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Alt 28.12.2005, 22:05
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dandelion dandelion ist offline
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Standard AW: Vulvakarzinom--Suche junge Betroffene

Hallo Ihr Engel

Frohe Weihnachten! Wünsche euch allen entspannte & besinnliche Feiertage mit euren Lieben und einen leichten & spaßigen Rutsch ins (hoffentlich) gesunde und glückliche 2006!

@Susi, entschuldige, wollte dich mit meiner Frage inkl der Abkürzung SB nicht verwirren. Eine Schwer-Behinderung (per SB-Ausweis dokumentiert in %) in Deutschland hat viele Vor- und einige Nachteile, wie hier einige richtig erklärten. Bester Vorteil ist sicherlich eine monatliche Rentenzahlung - bei SB von mind 50% sofern man eine BU (= private (!) Berufsunfähigkeitsversicherung) abgeschlossen hat. Von der gesetzlichen Versicherungsanstalt ist wenig bis nichts zu erwarten. Weitere Vorteile sind Vergünstigungen bei Kosten in (halb-) öffentlichen Einrichtungen wie Volkshochschulen oder Museen, Steuervorteile (Freibeträge), relativ guter Kündigungsschutz (da besserer Stand bei Sozialauswahl, außerdem muss vorher ein Antrag beim Integrationsamt gestellt werden, der Arbeitgeber erfüllt die SB-Quote = muss weniger Abgaben zahlen) und ein paar Tage mehr Urlaub und früherer Eintritt (altersmäßig) in die Rente. Von Nachteil ist eine SB bei der Jobsuche, da Arbeitgeber einfach wegen der og Bedingungen zögerlicher einstellen und spätestens im Vorstellungsgespräch das heikle Thema SB auftaucht.

@ Tanja - zu deiner 1. Nachricht von gestern Nachmittag. Im ersten Moment bin ich erschrocken. Seit ich deinen Beitrag gestern gelesen habe, denke ich immer wieder darüber nach, inwieweit er mich betrifft. Erste Reaktion meinerseits wären Rechtfertigungen oder Diskussionen gewesen - aber das ist es nicht und darum geht es nicht, das weiß ich jetzt heute.
Hab auch keine Sorge ob der Länge deines (heee, nur vermeintlich zu langen!) "Romans"; die Reibung / Auseinandersetzung mit euch allen hier tut mir sehr gut und bringt mich weiter.
Worum es also geht? Es geht mir sowohl um die Normalität, die ich dringend wieder haben möchte, als auch darum, mir gut zu tun - und meine (mit viel persönlicher Arbeit endlich gering ausgeprägte) Kompromißbereitschaft ist weiter gesunken...

Fakt ist - und zwar einzig in meinem Fall: ich bin wirklich glimpflich davon gekommen (Glimpflich ist ein echt schönes Wort!). Ich kann mich nur glücklich schätzen, auch gerade weil ich durch dieses Forum - also eure Schicksale - weiß, dass es echt anders hätte kommen können. Ich habe lediglich "Federn" in Form meiner Schamlippen gelassen, meine Klitoris ist erhalten, ebenso mein Scheideneingang und meine Fertilität (Fruchtbarkeit) besteht. Ich habe keine Metastasen, keine Schmerzen, nehme kein Morphium, muss mich keiner weiteren OP oder (schlimmer noch) weiteren Bestrahlungen unterziehen.

In Anbetracht all dieser Fakten (und zwar nur für mich) erlebe ich gerade mal in Ansätzen was die Diagnose "Krebs" bedeutet. Nichts desto Trotz fühle ich, wie mir der Boden unter den Füßen weggezogen wurde und ich erahne welche (Un-)Tiefen meiner Seele sich mir gerade offenbaren (und noch werden). Mein Leben hat sich mit dieser Diagnose grundlegend verändert - und zwar in zweifacher Hinsicht: einerseits in Hinsicht auf meine seelische Verwundung und andererseits bzgl meiner körperlichen Veränderungen.

Ich fühle mit mit jeder Betroffenen - insbesondere Konny, Anja, Tanja oder Gabriele gehen mir absolut unter die Haut. Meine lapidare Bezeichnung "Krebs light" soll kein Schlag ins Gesicht sein, sondern bezieht sich einzig und allein auf mein glimpfliches Erleben.

