der Krankenkasse alles was ihr das restliche Leben noch etwas erleichtern konnte. So auch zuerst einen Rollator, dann einen Rollstuhl, damit sie so lange es möglich war, entweder mit uns rausfahren, oder sie in den Garten konnte. Es brach mir ebenfalls das Herz mit anzusehen, wie schnell diese kleinen Dingen nicht mehr möglich waren. Ich nahm all meinen Urlaub, unser Ältester kündigte seine Arbeit (er wollte den folgenden Herbst eh studieren), um sie zu pflegen. Unser Jüngster war noch in der Schule und konnte den Zerfall seiner heißgeliebten Oma, nachdem er alles vorher beim Opa mitbekam, nicht mit ansehen.

Ich denke, dass die Ärzte sie im Krankenhaus über ihre Prognose aufgeklärt haben. Somit kommt jetzt die harte Zeit für dich, nicht nur ihr zu erklären was nicht mehr möglich ist, sondern auch für sie da zu sein. Inwieweit kannst du einen lokalen Hospizdienst mit einbinden? Welche Angebote zur Unterstützung haben die kirchlichen und sozialen Einrichtungen bei euch vor Ort?

Für dich kommt nun eine schwere Zeit der Entscheidung, was geht vor? Wie kann ich beiden Seiten gerecht werden? Barbara, das kannst du leider nicht. Denn dabei zermürbst du dich, kommst extrem schnell an deine Grenzen und bist nach kürzester Zeit körperlich und seelisch am Ende. Ich habe mit meiner Familie einen Familienrat abgehalten, sie wußten einigermaßen was auf uns zukommt, aber bei meinem Vater war ja noch meine Mutter da. Ich erklärte allen, dass für mich jetzt die Pflege der Mutter Vorrang hat, denn ihre Zeit ist absehbar (so hart das auch klingen mag), denn für sie alle habe ich danach noch ganz viel Zeit. Dass ich sie nicht alleine lassen kann, da ich dies niemals mit meinem Gewissen vereinbaren könnte und es mich ein lebenlang verfolgen würde, wäre ich jetzt nicht auch für sie da. Meine Brüder zogen es damals vor, die Pflege mir (uns) zu überlassen, so mußten sie ihr Leben nicht umstellen, ihren Urlaub nicht stornieren usw.
Barbara, heute nachdem einige Jahre vergangen sind, weiß ich, dass sie es bitter bereuen, nicht wenigstens ein Stück weit Anteil am Abschied genommen zu haben.
Für unseren Jüngsten nahmen mein Mann und ich abwechselnd täglich einige Stunden nur Zeit für ihn, damit er sich nicht mehrfach verlassen vorkam. Ich nahm Kontakt zu den Eltern seiner Freunde auf, ob er ab und an mal dort übernachten kann, oder sie ihn ein wenig in ihre Freizeitaktivitäten mit einbinden könnten. Über die postive Resonanz war ich erstaunt, denn wir waren ja noch Fremde hier. Wir waren ja Vollzeit beschäftigt, dann die Pflege meines Vaters ließen uns keine Zeit einen Freundeskreis aufzubauen.

Was wird für deinen Sohn während den Schulferien im Ort angeboten? Könnte er dort einen Ausgleich finden? Könnte er einige Tage mal bei einem Freund übernachten, mit ihnen etwas unternehmen?

Ich wünsche dir ganz ganz viel Kraft, und bitte hole dir Hilfe, wenn du spürst, dass du es nicht mehr alleine schaffst.
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Jutta
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