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Alt 04.09.2006, 15:42
effekt effekt ist offline
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Registriert seit: 03.09.2006
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Standard AW: Wenn alle Quellen versiegen..

Zugetextet ganz und garnicht und im Vergleich zu meinem Schwall auch kein Roman, hehe.

Wenn ich selbst lese was ich schreibe fuehle ich mich oft wie ein Luegner, weil ich doch schluchze und vor Schmerz fast keine Luft mehr kriege, wenn ich an ihn denke.

Ich habe gelernt zu vergessen und zu verdraengen in einem Ausmass das ich selbst kaum noch kontrollieren kann -- das ist ebenfalls der Grund weshalb meine Frau mich verlassen hat. Aus dem Verlangen nach Schutz und Staerke, dem Streben nach unantastbarem Stolz, schalte ich oft unbewusst saemtliche Regungen gaenzlich ab. Das ist nicht die Glorie die ich beschreibe sondern eine erbaermliche, aengstliche Form von Mauer die ich um mich errichte und um diese zu entfernen benoetigt es offenbar immer wieder starker Verletzungen - quasi eine grosse Kanonenkugel die es dann schafft durch die Mauer in mein Herz zu dringen und mich wieder bluten zu lassen - wie das verlassen werden.

Sich selbst einzugestehen das man nur ein Mensch ist scheint beinahe unmoeglich wenn man sein Leben lang damit beschaeftigt war eben genau das zu verdraengen und meine einzige Hoffnung derzeit ist es das ich es schaffe meine Kraft nicht von dieser Mauer abhaengig zu machen.

Es ist nicht noetig sich abzuschotten um Stark zu sein - im Gegenteil, wahre Staerke zeigt sich wenn man die Wunde die entsteht verschliesst oder gar durch Staerke verhindert das die Wunde entsteht. Dazu muss man aber wissen was hinter der Mauer ist, man muss die Mauer weg lassen um zu verstehen was noetig ist um zu verhindern das jemand dort rein sticht.

Verschluss ist also nur ein temporaerer und schwacher Schutz vor Verletzung, es ist der einfache Weg der in einer Sackgasse endet in die man immer wieder laeuft. Ich hoffe (und bete gar zu Gott, obwohl ich nicht an ihn glaube, in der Hoffnung das sollte er doch existieren ich es zumindest versucht habe seine Gnade zu erlangen) nun nur noch das meine Frau es schafft mich nicht fallen zu lassen und mich ohne diese Mauer erlebt, ohne das ich sie ausschliesse.

Verdraengung ist der innere Tod.

Und, zu deinen Toechtern: es gibt in meinen Augen keine falsche Erziehung - nur unterschiedliche. Es gibt natuerlich Mishandlung und anderes, was voellig indiskutable falsch ist, aber so lange nichts der gleichen passiert ist, steht die Frage nach "richtig" oder "falsch" erzogen nie zur Debate.

Es mag sein das ich da ein wenig anders bin und durch den fruehen Verlust meinen Vater sehr glorifiziere -- er hat mir zum Beispiel den Arsch versohlt, wenn ich etwas schlimmes gemacht habe. Nicht blutig gepruegelt, einfach mit einem duennen Stock oder aehnlichem, so das es fies geschmerzt hat. In dem Moment als er das getan hat, habe ich ihn verflucht. Jetzt, ueber 15 Jahre spaeter weiss ich das es mich Respekt gelehrt hat. Er haette das sicher auch anders erreichen koennen, aber so hat es eben so gut gewirkt.

Allem voran war er aber Stark. Er hat nie Schwaeche gezeigt - was nicht bedeutet das er nicht geweint hat, im Gegenteil. Er war ein Mensch. Er war auch ein Mann und hat kein Geheimnis daraus gemacht das er sich einsam gefuehlt hat, nach seiner letzten Scheidung. Aber er war Stark, fuer uns, in jeder lebenden Sekunde. Sogar physisch -- zwei der amuesantesten und besten Beispiele die mich sehr gepraegt haben war zum einen der Fakt das er uns im Sommer, wenn er Muskelmasse aufgebaut hatte, an seinen ausgestreckten Armen hat Klimmzuege machen lassen. Absolut genial.

Das zweite ist etwas das ich mit Sicherheit nie vergessen werde - ich war sauer auf ihn, eines Abends, habe eins seiner Lieblingsmesser genommen und bin mit dem festen Entschluss ihn jetzt umzubringen auf ihn losgerannt. Er hat mich nicht entwaffnet und verpruegelt, oder angeschriehen, oder aehnliches. Er hat einfach mit mir gespielt. Ich habe bestimmt 30-60 Minuten lang versucht ihn mit dem Messer zu treffen und er ist entweder ausgewichen oder hat mich einfach festgehalten und hat sogar mittendrin eine Matratze auf den Boden gepackt damit ich nicht hinfalle und mich verletze. Ich habe gekrischen und geweint wie ein Berserker, und geschriehen "ich bring' dich um!" bis ich irgendwann einfach nicht mehr konnte.. also habe ich mich fallen lassen. Er stand auf, ging zum Buecherschrank, holte das Nibelungenlied und las mir das Hildebrandslied vor (Hildebrand und Hadubrand, Vater und Sohn, die miteinander kaempfen) ..bis ich einschlief.

Ich weiss von vielen Verfehlungen die er in seinem Leben hatte, eben so von meiner Mutter. Aber nichts davon steht auch nur im geringsten im Vergleich zu dem was sie in den letzten bewussten Jahren meines Lebens fuer mich und meinen Bruder getan haben.

Und ich wette, auch wenn stilistisch mit Sicherheit anders als meine Eltern, das du und dein Mann alles in ihrer Macht getan haben um nach eigener Ansicht gute Eltern zu sein. Waere dem nicht so, wuerdest du nicht so sprechen und dann wuerden sich deine Toechter mit Sicherheit nicht dafuer taettowieren lassen, hehe.

Es tut gut ueber ihn zu reden und auch zu wissen das ich nicht uebertreibe, das andere die Meinung teilen und glauben das es gut ist, wie es ist. Nicht das er tot ist, herrje, aber alles andere..
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