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Alt 02.04.2006, 16:25
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Trauernde Männer?

Lieber Gärtner,

Roberts lieber Papa und verlässlicher Fahrer, vielleicht setzt Du morgen Deine Chauffeurmütze auf, fährst ein paar Strecken von „damals“ ab und erzählst Robert wie es Dir so geht.

Deine letzten Beiträge habe ich gelesen, mir meine Gedanken gemacht und die möchte ich Dir schreiben. Wenn „nichts“ dabei ist, wirst Du es mir auch nicht übel nehmen, das weiß ich.

DIE MITTE HALTEN, IM AB UND AUF DER GEFÜHLE, das ist nicht leicht, ich denke aber man ist schon einmal auf einem guten Weg, wenn man es versucht, immer wieder innehält, sich selbst und seinen Weg betrachtet. Manchmal scheint es, als würde sich nie etwas verändern, man fühlt sich wie einbetoniert, es ist schier zum Verzweifeln. Aber dann, ist etwas, ein Gedanke, ein Gespräch, eine Begegnung und man sagt, aber Hallo, da ist nun doch eine Veränderung.

DEN GEMÜTSZUSTAND ERREICHEN, DEN MAN MIT „RUHE“ BEZEICHNET – mein Lieber, sei barmherzig mit Dir, wie soll das gehen? Nach einem Jahr? Nach dem Verlust Deines Kindes? Da beschäftigen sich Menschen Jahrzehnte mit nichts anderem als mit dieser Frage und selbst denen gelingt es nicht immer.

Aber auch hier: wenn die Gedanken ganz toll galoppieren, ich vom hundertsten ins tausendste komme, gebetmühlenartig dieselben wiederhole, dann ruf ich mir das zu, was Du schreibst und manchmal sag ich sogar laut: Schluß jetzt.

Und so pendle ich auch hin und her, geb mir manchmal nach und dann wieder nicht und dieses Ausloten tut mir gut und ist für mich richtig. Vielleicht für Dich auch.

Ich weiß, es ist wichtig im Hier und Jetzt zu sein und beschäftige mich doch oft mehr mit der Vergangenheit, denke mehr an die Zukunft. Dabei weiß ich, all meine Ängste sind Gedanken die Zukunft betreffend, all meine Trauer, meine Wut, mein Hass sind in der Vergangenheit beheimatet. Gegenwart wäre durchaus eine Alternative.

Nun hab ich auch nachgedacht ob „frische Trauer eher akzeptiert wird, Erfahrungen mit der langen Zeit der Trauer, des Schmerzes, nicht.“
Da wird wohl jeder seine Erfahrungen haben. „In der Welt draußen“ geht das schon ziemlich schnell, daß einem gesagt wird, nun ist aber gut, keiner will es mehr hören und was noch schrecklicher ist, keiner redet mehr von dem Verstorbenen.

Aber hier? Hier doch nicht, oder? Du weißt, ich eiere nun wirklich als „Späte“ herum. Ein altes Waisenkind, mein Gott, die Eltern waren alt. Vielleicht hab ich eine dicke Haut, aber es hat mir hier nie jemand das Gefühl gegeben, was willst du eigentlich, wir können es nicht mehr hören.

Es hat mir, meiner Trauer gut getan, dieses letzte Jahr. Ich hatte die Möglichkeit etwas aufzuholen, was mir die Jahre vorher gefehlt hat, man hat mir zugehört, mehr hatte ich nicht erhofft, und doch ist mehr daraus geworden.

Ich habe die Trauer von Menschen kennen gelernt, die ihren Partner verloren haben. Ich habe die Unterschiede in dieser Trauer begreifen gelernt.
Ich habe Dich kennengelernt, der sein Kind verloren hat und andere, die ein erkranktes Kind haben.

Das ist nun ein Verlust, ein Schrecken, ein Entsetzen, dafür habe ich in Wirklichkeit keine Worte, auch wenn ich jetzt lange schreibe.

Ich habe zwei kleine Neffen, die hab ich von Herzen gerne. Wenn man Liebe messen kann, dann sag ich, meinen Mann hab ich aber schon viel lieber. Wenn ich das Leben eines Neffen retten könnte indem ich sterbe, ich würde es tun. Ich würde aber nicht für meinen Mann sterben wollen. Ich weiß nicht, ob nun das rüber kommt, was ich sagen will: es ist alles ganz anders, wenn es sich um ein Kind handelt.

Nach Robert wird keine Straße benannt werden. Das stimmt. Aber ich sag Dir was:
Ich habe heute Roberts Sterbedatum in „mein Büchlein“ eingetragen. Bei mir brennt ohnehin immer eine Kerze, ich seh jeden Tag in mein kleines Buch das bei „meinem Altar“ steht und da sind die Geburts- Sterbedaten eingetragen.
Der 3. April ist Roberts Todestag und sollte ich je an den Todestag vom letzten Papst denken, dann nur wegen Robert. Weil Robert einen Tag später gestorben ist.

Ja, man möchte Straßen, Städte nach den Verstorbenen benennen, Bauten errichten. Es soll immer daran erinnert werden.
Ich denke morgen brennen etliche Kerzen für Robert, denken viele Menschen an ihn und auch an Dich, lieber Gärtner. Du bewirkst hier etwas: Robert hinterlässt Spuren in unseren Herzen.

Es ist ein paar Wochen her, da schrieb ich Dir eine p.N. weil ich durch eine Verwechslung dachte Du bist in Gefahr. Ich bin damals richtig erschrocken und dann erleichtert. Ich wollte Dir sagen, auch wenn es traurig ist, schwer ist, Das Leben will gelebt werden, Dein Leben. Von Dir. Ich wünsche Dir viel Glück dazu.

Briele
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