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Alt 20.10.2002, 15:18
Gast
 
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Hallo, Anja,
warum sollte ich nicht mehr melden? Wir diskutieren doch hier gerade und ich warte immer auf eine Antwort von Dir. :-)
Entgegen meiner sonstigen Überzeugung habe ich mir das Modell gerade mal angesehen. Aber ich halte es für wichtig, dass ich weiss, worüber hier diskutiert wird. Es ist allerdings genau das, was ich vorher bereits den Aussagen hier entnehmen konnte. Und genau damit habe ich ein Problem. Es ist ein Schema des Sterbens, basierend auf den Erfahrungen, die Frau Kübler-Ross mit diesen gemacht hat. Aber kann man Menschen in ein Schema zwängen? Vielleicht leugnet es mein Angehöriger bis zum Schluss, dass er sterben muss. Ja, und? Vielleicht wird er bis zum Ende von der Hoffnung getragen, es doch noch zu schaffen. Soll ich da gedanklich die Stirn runzeln und denken: Naja, Du willst es zwar nicht wahrhaben, aber Du bist die ganze Zeit in Phase 1? Und eigentlich müßtest Du jetzt mal allmählich Phase 2 erreichen? Ich habe ein Problem mit "Schubladendenken". Und ich würde mich mörderunwohl fühlen, wenn ich wüßte, dass meine Angehörigen dieses Modell im Hinterkopf hätten, wenn es mich betrifft. Ich würde mich total beobachtet fühlen. Meine Reaktionen werden analysiert und einer bestimmten Phase zugeordnet. Ist vielleicht ein bisschen zu überspitzt ausgedrückt, aber ich hoffe, dass keiner meiner Angehörigen sowas jemals liest. Oder vielleicht könnte man das Schema ja auch mal auf den Kopf stellen und die Leute ein bisschen verwirren. Vielleicht bin ich ja dann erstmal ziemlich depressiv, dann superzornig und dann leugne ich den Tod, bis ich sterbe. Kann sein, oder? Und wenn Du meinst, ich möchte in kein Schema gezwängt werden und würde das auch bei keinem meiner Angehörigen oder Freunde tun, hast Du recht.
Und um auch Deine Frage zu beantworten: Ich identifiziere mich hier weder mit den Sterbenden noch mit denen, die diesen begleiten. Mir geht es gut und in meinem Verwandten- oder Freundeskreis stirbt auch gerade niemand. Aber meine Tante ist vor einem Jahr an Krebs gestorben. Sie wußte bei ihrer Diagnose, dass sie sterben muss, da der Krebs erst in einem sehr späten Stadium erkannt wurde. Ich hatte da wie gesagt nicht dieses Modell und bin einfach so mit ihr umgegangen, wie wir es immer taten. Offen und ehrlich. Wir haben die Dinge getan, die sie machen wollte, egal, ob sie mir vielleicht unsinnig erschienen. Für sie waren sie wichtig. Sie war die Hauptperson. Sie hatte nur noch wenig Zeit und wollte diese auf ihre Art nutzen. Ehrlich gesagt, eine Anleitung, warum sie sich gerade zu diesem Zeitpunkt so und zu einem anderen Zeitpunkt anders verhalten hat, habe ich nicht vermisst.
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