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Alt 02.11.2005, 17:22
AndreaM AndreaM ist offline
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Standard AW: Verzweiflung - hört das nie auf?

Liebe Anja,

es macht mir nicht gerade Mut zu lesen, dass es einem nach einem Jahr noch so schlecht gehen kann - ich halte mich bisher an der Hoffnung fest, dass die Zusammenbrüche seltener werden, dass das Weinen irgendwann nachlässt. Morgen sind es 6 Wochen seit meine Mama uns verlassen hat.

Weihnachten werden mein Mann und ich verreisen - es wird einfacher sein, die Zeit ganz ohne die lieben Traditionen zu verbringen, die ich mir ohne meine Mama nicht vorstellen kann.

Wenn ich so in Deinen und Kerstins Zeilen lese, habe ich allerdings die Befürchtung, ihr stellt zu hohe Ansprüche an Eure Mitmenschen. Mir geht es im Moment so dass es einfach gute und schlechte Tage gibt. An guten Tagen möchte ich abgelenkt werden, an schlechten getröstet. Aber woher sollen die anderen denn wissen, welch einen Tag ich heute habe? Ich erwarte einfach nur Toleranz für meine Launen - und manchmal bin ich froh, dass sich nicht alle anstecken lassen und mich auf andere Gedanken bringen.

Was erwartet ihr denn z. B. bei einer Familienfeier - dass aus Rücksicht auf Eure Gefühle alle trauern? Das geht doch nicht - denn wenn man dieses Bild zuende malt, dann würde allen dieser Tag als Feiertag genommen. Niemand würde mehr gerne kommen wollen, und das Familientreffen irgendwann nicht mehr stattfinden. Und das - ganz ehrlich - würde ich nach meinem Tod nicht wollen. Ich würde nur nicht wollen, dass man mich vergisst. Aber fröhliches Feiern, das soll für alle weiter möglich sein.

Ich selbst muss mich auch fragen - als vor Jahren der Vater meiner besten Freundin starb - war ich wirklich für sie da? Habe ich damals alles richtig gemacht? Ich weiss heute, ich konnte nicht nachfühlen, was dieser Verlust für sie bedeutet hat, das habe ich erst jetzt gelernt. Trotz allem weiss ich, ich habe es versucht, wirklich nach bestem Wissen und Gewissen - und bin froh, dass ihr das genügt hat.

Ich bitte Euch daher: geht nicht so hart mit Euren Mitmenschen ins Gericht. Jeder verarbeitet Trauer anders. Die einen können sich ihr stellen, die anderen müssen verdrängen um nicht daran zu zerbrechen. Jeder begegnet der Trauer auch anders. Die einen können auf den trauernden Menschen zugehen und Trösten - die anderen packt die Angst vor den eigenen Verlustängsten und sie verdrängen alles.

Ich wünsche Euch allen nur das Beste!
Andrea
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