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Alt 13.11.2005, 16:22
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Kerstin63 Kerstin63 ist offline
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Registriert seit: 30.10.2002
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Standard AW: Uneinigkeit der Angehörigen

Hallo Nicole,


ich kann Dich gut verstehen.

Zu allererst: ich kenne Dich zwar nicht, aber ich glaube Dir, dass Du natürlich nur das beste für Deinen Vater willst. Es ist ungerecht und gemein, Dir etwas anderes zu unterstellen. Es kann nicht sein dass Dein Mann (heutzutage!!!) seinen Job kündigt. Ausserdem bin ich sicher, dass Dein Vater das auch niemals gewollt hätte, solche Opfer wollen Eltern nicht von ihren Kindern, da bin ich ganz sicher.

Dass Du trotzdem Schuldgefühle hast, kann ich gut verstehen, die hat man vermutlich IMMER weil man sich IMMER fragt/fragen wird ob man genug getan hat. Aber ich finde das ganz übel, dass Dir jemand aus Deiner Familie sowas auch noch einreden will.

Man muss das Ganze auch realistisch sehen, ob man in der Lage ist so eine Pflege sicher zu stellen. Ich kann natürlich nicht beurteilen, inwieweit z.B. ein ambulanter Pflege/Hospizdienst die Pflege bei deinem Bruder unterstützen und wirklich möglich machen kann. Ich finde es ganz wichtig, NUR an das zu denken was das Bestmögliche für Deinen Vater ist. Wen es IRGENDWELCHE Zweifel daran gibt dass er zuhause die optimale sichere Betreuung gibt, incl. Schmerzlinderung und allem, dann DARF man meiner Ansicht nach die Pflege zuhause nicht durchsetzen. Bei sowas kann auch Egoismus dahinter stecken... es geht jetzt aber NUR um Deinen Vater.

Ich weiss nicht, was Du tun kannst um Dich mit den Verwandten zu einigen. Wenn es realisierbar ist und Dein Bruder ihn aufnehmen will + kann (dazu müsste man sicher erst alles mit einem entsprechenden Dienst abklären), ich denke dann solltest Du ihn so gut es geht (mit den Kindern) unterstützen. Frag noch mal die Ärzte: können sie das befürworten, die Pflege zuhause? Es ist einerseits eine sehr ehrenwerte Haltung Deines Bruders, denn da kommt sicher sehr Schweres auf ihn zu... aber man muss eben vor allem sehen ob es wirklich geht....

Als mein Vater letztes Jahr vor seinem Tod über 9 Wochen auf der Intesiv lag, ging mit dem Rest der Familie bei mir auch alles den Bach runter. mein bruder hat sich nach 3 Besuchen ausgeklinkt, er konnte das nicht mehr ertragen, wollte nichts mehr hören oder sehen. Meine Mutter (geschieden von meinem Vater) hat mich Null unterstützt damit ich hinfahren kann , ich habe nämlich auch 2 Kinder... habe schliesslich Babysitter bezahlt oder am WE war mein Mann da, aber wenn ich gekonnt hätte wäre ich möglichst jeden oder jeden zweiten Tag hingefahren, ging nicht, keiner hat geholfen, obwohl wir alle in einer Strasse wohnen. Und später wurde alles noch schlimmer. Alles ist sowas von verfahren.... es ist für alle eine emotional äussert schwierige Ausnahmesituation, und da kann einiges schief gehen. Ich kann mir schon ungefähr vorstellen, was da abgeht.

Es ist schwer, überhaupt was zu raten. Ausser vielleicht, sich möglichst eine für alle neutrale kompetente Person (Arzt, Hospizdienst o.ä.) zu suchen und als Vermittler wirken zu lassen. Hört sich hart an... aber hinterher könnt ihr Euch dann noch streiten bis die Fetzen fliegen... aber jetzt MÜSSt ihr Euch irgendwie zusammen raufen. Ist bestimmt sehr schwer, ich kann das nachfühlen.

Aber Du hast Dir bestimmt nichts vorzuwerfen. Versuch, Dir da nichts einreden zu lassen. Und zieh Dich nicht zurück, das würdest Du Dir selbst später evtl. nicht verzeihen können... es geht jetzt nur um ihn. Sie können Dir nicht verbieten ihn zu sehen. Ich weiss es ist schlimm in so einer Situation noch solchen Streit zu haben, es ist ein Alptraum, ich kenne das alles....

Kinder weggeben ist indiskutabel. Lass Dich nicht emotional erpressen. Du willst schon das Richtige tun.

Alles Gute + viel Kraft wünsche ich Dir
Kerstin
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