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Alt 15.02.2006, 08:52
MartinaV MartinaV ist offline
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Standard AW: So habe ich es als Mutter gesehen und gefühlt

Liebe Gaby und alle anderen lieben Eltern,

als ich Deine/Eure Geschichte gelesen habe, kam mir unsere Krankheitsgeschichte wieder hoch. Auch mein Sohn hatte im Juli 1997 ein Weichteilsarkom (Fibrosarkom) im rechten Arm, er war damals knapp 4 Jahre alt. Nachdem der Tumor unter Chemo gewachsen ist, sollte der Arm auch amputiert werden. Wir fanden dann in letzter Minute einen Prof. in Stuttgart, der eng mit der Studienzentrale zusammenarbeitet. Er konnte Chrissi's Arm in einer 18-stündigen OP erhalten. Allerdings ist er in der Bewegung sehr stark eingeschränkt, die Finger kann er auch nicht mehr einzeln bewegen. Mein Sohn war so tapfer und hat dies alles, auch 28 Bestrahlungen danach, klaglos mitgemacht. Leider kam dann nach ca. 1 Jahr ein herber Rückschlag: Lungenmetastasen beidseits. Und wieder wurde uns der Boden unter den Füßen weggerissen. Er wurde 2 Mal operiert und mußte wieder 8 Monate Chemo ertragen. Aber er war dabei keine Minute allein. Einer von uns war immer an seiner Seite, auch nachts. Ich glaube, das hat ihm schon sehr geholfen. 3 Monate nach Ende der Chemo stellte man erneute Lungenmetastasen fest. Das bedeutete erneute OP, und eine fragliche Nachbehandlung. Das war der Zeitpunkt, als Chrissi von den Ärzten aufgegeben wurde. Nur wir haben immer an ihn und eine evtl. Heilung geglaubt. Und vor allem er selbst wollte es "den bösen Zellen" zeigen, wer Herr in seinem Körper ist. Seitdem hatte er noch 3 weitere Lungen-OPs durch Rezidive. Zuletzt wurde er vor knapp 3 Jahren 11 Stunden operiert und lag danach fast 2 Wochen im künstlichen Koma. Man kann sich das gar nicht vorstellen, wie das eigene Kind dort liegt. Nackt, nur an Kabel und Maschinen angeschlossen und kämpft ums Überleben. Immer wenn er etwas zu sich kam, suchten seine Augen nach uns, und dann kamen Tränchen. Er konnte aufgrund ber Beatmung nicht reden, war nahezu nicht ansprechbar. Aber er spürte meine Nähe ganz genau, das konnte man am Pulsschlag und der Sauerstoffsättiging beobachten. Der kleine Kämpfer hat auch dieses gemeistert, und wir freuten uns auf eine neue Chance, diesen aggresiven Krebs zu besiegen. Chrissi bekam danach eine Tumorimpfung, für die wir jede Woche von München nach Wien fahren mußten. Aber auch dies konnte ein weiteres Rezidiv nur zeitlich verschieben, aber leider nicht verhindern. Er hat jetzt aktuell 30 Lungenmetastasen, die allerdings seit 1,5 Jahren aufgrund der Erhaltungstherapie nicht mehr wachsen, allerdings noch aktiv sind. Er geht jetzt mittlerweile in die 6. Klasse ins Gymnasium (er will unbedingt Chirurg werden...) hat haufenweise Fehlzeiten, bedingt durch die Nebenwirkungen der Therapie. Aber er kämpft weiter, will leben und glaubt auch ganz fest an sich. Er ist so ein tolles Kind, ein richtiger kleiner Sonnenschein. Trotz seiner eingeschränkten Lungenfunktion (er hat nur noch ca. eine halbe Lunge, und die ist voller Metastasen) spielt er mit Begeisterung Fußball im Verein. Er weiß aus jeder Situation was zu machen, und genießt jede Minute seines Lebens. Ohne die große Hilfestellung der Nachsorgeklinink Tannheim, und dem engagierten Onkologen dort, wäre unser Chrissi schon lange nicht mehr am Leben. Aber daran sieht man mal wieder, daß sich der Kampf auch in noch so ausweglosen Situationen lohnt. Man muß ihn nur annehmen und die Kinder dabei immer begleiten. Wir können unseren betroffenen Kindern nur durch unsere bedingungslose Liebe zu ihnen die Kraft zum Kämpfen geben, und weiter an sie glauben. Wir nennen es immer das "lebenswerte Warten auf ein Wunder". Wobei gerade dieses "lebenswert" das wichtigste daran ist. Ich hoffe , ich hab Euch jetzt nicht zu lange mit unserer Geschichte zugetextet, aber fast 9 Jahre Krebserkrankung lassen sich leider nicht kürzer zusammenfassen. Auch hier fehlen sogar noch einige Behandlungen, aber dann wird's wirklich zu lang.....

Ich wünsche Euch allen weiterhin viel Kraft und Energie. Unsere Kinder brauchen uns und unsere Liebe zu ihnen, sonst haben sie meist keine Chance, dies alles zu überstehen.

Herzlichst,
Martina
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