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Alt 26.05.2007, 09:09
Schnucki Schnucki ist offline
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Standard AW: Meine Mutter - laut Arzt bald pflegebedürftig

Liebe Annett,

irgendwie hab ich das Gefühl, dass sich die Rollen von meiner Mutter und mir gerade umdrehen. Sie hat mich immer behütet, war immer bereit, hilfsbereit einzuspringen, war immer da. Jetzt gehts genau anders rum. Ich möchte sie behüten, damit ihr so manches jetzt erspart bleibt, ich wäre gerne viel bei ihr, einfach um ihr das Gefühl zu geben, dass ich mich jetzt um sie kümmere, dass sie keine Angst zu haben braucht.

Leider kapselt sie sich ja eher ab, vielleicht will sie mich so schützen?

Ein ist wie ein Tanz, jeder versucht den anderen zu schützen. Sie will stark sein, sie war es immer. Es ist um so schlimmer, dass es jetzt nicht geht.

Sie hatte nicht wirklich ein schönes Leben. Sie ist immer für alle anderen dagewesen, hat teilweise ihre Hilfe richtig aufgedrängt, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sie so Liebe erfährt. Denn sie ist ein schwieriger Typ. Sie ist recht dominant, sie hat immer Recht. Und ist damit angeeckt. Auch wenn sie es immer gut gemeint hat. Aber ihre Familie (Schwestern, Brüder) wollten sich natürlich nicht bevormunden lassen. Deshalb ist sie auch nicht beliebt. Sie ist mit ihrer Familie bis auf eine Schwester entzweit. Sie ist verbittert, weil sie ja immer alles getan hat, aber sie hat nicht die ewige Dankbarkeit erfahren, die sie wollte.

Sogar als sie krank wurde, wollte sie nicht, dass irgendjemand davon erfährt. Klar, ihre Arbeitskollegen mußten davon erfahren. Aber bis auf eine Schwester darf keiner davon wissen.

Meiner Cousine mußte ich es sagen, weil wir ein ziemlich enges Verhältnis haben, ich ihr aber am Anfang immer absagen mußte wegen den Krankenhausaufenthalten meiner Mutter. Ich konnte damals nicht planen. Sie weiß es auch, wurde zwar zum Stillschweigen verdammt, ob sie wirklich dicht gehalten hat, ist mir eigentlich egal. Für mich wäre es wünschenswert, dass sie sich mit den Geschwistern versöhnt, aber da führt kein Weg hin. Ich dürfte nicht einmal im Falle des Todes was sagen, erst, wenn die Beerdigung rum ist. Auch nicht einfach für mich, weil ich mich da absolut in die Nesseln setze. Theoretisch hab ich nämlich eine richtig große Familie (meine Mutter hat 8 Geschwister), praktisch gesehen hab ich keine Familie, weil mich natürlich auch keiner anschaut.

Weil sie viel mitgemacht hat, möchte ich ihr halt noch einiges an Liebe und Geborgenheit auf ihrem letzten Weg mitgeben.

Das läßt sie kaum zu. Okay, es ist ihre Art, die muß ich akzeptieren, auch wenn es schwerfällt. Ich setzte mich auch immer wieder drüber hinweg, weil ich nicht weiß, ob es ehrlich ist oder nur ein Schutz für mich. Ich merke, wie ihr doch meine Besuche guttun.

Es ist ganz schwierig, mit meiner Mutter zu reden. Seit ihrer Krankheit gehts besser, aber schwerwiegenden Themen geht sie aus dem Weg.

Annett: Ich hab gerade das mit Deiner Mutter nachgelesen, es tut mir unendlich leid. Wir hatten genau so einen Fall in der Familie väterlicherseits, so was ist unendlich schwer, man wünscht es keinem. Gerade Wachkoma finde ich unmenschlich, nicht nur für den Kranken selbst, auch für die Angehörigen. Ich kann mir vorstellen, dass Du Dir wünscht, dass der Weg für Deine Mutter zuende geht. Man ist so machtlos. Ich hoffe, so etwas bleibt meiner Mutter erspart.

So, jetzt muß ich mich sputen, noch ein wenig zuende packen, denn heute gehts für meinen Sohn zum Fußballcamp, für mich zu den Pferden.

LG

Astrid
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