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Alt 12.01.2006, 12:43
Briele Briele ist offline
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Standard AW: Meine liebe Frau hat mich verlassen

Lieber Gerhard,

ich weiß nicht wie lange man leben kann ohne zu essen, ohne zu schlafen. Ich weiß es nicht. Ich habe gehört man kann verlernen zu essen, man braucht dann Hilfe um überhaupt wieder Nahrung aufzunehmen. Ich weiß auch nicht ob das stimmt. Leider weiß ich auch nichts über Schlafmittel. Gestern hab ich das Schlafmittel in der Apotheke geholt das mein Mann nimmt, aber es macht doch keinen Sinn wenn ich Dir nun dieses Mittel nenne, oder?

Gerhard, ich denke wenn Du Hilfe willst, dann ist es jetzt einmal Dein Körper der ganz dringend welche braucht. Vielleicht schauen hier ja auch medizinisch Gebildete herein, die etwas dazu sagen können.

Vor einiger Zeit hast du geschrieben, Deine Ärztin sei erschrocken als sie Dich sah. Hat sie Dich seither wieder gesehen? Wenn sie nun Grund hat noch mehr zu erschrecken, wird sie Dir dann konkrete Vorschläge machen? Vielleicht auch den, in ein Krankenhaus zu gehen?

Mir ist schon klar, jeder Mensch kann entscheiden wie er will. Wenn jemand die Entscheidung trifft, ich kann und will ohne meinen verstorbenen Partner nicht mehr weiterleben und ich hungere mich zu Tode, so soll das wohl akzeptiert werden. Aber gibt es nicht auch so etwas wie unterlassene Hilfeleistung?

Ich kenn Dich nicht, aber ich mach mir trotzdem Gedanken über Dich. Die Bilder, die Vorstellung, die ich von Deiner Situation habe stimmen vielleicht gar nicht. Vielleicht aber doch? Meine Vorstellung ist, daß Du allein, zurückgezogen lebst und kaum einer SIEHT wie es Dir wirklich geht. Wir hier, LESEN darüber. Erst dachte ich, er hat eine Tochter, aber nun lese ich das Verhältnis ist so, daß sie nicht einfach kommt um nach Dir zu sehen, sich um Dich zu kümmern. Mir scheint es gibt nur einen Menschen der sich um Dich kümmert, Dir helfen kann, und der bist Du selbst.

Weißt Du was ich wirklich schade fände und sehr traurig wäre? Wenn Du den Zeitpunkt versäumst. Wenn Du immer schwächer wirst, zu schwach um Dir noch Hilfe zu suchen, es dann aber möchtest? Du dann daliegst und Dir vielleicht sagst, ach das war jetzt doch ein Fehler? Ausschließen kann man glaube ich nichts.

Vor einigen Jahren hatte ich einen Unfall mit dem Rad. Vom Krankenhaus humpelte ich ins Taxi und sank jammernd auf den Sitz. Der Taxifahrer sagte, das wird schon wieder. Ich jammerte ein bisschen weiter. Dann erzählte er mir seine Geschichte:

Mit dem Motorrad hatte er einen Unfall auf der Autobahn. Über 30 Brüche, manche davon sehr gefährlich. Über ein Jahr war er im Krankenhaus und zur Reha. In dieser Zeit ließ sich seine Frau von ihm scheiden. Frau weg, Gesundheit weg, Beruf auch.
Nach einem Jahr, zu seinem Geburtstag veranstalteten Freunde für ihn eine Grillparty. Er saß da, der Grill flog in die Luft, vielleicht auch mehr auf ihn und er hatte schwerste Verbrennungen. Er wurde in ein künstliches Koma gelegt, danach folgten viele Transplantationen. Die Schmerzen waren so, daß er nur eines wollte, um eines bettelte: zu sterben. Und das immer wieder.

Er sagte zu mir, sehen sie mich an, ich bin wieder da, das Leben ist wieder schön. Ich hätte das nie für möglich gehalten. Vergessen sie meine Geschichte nicht, geben sie ihr Leben nie vorschnell auf auch wenn sie meinen es geht nicht mehr.

Du wirst nun vielleicht sagen, was sollen mir die Geschichten und Du hast ja Recht, was helfen sie.

Ich habe mir heute gedacht was würde ich machen wenn ich nicht mehr schlafen kann. Das kann ich mir eher vorstellen als nicht mehr zu essen. Also nicht mehr schlafen kann, ich war beim Arzt, das Mittel hilft nicht, ich war ein zweites Mal dort, auch das zweite half nicht. Ich würde mich dann an ein Hospiz wenden, weil ich mir denke (und hoffe) daß die da viel Erfahrung haben, sich ja auch um Angehörige kümmern.

Was würde ich machen wenn es einem Mensch neben mir so geht wie Dir? Wenn meine ganzen Kochkünste nichts bringen, mein gutes Zureden, dann würde ich alles versuchen ihn in ein Krankenhaus zu bringen, damit er dort aufgepappelt wird.

Gerhard, wenn Du keinen hast der es für Dich macht, dann, wie gesagt, musst Du es für Dich tun, so Du es willst.

Drück Dich.
Briele
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