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Alt 13.06.2006, 12:42
Sonja A. Sonja A. ist offline
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Standard AW: Bauchspeicheldrüsenkrebs mit Bauchfellmetastasen - läuft der countdown?

hallo frank!

ich lese deine beiträge. der verlauf der erkrankung bei deinem dad ist...düster.
darum mag hier wohl auch kaum jemand was schreiben, geht es hier doch v.a. ums gegenseitige aufbauen.
da ich wie du dachte und handelte hier meine antwort:

"Ich kenne meine Mum, dies macht Alles so schwierig. Ich tendiere eigentlich zur Wahrheit, Offenheit (für mich persönlich selbst), sehe aber auch den Schutzmantel, den sie irgendwie um sich herum aufgebaut hat."
deine mum weiß, wie es um deinen dad steht. es ist ihr schutzmantel, der sie wärmt. nimm ihr den mantel nicht ab. du musst deine vergangenheit mit deinem dad loslassen, deine mum jedoch ihre gegenwart und zukunft! lass ihr ihren wärmenden mantel.

dein dad weiß ebenfalls, was mit ihm los ist. klar, er kann es nicht glauben. aber wissen tut ihr alle das. ein hochrechnen des abbaus reicht für eine schlimme gewissheit. das begreifen und verstehen hinkt dem abbau des physischen hinterher. klar, sein ganzes leben war nach vorn ausgerichtet und loslassen der liebsten und weltlichen besitzes war kein kapitel.
"Soll ich den zerstören?"
die hoffnung und der optimismus deiner mum helfen deinem dad sehr.
biete dich deinem dad als gesprächspartner für themen wie tod und wie geht es mit der familie weiter an.
dies ist deine rolle. die des liebenden realisten. bleibe in dieser rolle, kratze dabei nicht an der deiner mum. sprich: rede mit deinem dad nicht unbedingt über solche themen, wenn deine mum daneben sitzt.
deine mum ist die liebende unterstützende hoffnunggebende ehefrau. das ist ihre rolle.

dein dad braucht jeden einzelnen von euch so, wie er ist.

ich sagte irgendwann zu meinem dad: papa mensch, begreifst du nicht, wie wichtig dies und das ist? (trinknahrung). er: nein sonja, wie denn, es sagt mir ja keiner, wie ernst es ist. dann schaute er mich an und wartete auf antwort.
(schluck...das sind so die schlimmsten erinnerungen)
tja, was sagen? und dann bitte spontan... ich antwortete meinem papi, dass diese krankheit sehr fies ist und es leider viele nicht mal zwei jahre schaffen.
wie geschönt die aussage von mir ist weißt du selber pfinzi. für meinen dad jedoch war sie schlimm - aber ertragbar. ich sagte ihm nichts über ihn persönlich. dies steht niemandem zu. ich erklärte ihm, dass er der chef ist und wir ihn in allem unterstützen, was ER möchte. er soll nicht das machen von dem er denkt, dass wir das möchten.

meinem dad erzählte ich später von palliativstationen und hospizen und sagte ihm, dass wir immer bei ihm werden und er dort keine angst und schmerzen haben muss. ich wollte einfach nicht, dass er seine lebenszeit mit angst vor schmerzen im krankenhaus leben muss.
viel später sagte ich papi, dass er gehen darf wenn er nicht mehr mag. sagte ihm, dass er mitten in unserem herzen für immer wohnen würde.
sagte ihm, dass wir alle zusammenhalten werden. erzählte ihm von meinen zukunftsplänen.

mein papi durfte auf einer palliativstation in liebe ohne schmerzen nach klärung aller angelegenheiten losgelassen von uns jedoch liebevoll gehalten nach schauen der fußball em 2004 mit ein-zwei bierchen einschlafen.

ich bereue nichts und stehe nach wie vor zu jedem einzelnen wort und handlung meinem papa gegenüber. ich hoffe, dass ich dazu beigetragen habe, sein leben friedlich zu erleben, angst bewältigen zu können und sich getragen zu fühlen.

wir haben uns nie angelogen und ich wollte dies nicht in einem der wichtigsten lebensabschnitte einführen.
lügen und behutsam ausdrücken sind zwei paar schuhe, die du zu wählen verstehen wirst.

ich möchte hinzufügen: handel so, wie du selber behandelt werden möchtest. schonungslose offenheit ins gesicht geknallt würdest du wohl genausowenig wollen wie ein schönreden.

vergiss bitte nicht: dein dad lebt JETZT. nutze die zeit. JETZT kannst du mit deinem dad leben erleben und gespräche mit ihm führen, die du wie ein schatz bewahren wirst. umarme, drücke und halte ihn, es wird ihm wahnsinnig gut tun - auch dann, wenn das bisher nicht zu eurem umgang gehörte. das halten wird deinem dad so gut tun, weil er das gefühl hat, sein fundament bricht weg. du kannst das fundament für ihn wieder festigen.

alles gute, sonja

Geändert von Sonja A. (13.06.2006 um 12:52 Uhr)