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Alt 17.01.2007, 00:09
jule_sonne jule_sonne ist offline
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Standard AW: Doppelbelastung organisieren

Hallo,

ich habe grade einige Beiträge hier überflogen, aber nicht ganz gelesen.

Ich kann dir nur von meiner Doppelbelastung, eher gesagt Dreifachbelastung schreiben. Vor 5 Jahren habe ich angefangen zu studieren. Kurz zuvor wurde die Diagnose bei meinem Vater gestellt, worauf hin ich auf mein AuPair Jahr verzichtet habe, um für meine Familie da zu sein.
Nachdem ich ein Jahr im Studium war gab es zusätzlich noch Probleme in unserem Geschäft, das meine Eltern zusammenaufgebaut haben, so dass uns neben der Belastung durch die Krankheit auch noch unternehmerische Sorgen plagten.
Obwohl ich trotz der Krankheit meines Vaters zu Hause ausgezogen bin (grade mal 25km weiter entfernt zu meinem Freund) war ich recht häufig zu Hause. Zwei Semester bin ich nicht in die Vorlesungen gegangen und habe mich um meinen Vater und um das Geschäft mitgekümmert. Trotzdem: ich habe mir immer die Vorlesungsunterlagen von Kommilitonen ausgeliehen, Nächte durchgemacht, die Klausuren mitgeschrieben und sogar immer direkt mit guten Noten bestanden. Und mein Vater war ja sooo stolz auf mich Er hat sich so gefreut, dass ich mit meinem Studium erfolgreich weitergemacht habe und mich auch dazu ermutigt. Er sagte zu mir: "Das Leben geht weiter. Deine Zukunft ist mir wichtiger als alles andere."

Man schafft es die Beastung zu organisieren. Klar: Leider hatte ich nicht viel Freizeit, bin nicht weggegangen und viele meiner Freunde haben es auch nicht wirklich verstanden, was ich da eigentlich mache.
Nach diesem einen Jahr, in dem ich zu keinen Vorlesungen gegangen bin, habe ich mich in die Fachschaft unseren Fachbereichs getraut und so wenigstens etwas von dem Studentenleben mitbekommen. Dort konnte ich mir einbringen, habe Veranstaltungen mitorganisiert. Und es hat wirklich alles geklappt. Firma, Familie, Studium. Meine Noten wurden trotz allem immer besser. Ich habe es auch für meinen Vater getan und er war immer sehr stolz, wenn ich ihm wieder von einer bestandenen Klausur berichten konnte.

Ich denke, es ist sehr wichtig, sein eigenes Leben nicht ganz aufzugeben und ein bissl Normalität zu leben. Klar, die Krankheit ist immer im Hinterkopf. In meinem Fall auch immer die Angst der Insolvenz und der damit verbundene Schuldenberg.
Trotzdem habe ich auch auf einiges verzichten müssen: AuPair Jahr, Auslandsstudium, (abgebrochenes) Praktikum.... aber ich weiß ja auch, wofür ich es getan habe.

Mein Vater ist mittlerweile leider verstorben. Aber ich weiß, das er stolz auf mich war, besonders weil ich in der schweren Situation Zeit für ihn hatte, aber auch für mein eigenes Leben. Ich wäre froh gewesen, er hätte den Abschluss meines Studiums noch miterlebt. Aber leider war die Krankheit stärker. In 6 Monaten habe ich meinen Abschluss und bin nun grade an meine DA dran. Mein Vater war von dem Thema wirklich total begeistert. Wie gerne würde ich ihm die Arbeit zeigen.... Es tut immer so weh, wenn ich dran denke, dass ich ihn nie mehr wieder sehen werde. Das er nicht mehr da ist, wenn ich zu Hause meine bestandene Klausur präsentiere und mit ihm über fachliche Dinge spreche, die ich grade in der neusten Vorlesung durchgenommen hab.... Ich vermisse ihn sehr.

Insgesamt würde ich aber sagen, das meine Entscheidungen die richtigen waren. Ich war immer in seiner Nähe, ohne ihm auch zu sehr das Gefühl zu geben, dass er schwer krank ist.

Ärgern tut mich im Moment eher der Vorwurf mancher "Freunde", die mir vorwerfen, ich würde nicht richtig trauern und sich fragen, wie ich einfach so mit meinem Studium weiter machen kann und wieder tagtäglich an der Uni rumrenne, shoppen war, Bewerbungsfotos gemacht habe und und und. Und das kommt genau von den Leuten, die mir vorher immer an den Kopf geworfen haben, dass ich mein Leben nur mit meinem Studium leben würde. Klar, ich habe nunmal nicht jedem meine Probleme auf die Nase gebunden...

Also: Ich wünsche Dir ganz viel Kraft!!! Es ist nicht leicht.... Aber es ist zu schaffen. Auch ich bin Einzelkind und wir bekamen keine Unterstützung von Verwandten. Mit der richtigen Zeitplanung, eisernen Willen (im Bezug aufs Studium) und der Hoffnung, dass sich alles zum Guten wendet, kann man die Zeit intensiver nutzen. Auch wenn man nicht das Leben wie manch andere in unserem Alter lebt....

Versuche eine für dich akzeptable Lösung zu finden. Aber mach dich nicht damit kaputt. Das ist auch noch so eine Sache. Wenn ich nun mein Studium beendet habe werde ich erst einmal 3 Monate Pause einlegen. Ich brauche diese Pause, um das alles zu verarbeiten und mit ihrem Gleichgewicht ins Berufsleben einsteigen zu können....

Naja, das war dann mal meine Geschichte

Geändert von jule_sonne (17.01.2007 um 00:14 Uhr)
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