Aber Fakt ist auch: ich arbeite gern und ich trage Verantwortung. Bei meinem Arbeitgeber habe ich eine leitende Funktion inne, allein in einem meiner Teams hängen ca 40 Mitarbeiter (= Arbeitsplätze) hintendran. Hätte ich einen Job, der mich nicht erfüllt, würde ich mir eine längere Auszeit erlauben, aber dies ist eben nicht der Fall. Ganz im Gegenteil - ich sehne ich danach, wieder in den Alltag zurück zu kehren. Netterweise unter voller Rückendeckung durch den Vorstand und mit jeglichem Verständnis, u.a. kann ich mir meine Arbeitszeiten souverän einteilen, was will ich also mehr?

Was ich als heftig und absonderbar empfinde, ist diese "leichte" Überforderung durch mein Schicksal. Ohne die moderne Medizin wäre ich schon eh 2x verstorben; einmal Blinddarmdurchbruch und zuletzt durch eine geplatze Eileiterschwangerschaft vor ziemlich genau 3 Jahren - ich weiß also was Schmerzen bedeuten. Damals sagte mir der Arzt, dass ich den nächsten Stunden sterben könnte. Was damals vorherrschte und auch eben in den letzten Wochen wieder, war diese deutliche Gelassenheit, dass meine Zeit noch nicht gekommen ist.

Was so überwältigend (war bzw schon wieder) ist, ist dieses Gefühl von "Überforderung". Ich hab doch schon so vieles verstanden.
Ich weiß, wie ich jeden Tag leben möchte - und halte mich schon längst daran. Warum (wieder) diesen Schuss vor den Bug? Es ist alles soo viel. Aber eben nur fast zuviel, sonst hätte ich mich ja längst aus dem Fensteer geschmissen. Vielleicht will ich deswegen wieder Alltag?!

Ich bin es satt, nach meiner Lektion zu suchen, ich habe sie doch längst gefunden. Ich bin es auch satt, esoterische Hinweise von irgendwelchen "krebs-gesunden" Mitmenschen anzunehmen a la "schau was es mit dir macht und wozu es gut ist".
Eine meiner Erkenntnisse der letzten Wochen ist, es ist alles fucking Zufall. Nix mit Auftrag was zu lernen. Krebs trifft dich oder eben nicht; klar lässt sich dies durch Rauchen, Asbest oder Tschernobyl oder andere Dinge in der Umwelt forcieren. Klar kann ich das Beste daraus machen und nur lernen, aber letztendlich triffts einen - und eben mich - völlig willkürlich - mit einer Essenz von Veranlagung und Umstand - aber eben willkürlich, nach heutigem Stand der Medizin.

Deswegen werde ich mich zur Verfügung stellen, sofern ich irgendwie zur Klärung dieser Krebserkrankung beitragen kann. Ich glaube ja irgendwie nicht völlig an einen Zufall, der dazu führte, dass meine Mutter mit 55 bzw ich mit 33 an diesem Krebs erkranken... and by the way... ich hätte gern gesunde Töchter!

...ach ja, Tanja - zum Buchprojekt: wie wärs u.a. mit einem Auszug / einer thematischen Sammlung der hier im Forum beigesteuerten Beiträge? Sicherlich ließen sich die Beiträge nach Themen oder - find ich sogar besser - nach Autorinnen aufbereitet gut verwenden?! Natürlich nur nach Einverständnis und Klärung des Copyrights Egal was du vor hast, ich bin dabei!

Ich konnte glücklicherweise ab Februar meine Nachsorge-Termine bei Herrn PD Dr. Küppers in Düsseldorf vereinbaren - mein operierender Arzt in Köln hat ihn mir als ideal empfohlen - werde also zu ihm wechseln, meine bisherige Gyn ist ja scheinbar überfordert gewesen. Kennt jemand sein Buch "Blickdiagnose Vulva"? Ich habe es heute bestellt und verspreche mir sehr viel davon & von ihm.

Meinen Recherchen nach bringen Tumormarker wie zB SCC gar nichts, lediglich die engmaschige visuelle Beobachtung scheint sinnvoll. Was meint ihr?

So, dies als kleinen Ausschnitt von dem was gerade in mir abgeht.

In dem Zusammenhang möchte ich meiner u.a. Bewunderung an
@Susi Ausdruck verleihen - Susi, in allen deinen Beiträgen schafftst du es, mit wenigen Worten auf den Punkt zu kommen.
ebenso an @Tanja, du zeigst hier so viel Herz & Geist, dafür danke!

Ebenso an Gabriele und alle anderen, die mir mit soviel Wärme und Infos zur Seite standen: Mädels, Ihr Engel, ohne euch wär ich längst nicht soweit.

Danke!

Liebe Grüße
dandelion
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