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Alt 19.11.2005, 16:28
Laura5555 Laura5555 ist offline
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Standard AW: Thread für junge Angehörige von Krebskranken

Liebe Anna, liebe Casiopaia,

danke für eure liebe Unterstützung. Es ist alles so schwierig. Ja, ich habe das mal geschrieben, daß ich mich schon gar nicht mehr erinnern kann, wie mein Leben war, bevor der Krebs kam und alles verändert hat. Obwohl es mir davor recht gut ging, ist diese Zeit wie ausgelöscht. Ich erinnere mich nicht mehr an die Gedanken, die ich damals hatte und ich kann es mir auch gar nicht mehr vorstellen, daß es jemals anders war. Das ist alles so weit weg und kommt mir vor wie ein anderes Leben. Damals war ich viel jünger und war total frei und nur für mich selbst verantwortlich. Heute bin ich für meine Familie verantwortlich und führe das Leben einer alten Frau, die nicht mehr vor die Tür kommt und abends sogar zu müde ist, um noch ein Buch zu lesen. Ich habe auch so eine verdammte Wut auf diesen Scheißkrebs, der alles kaputt macht und unser Leben bestimmt. Manchmal bin auch ein bißchen wütend auf meine Eltern, auch wenn ich es vielleicht nicht sein dürfte, weil sie ja auch sehr leiden bzw. noch mehr leiden als ich unter der Situation, aber ich bin sauer, weil sie einfach alles auf mich abwälzen, ohne mich zu fragen, ob ich das überhaupt alles schaffe. Es wird einfach vorausgesetzt, daß ich es mache. Natürlich mache ich es, aber ich komme nicht mehr klar. Ich mache alles, was meine Mama vorher gemacht hat mit dem ganzen Haushalt, einkaufen, putzen, waschen, kochen und ständig gibt es etwas anderes zu tun. Meine Uni-Sachen vernachlässige ich komplett, habe schon die Fehlstunden fürs ganze Semester verbraucht und gerade jetzt müßte ich mich eigentlich so richtig reinhängen, und das wissen meine Eltern auch. Aber es geht weder zeitlich und psychisch schon gar nicht. Abends sagt mein Vater dann oft, so heute abend gehst Du aber mal weg, aber ich kann dann einfach nicht mehr, weil ich erstens körperlich total müde bin und auch keine Lust mehr habe, mit meinen Freunden wegzugehen, die dann wieder nur über ihr normales Leben reden. ich fühle mich nach so einem anstrengenden Tag und den vielen Gesprächen mit meiner Mutter nur noch wie erschlagen und total leer und kann nicht von einer Minute auf die andere umschalten und weggehen und fröhlich sein und lachen. Ich würde es so gerne können, aber ich kann es einfach nicht. Ach, ich will doch nur, daß meine liebe Mama wieder gesund wird und würde alles dafür tun, aber ich merke, daß mir auch die Energie ausgeht. Ich wünsche mir so sehr mein altes Leben zurück, aber es gibt keinen Weg dorthin zurück. Wißt ihr, ob man eine Haushaltshilfe bekommen kann von der Krankenkasse? Wahrscheinlich nur, wenn die Kinder noch unter 18 sind, oder?.

Anna, Deine Gedichte sind wirklich zum Weinen schön/traurig, und ich finde mich so sehr darin wieder. Sprichst Du jetzt viel mit Deinem Papa? ich glaube, es ist ganz wichtig, daß ihr wieder viel miteinander redet und er merkt, daß es so viel gibt, wofür es sich lohnt, zu kämpfen und wieder gesund zu werden. Es tut mir leid, daß sich Deine Freunde und auch Deine, Anne so seltsam verhalten und sich kaum nach Euch erkundigen. Bis vor kurzem war ich ja auch immer total enttäuscht, daß von ihnen teilweise so wenig kommt, aber ich versuche jetzt, es zu akzeptieren. Mir hat Kerstin in dem Thread von Ylva "Alltagsbewältigung" viel dazu geschrieben und ich versuche, es umzusetzen, weil ich es nicht ändern kann und es mich nur noch mehr Energie kostet, die ich für andere Dinge brauche. Vielleicht sind sie wirklich überfordert und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Ehe sie etwas falsches sagen, ziehen sie sich zurück. Ich glaube, ich würde nicht so reagieren, wenn die Eltern einer Freundin betroffen wären, aber vielleicht kann ich das jetzt auch nur sagen, weil ich schon alles mitgemacht habe???

Cassiopaia, das kenne ich zu gut mit den Fragen nach dem warum, und daß man sich immer alles logisch erklären möchte. ich habe mich auch so oft gefragt, was wäre, wenn meine mama nicht so viel streß gehabt hätte, sofort zum Arzt gegangen wäre, früher eine Therapie gemacht hätte, als sie gemerkt hat, daß sie mit meinem Bruder nicht mehr klarkommt ..... Aber es ist sinnlos, es ist so passiert und man kann nur noch machtlos danebenstehen und es akzeptieren, obwohl es so schwerfällt. Wenn meine Mama mit einer Freundin oder meiner Oma telefoniert, ist sie auch nicht so niedergeschlagen, ich glaube, die merken manchmal gar nicht, wie schlecht es ihr geht.
Welche Immuntherapie macht denn Dein Vater genau? Früher hat mein Vater auch sehr wenig von Naturmedizin und Heilpraktikern gehalten, aber inzwischen ist er sehr überzeugt davon, daß es hilft und spricht immer mit meiner mama, daß sie es versuchen soll. Sie nimmt jetzt immer Selen und Zink und Vitamine ein und bekommt Mistelspritzen.

Seid fest gedrückt,
Laura