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Alt 03.07.2006, 21:00
Michael_D Michael_D ist offline
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Standard Etwas zum Hoffnungschöpfen

Der Dichter Heiner Müller hat einmal gesagt: "Optimismus ist nur ein Mangel an Information." In den Jahren, in denen ich mich mit dieser Krankheit beschäftige, habe ich oft gedacht, wieviel Wahrheit in diesem Zitat steckt. Auch die letzten Wochen hier im Forum haben nicht gerade Überschwang verbreitet. So viele sind in der letzten Zeit gestorben.

Als meine Mutter erkrankte, waren wir auch voller Zuversicht. OP war möglich, massive Nachbehandlung - das schaffen wir, da kommen wir durch, mit vereinten Kräften. Doch schon ein knappes halbes Jahr hatten wir einen malignen Pleuraerguß. Second-line Chemo. Progreß. Metastasen auf der gesunden Seite. Versuch mit Iressa. Ein paar Monate stabil, wieder Progreß. Massiver Pleuraerguß. Pleurodese; fürchterliche Schmerzen, Morphium hochdosiert . . . ein Arzt, der mich beiseite nimmt und mir von "4cm großen Thoraxwandmetastasen" berichtet, der mir sagt, daß es jetzt wichtig ist, daß "sie keine Schmerzen mehr leidet", der mich auf das Schlimmste in absehbarer Zeit vorbereitet.

Anruf bei Dr. Gatzemeier im Klinikum Großhansdorf bei Hamburg und die Möglichkeit einer Alimta-Therapie erläutert: "Kann man machen, versprechen Sie sich nicht zuviel davon". Trotzdem der Versuch: was hat man zu verlieren?
Der Erguß geht zurück, die Krankheit wird "stabil". Ein letztes Bild im Oktober 2005, und wir hatten auch irgendwann genug. Keine Diagnostik mehr. Kopf in den Sand stecken. Meiner Mutter ging's ganz gut, Reisen ins Allgäu und an die Ostsee waren möglich. Doch ganz allmählich nahmen auch die Beschwerden wieder zu, der Husten wurde schlimmer, die Luft knapper. Dienstag hatten wir die 19. Alimta (macht insgesamt 44 Einzelgaben Chemo für meine Mutter. Wieviel kann ein Mensch aushalten?). Unsere Onkologin macht eine Sono: Leber frei. Keine Metastasen. Ebenso die Nieren.

Heute dann Röntgen. Wegen der zunehmenden Beschwerden waren wir verhalten pessimistisch. Doch dann die Bilder: die Metastasen links sind verschwunden, die ursprünglich befallene rechte Seite ist stabil. Man sieht etwas im Mediastinum, was gewachsen sein könnte, doch sicher war sich unser Pneumologe nicht. Auf jeden Fall: keine Verschlechterung, 15 Monate nach der Pleurodese. Er meinte nur: "so verrückt wie Ihre Erkrankung verlaufen ist, wundert mich nichts mehr". Die (leichte) Zunahme der Beschwerden? Keine Ahnung.

Er erzählte von einer älteren Dame, die einen Kleinzeller hatte, fortgeschritten. Chemo gekriegt - und gut. Gestorben ist sie, doch nicht an Lungenkrebs. Eine andere hatte einen Nicht-Kleinzeller; metastasiert. Man hat eine Pleurodese gemacht, und sonst nichts. Das ganze ist jetzt fünf Jahre her, und die Dame lebt immer noch.

Manchmal gibt es ein großes Wunder, wenn Gott will. Manchmal kann man sich auch über sein ganz privates Wunder erfreuen, was darin bestehen kann, daß es "nicht schlimmer" geworden ist. Ein kleines Wunder kann darin bestehen, auf der Terrasse zu sitzen, eine Flasche Wein zu öffnen und mit meiner Mutter das Vogelpaar beobachten, was sich einen Busch in unserem Garten als Nistplatz auserkoren hat.

Ich wünsche Euch allen auch ein kleines Wunder.

Michael
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